Hochsauerlandkreis. Die Aufhebung der Priorisierung sorgt bei den Hausärzten für mehr Arbeit – ganz fällt die Priorisierung noch nicht. Was Sie jetzt wissen sollten:

Das Telefon in der Praxis von Christoph Hüttemann steht kaum noch still. Bereits seit Wochen sind die eingehenden Anrufe in seiner Gemeinschaftspraxis in Olsberg kaum noch zu bewältigen. Seit zwei Tagen klingelt das Telefon nun aber ununterbrochen. Der Grund: Die Aufhebung der Priorisierung für Impfungen mit dem Vakzin des Herstellers AstraZeneca bei den niedergelassenen Hausärzten. Diese wird grundsätzlich von den Ärzten begrüßt – wobei die Priorisierung noch nicht bei allen gänzlich gefallen ist.

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Seit dem auch niedergelassene Hausärzte ihren Beitrag zur bundesweiten Impfkampagne leisten dürfen, ist das Tempo deutlich gestiegen. In den vergangenen Tagen erreichte der dafür zu betreibende Aufwand bei einigen Hausärzten aber noch einmal ein ganz anderes Niveau. „Die Anfragen waren schon vor der neuen Regelung sehr hoch, unser Email-Postfach erreicht neue Höchststände und unsere Telefonleitungen sind leider dauerhaft belegt“, berichtet Tim-Henning Förster von der Sauerlandpraxis mit ihren drei Niederlassungen.

Über die Priorisierung entscheidet jetzt jeder selbst

Die Liste an Patienten, die sich mit dem Impfstoff von AstraZeneca vor einer Infektion mit Covid-19 schützen möchten, ist in den vergangenen Tagen noch einmal deutlich länger geworden. Diese Warteliste zu führen, ist aktuell für seine Angestellten eine tägliche Herausforderung. „Sie machen aber einen tollen Job, auch wenn man sagen muss, dass die Entscheidung über die Aufhebung der Priorisierung nun sehr schnell kam“, sagt Dr. Christoph Hüttemann.

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Er begrüßt den Schritt der Landesregierung, sich bei Impfungen von AstraZeneca nicht mehr strikt an die aktuell geltende Priorisierungsgruppe halten zu müssen. Und dennoch hat diese auch weiterhin für ihn und einige seiner Kollegen Bestand. „Tendenziell begrüßen wir natürlich den Schritt der Landesregierung, wobei wir hier auch klar festhalten müssen, dass bei einer noch immer vorherrschenden Knappheit an Impfstoff weiterhin Patienten mit hohem Risiko bevorzugt eine Impfung erhalten werden“, sagt Tim-Henning Förster von der Sauerlandpraxis.

Keine Freischüsse

Im Fokus stehen weiterhin die chronisch erkrankten Patienten, bei denen ein höheres Risiko eines schweren Verlaufs einer Covid-Erkrankung zu befürchten ist. Eine chronologische Listung der eingehenden Impfwünsche der Patienten, sei deshalb nicht ratsam, so Hüttemann. „Es kann jetzt nicht jeder der bei uns anruft erwarten, dass er innerhalb von einer Woche einen Termin gibt“, sagt er. „Wir verteilen auch weiterhin keine Freischüsse.“

Und dennoch entscheidet der Mediziner durch die Aufhebung der Priorisierung letztendlich selbst, wer die ihm zur Verfügung stehenden Impfdosen bekommt. „Wenn abends eine Dosis übrig bleibt, kontaktieren wir aber erst Menschen, die auf unserer Liste weit oben stehen“, sagt Hüttemann.

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Die zuletzt immer wieder auftauchende Kritik von Hausärzten, dass nicht ausreichend genug Impfstoff zur Verfügung steht, sieht Hüttemann nicht. Es gebe keine Begrenzung mehr für den Impfstoff von AstraZeneca, jeder Arzt könne so viel bestellen wie er benötigt. Und das kommt gerade richtig, denn die Bereitschaft zur Impfung mit dem immer wieder kritisierten Impfstoff steige wieder. „Das ist ein guter Impfstoff“, sagt Hüttemann. Lediglich bei Menschen, die bereits eine Sinusvenen-Thrombose oder einer Heparin-induzierte Thrombozytopenie, sollte von einer Impfung mit dem Vakzin des britisch-schwedischen Pharmaunternehmens abgesehen werden.

Nicht alle machen mit

50 bis 100 Impfungen verabreichen er und seine drei Kollegen in der Praxis in Olsberg zur Zeit täglich. Damit sei die Auslastung in seiner Praxis am Limit, mehr Impfungen seien zeitlich schlichtweg nicht möglich. Ein Grund ist die Weigerung einiger niedergelassener Hausärzte, sich an der Impfkampagne zu beteiligen – weshalb die Patienten dieser Ärzte auch oft auf den Listen von Dr. Hüttemann auftauchen.

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Andreas Witteler ist bereits seit Jahrzehnten in Brilon niedergelassen. Bis zu 100 Patienten versorgt der Allgemeinmediziner in seiner Praxis am Tag. „Die Bürokratie im Zusammenhang mit den Impfungen ist zu ausufernd“, sagt er. Er impft seine Patienten nicht gegen Covid-19, da ihm die Dokumentation und Zubereitung der Impfstoffe zu viel Zeit rauben würden.

Extra Kräfte helfen

Ein Argument das Christoph Hüttemann nicht akzeptiert. „Der bürokratische Aufwand ist das Geringste, das lasse ich als Argument nicht gelten“, sagt er. Er hofft viel mehr darauf, dass sich das Tempo der Impfkampagne durch noch mehr impfbereite Hausärzte noch steigert. „Das ist der einzige Weg, wie wir wieder schnell zur Normalität zurückkehren können.“

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In der Sauerlandpraxis von Tim-Henning Förster wurden eigens für die Impfkampagne das Personal aufgestockt. „Wir haben dafür unser Personal bereits um mehrere Teilzeitkräfte erweitert, die ausschließlich im Impfbereich tätig sind“, so der Allgemeinmediziner. Genug zu tun haben dürften diese extra eingestellten Kräfte in den kommenden Wochen.

Alles wird verimpft

Währenddessen läuft der Betrieb im Impfzentrum Olsberg weiter auf Hochtouren. Laut Christoph Hüttemann, der neben seiner Praxis auch Leiter des Impfzentrums ist, werden täglich zwischen 1000 und 1200 Dosen verabreicht. Übrig geblieben ist bisher nie etwas. „Dafür lege ich meine Hand ins Feuer“, sagt er.