Esshoff/Antfeld. Die Karfreitags-Corona-Fete ist vorbei, doch dem Ferienhaus in Esshoff droht noch mehr „Disco“: Es ist am stärksten durch Schattenwurf belastet.

Hier ist der „Disco-Effekt“am größten: Das kleine Ferienhaus am Ortseingang von Brilon-Esshoff bekommt mehr als das Doppelte der Schattenwurf-Menge ab, die als Richtwert gilt. 62 Stunden und vier Minuten sind astronomisch im Jahr jenseits des am Straßenrand stehenden Kruzifixes möglich. Nicht ganz so viel Blitzlicht und Budenzauber gab es jüngst noch in der Unterkunft: Dort stieg Karfreitag die bundesweit bekannt gewordene und von der Polizei beendete Corona-Party.

Nur eine Handvoll Schritte weiter als 720 Meter, dem Dreifachen der Anlagenhöhe, von hier entfernt entsteht das östlichste von vier auf dem Vossstein geplanten Windrädern.

240 Meter hohe Windriesen

Mit 240 Metern gehören die auf dem Bergrücken zwischen Antfeld und Esshoff geplanten Anlagen zu den höchsten der Region. Projektiert wird der Windpark von der juwi AG, einem seit 25 Jahren im Bereich Erneuerbare Energien weltweit tätigen Big Player aus der Nähe von Mainz.

Blick über Antfeld und die B7: Die vier Anlagen sollen auf dem Bergrücken oberhalb der alten Heeresstraße entstehen. Im Hintergrund rechts oben Altenbüren
Blick über Antfeld und die B7: Die vier Anlagen sollen auf dem Bergrücken oberhalb der alten Heeresstraße entstehen. Im Hintergrund rechts oben Altenbüren © www.blossey.eu/Archiv | Hans Blossey

Vier identische 5,5 MW-Anlagen will die juwi AG in den adeligen Wäldern errichten. Die Windräder bestehen aus einem Stahlrohrturm mit einer Nabenhöhe von 161 Metern, die Rotoren haben einen mit 158 Metern nahezu gleich großen Durchmesser.

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Aus den auf der Homepage des HSK öffentlich einsehbaren Antragsunterlagen - rund 800 Seiten, die ZIP-Datei hat ein Volumen von 240 MB - geht hervor, dass das Quartett an einigen Stellen die bereits durch insgesamt 14 bestehenden bzw. geplanten Anlagen berechnete Vorbelastung der Bewohner deutlich in die Höhe treibt.

Ortsvorsteher: Belastungen

Die astronomisch mögliche Schattenwurfdauer auf ein Wohnhaus darf 30 Stunden im Jahr nicht überschreiten, pro Tag gelten 30 Minuten als maximal zumutbare Belastung. Für ein Haus am Ostrand von Esshoff erreicht die Hochrechnung allerdings 62:04 Stunden pro Jahr und 50 Minuten an einem Tag. Bei weiteren Häusern sind es 44:19 Stunden pro Jahr (am Waldrand), 38:14 Stunden (zum Escherfeld), 34:46 Stunden (in Grimlinghausen) sowie 30.26 Stunden am Elmerborg in Altenbüren. Um die Richtwerte einzuhalten, sollen die Anlagen eine entsprechende Abschaltautomatik erhalten.

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Dort haben sie wegen den auf der Haar und am Windsberg errichtetem Windpark der Briloner Stadtwerke ohnehin einen dicken Hals. „Die Dinger werden immer lauter“, machte jüngst noch der Ortsvorsteher von Esshoff und CDU-Stadtrat Manfred Göke im Bau- und Planungsausschuss seiner Verärgerung Luft.

Genehmigungsverfahren läuft

Die Antragsunterlagen liegen noch bis 19. April im Rathaus Olsberg, im Rathaus Bestwig und im Kreishaus in Brilon aus.

Außerdem sind sie auf der Homepage www.hochsauerlandkreis.de zu finden.

Die Einspruchsfrist läuft bis 15. Mai.

Bisher liegt dem HSK eine Eingabe vor.

Dass ein dreifacher Mindestabstand „deutlich zu wenig“ sei, meinte auch Ausschuss-Vorsitzender Jürgen Kürmann, ebenfalls CDU. Nicht weiter helfe der in NRW diskutierte Mindestabstand von 1000 Metern. Der, so Bauplanungsamtsleiter Gernot Oswald, befinde sich erst im Gesetzgebungsverfahren. Er selbst empfinde den dreifachen Höhenabstand als zu gering.

Eigenes Umspannwerk an der B7

Die juwi AG jedoch nicht: Da sich innerhalb des 720-Meter-Radius keine Wohnhäuser befänden, könne „ausgeschlossen werden, dass es zu einer optisch bedrängenden Wirkung kommt“. Für die Einspeisung ins Stromnetz soll an der B7 kurz vor Altenbüren im Bereich der dortigen Stromleitung ein Umspannwerk errichtet werden.

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Die Stadt Brilon ist in dem Antragsverfahren als Nachbar, nicht als Behörde beteiligt. Derzeit arbeitet sich auch der Verein für Umwelt und Naturschutz Hochsauerland (VUNH) durch die Antragsunterlagen.

„Wie immer“, so Winfried Rampe, „wundern wir uns, dass zum Beispiel die Rotmilane immer genau die Flächen nicht befliegen, an denen die künftigen Windkraftanlagen stehen sollen.“

VUNH wundert sich: Wieder keine Rotmilane?

Die Erschließung des Windparks erfolgt durch das Gewerbegebiet auf der Elmerborg in Altenbüren und die Esshoffer Straße. Für die vier Windräder mit ihrer Fundamentfläche von jeweils 434 Quadratmetern wird eine Grundfläche von insgesamt etwa 33.700 Quadratmetern gebraucht, in der Bauphase kommen weiter rund 28.800 qm hinzu, die anschließend wieder aufgeforstet werden. Für die Wege werden 10.000 qm dauerhaft und 14.000 qm vorübergehend beansprucht.

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Auch darüber kann sich der VUNH immer wieder wundern. Für den Bau sei eine Waldumwandlungsgenehmigung erforderlich. Die für die vier Windräder voll versiegelte Fundamentfläche von 1736 Quadratmetern entsprechen fünf Prozent der Waldumwandlung. Winfried Rampe: „Im Umkehrschluss sind 95 Prozent Waldverlust Kollateralschaden an der Natur. Das ist der typische Preis für Windkraftanlagen im Wald.“

Nur „mittlerer Wert“ für Tourismus

Bezüglich der Erholungsfunktion hat der Vossstein für die Projektierer nur „mittleren Wert“. Es gebe „nur in geringem Maße Anziehungspunkte für den regionalen und überregionalen Tourismus“.

Nun, die jungen Leute, die sich Karfreitag über Soziale Medien zu der Corona-Sause im Sauerland verabredeten, sind jedenfalls auf Esshoff aufmerksam geworden.