Brilon/Gelsenkirchen. Nach dem Tod ausgestellt. Sandra Kunowski will ihren Körper der Ausstellung „Körperwelten“ spenden. Warum die Frau aus Brilon diesen Schritt geht.

Echte, menschliche Körper, Organe, Muskeln und Sehnen: Sandra Kunowski kann sich noch genau an den Tag erinnern, als sie zum ersten Mal die Anatomieausstellung Körperwelten“ besucht hat. „Ich habe nur gedacht: ‘wow’“, erinnert sich die 54-jährige Gelsenkirchenerin, die jetzt mit ihrem Partner in Brilon lebt und die Stadtschenke betreibt. Seit diesem Tag reifte in ihr der Wunsch: Das möchte ich auch.

Vor fünf Jahren ist ihre Entscheidung gefallen

Vor fünf Jahren entschied sie sich, ihren Körper nach ihrem Tod dem Institut für Plastination zur Verfügung zu stellen. Damit wird er möglicherweise in vielen Jahren als Exponat in der Ausstellung zu sehen sein.„Körperwelten“ zeigt die konservierten Körper echter Menschen, in Szene gesetzt in Alltagssituationen. Macher ist der deutsche Mediziner und Anatom Gunther von Hagens, der die sogenannte „Plastination“ erfunden hat – ein Verfahren, mit dem man tote Körper mithilfe eines Reaktionskunststoffes dauerhaft konservieren kann. Die einen finden das faszinierend, die anderen pietätlos: Seit der ersten Ausstellung lösen die „Körperwelten“ regelmäßig Kontroversen aus.

Sandra Kunowski kann das nicht verstehen. „Für mich ist das eine Wahnsinns-Faszinaton“, beschreibt sie. „Es sieht auch überhaupt nicht ekelhaft aus. Im Grunde ist es wie ein Plakat beim Arzt, nur leibhaftig.“ Und wie, fragt Kunowski, sonst solle der medizinische Laie die Möglichkeit bekommen zu beobachten, wie ein menschlicher Körper von innen aussieht? 2016 entschloss sie sich: Sie will Körperspenderin werden.

Viele Telefonate mit dem zuständigen Institut

Zu Beginn des Prozesses standen viele Telefonate mit dem zuständigen Institut für Plastination, Gespräche darüber, ob sie sich ihrer Sache wirklich sicher ist. Anschließend bekam die Gelsenkirchenerin Informationsmaterial darüber, was genau bei der Plastination mit ihrem Körper passieren wird. Voraussetzung für die Spende ist außerdem, dass sie eines natürlichen Todes stirbt, ihre Organe nicht spenden will und dass keine Obduktion an ihrer Leiche vorgenommen wird.

Kunowskis Entschluss gefiel damals nicht jedem. „Meine Mutter hat sich aufgeregt und meinen Wunsch überhaupt nicht verstanden“, erinnert sie sich. „Sie sagte: ‘Tu das nicht, das ist doch so ekelhaft’. Ich habe ihr dann aber klargemacht, dass sie sich kein Urteil über etwas bilden kann, das sie selbst noch nie mit eigenen Augen gesehen hat.“

Angelika Brauckmann hält ihren Spenderausweis für die Körperwelten in der Hand.
Angelika Brauckmann hält ihren Spenderausweis für die Körperwelten in der Hand. © FUNKE Foto Services | Lutz von Staegmann

Ein gutes Gefühl, nach dem Tod von Nutzen zu sein

Die Entscheidung hat aber tiefere Gründe als die pure Faszination an der Sache. „Ich möchte meinen Angehörigen nach meinem Tod nicht zur Last fallen“, sagt Kunowski zum Beispiel.

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Sie denkt pragmatisch: „Wenn ich mich beerdigen lasse, werde ich von Insekten aufgefressen. Und die Grabpflege? Darum kümmert man sich vielleicht ein paarmal, dann gerät es in Vergessenheit.“ Nicht zu unterschätzen sei auch der mit einer Bestattung jedweder Art verbundene Kostenfaktor.„Die Leute, die mich lieben, tragen mich in ihrem Herzen. Die brauchen kein Grab“, findet Kunowski. Außerdem gibt es ihr ein gutes Gefühl, nach ihrem Tod noch von Nutzen zu sein, der Wissenschaft, Bildung, Aufklärung zu dienen. Selbst wenn sie am Ende nicht in der Ausstellung zu sehen sein werde, bringe sie doch die Forschung des Instituts für Plastination voran: „Das ist für mich nichts anderes, als wenn Menschen ihre Körper Universitäten zur Verfügung stellen.“

Sie denkt noch nicht ans Sterben

Mit der eigenen Sterblichkeit konfrontieren sich viele Menschen nur ungern. Plant man die Verwendung des eigenen Körpers nach dem Ableben, kommt man jedoch kaum um die Auseinandersetzung herum. Für Kunowski gehört das zum Leben dazu: „Ich sage immer: Das Leben ist eine Prüfung, die mit dem Tod endet.“ Das bedeute nicht, dass sie keine Angst vor dem Sterben habe. Aber: „Letztendlich ist der Tod etwas ganz Natürliches.“

Was der Gelsenkirchenerin besonders wichtig ist: „Man schließt mit Körperwelten keinen Vertrag ab.“ Lediglich eine Willenserklärung, die jederzeit widerrufen werden kann, hat sie unterzeichnet. „Vielleicht entscheide ich mich irgendwann um“, sagt sie. Im Moment sei so viel zu tun – die 54-Jährige ist gerade zu ihrem Lebensgefährten nach Brilon gezogen, dort eröffnen die beiden gemeinsam ein Restaurant –, dass sie an alles andere denke. Nur nicht ans Sterben.