Brilon/Olsberg/Marsberg. Der Einzelhandel im HSK ist an der Grenze: Was Händler fordern, um zu überleben, überrascht und geht über das hinaus, was bisher diskutiert wird:
Seit einer Woche greift die Notbremse mit Testoption im Hochsauerlandkreis und jetzt ist klar – nicht nach drei, sondern nach sieben Tagen mit einer Inzidenz von unter 100 darf der Einzelhandel wieder „Click&Meet“, also das Terminshopping, anbieten. Das sorgt für Ärger und Frust, denn das Einkaufen mit einem zertifizierten Negativtest aus den Testzentren funktioniert größtenteils nicht gut. Der Einzelhandel zieht ein Fazit.
In Olsberg ist kaum etwas los
Olsberg am Mittwoch zur Mittagszeit. Rund um den Markt ist so gut wie kein Betrieb. Anders als sonst, wenn viele die Mittagspause für einen Bummel oder schnelle Besorgungen nutzen. In der Parfümerie Völker gibt es Accessoires nur auf Bestellung. Eine Mitarbeiterin vom Modehaus Schlüter-Eickel sagt, dass es so gut wie keine Laufkundschaft gibt. Zuvor ist ohnehin ein negativer Test erforderlich. Die Kunden kommen nur mit Termin. Anmeldungen sind auch mit der Luca-App möglich. Aber auch „Click&Collect“ kann die Ware an der Tür in Empfang genommen werden. Benedikt Frewel von Fielmann Optik in Olsberg:
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„Der Betrieb läuft ganz normal nach den aktuell geltenden Regeln. Wir arbeiten seit Juni letzten Jahres nur mit Termin“. IS-Moden hat die Geschäftszeiten reduziert und jetzt unter Mittag geschlossen. Eine Vielzahl von Plakaten am Eingang weist auf die Regularien beim Einkauf hin. Alles läuft nach Termin, auch per Luca-App. Am Eingang klingeln, die Bedienung kommt. Shoppen in Olsberg während der Corona-Pandemie.
Christian Leiße, Vorsitzender vom Gewerbeverein Brilon und Inhaber von Herrenausstatter und Damenmode Leiße, sagt ehrlich: „Das sind schlimme Zustände!“ Bei ihm im Geschäft kaufen Frauen und Männer. Während Frauen einen Test oft noch in Kauf nehmen würden, seien die Männer zögerlicher. „Wenn ein Mann eine Jeans will, dann lässt er sich nicht extra dafür ein Stäbchen in die Nase schieben.“ Christian Leiße hat einige Kollegen gefragt. Das Fazit: Die Kunden bleiben seit der Notbremsen-Regelung mit den Negativtests aus. „Viele stehen vor dem Laden und sind enttäuscht, weil sie das Durcheinander der Regeln gar nicht verstehen und nicht wissen, dass sie ohne einen zertifizierten Test nicht in den Laden gehen können.“
Telefonische Beratung beliebter als Test-Shopping
„Bei uns läuft es momentan so“, sagt David Wegener, Junior-Chef von Schuh-Wegener in Marsberg und Vorsitzender des Gewerbevereins Marsberg, „die Kunden schauen sich die Schuhe im Schaufenster oder Online an, lassen sich dann telefonisch oder an der Ladentüre mit Abstand beraten und nehmen dann die Schuhe mit oder holen sie ab.“
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Anprobiert würde zu Hause. Bei Nichtgefallen werden die Schuhe natürlich zurückgenommen. Diese Variante des Einkaufens würde in Marsberg eher bevorzugt, hat Wegener auch in Gesprächen mit anderen Einzelhändlern festgestellt. Das Einkaufen nach Termin und mit negativem Corona-Test würde in seinem Schuhgeschäft eigentlich nur im Kinderschuhverkauf stattfinden. Wenn die Eltern einen negativen Test haben, dürfen sie mit ihren Kindern ins Geschäft kommen und Schuhe anprobieren.
In Brilon ist das schwieriger. Christian Leiße stellt fest, dass viele die Ware zum Anprobieren nur ungern mit nach Hause nehmen. „Wenn jemand einen Pulli möchte, dann möchte er diesen anprobieren. Braucht man vielleicht doch eher die 38 statt die 36? Und ist grün vielleicht besser als blau? Niemand möchte acht Pullover zum Anprobieren mit nach Hause nehmen und einen Teil wieder zurückbringen.“ Zudem fehle der Anlass zur Präsentation. Keine Ostertreffen, kein Restaurantbesuch – keine Möglichkeit, das neue Kleid zu zeigen. Die Tests würden das Einkaufsverhalten allerdings kaum verbessern – schlicht, weil es an Kapazitäten mangele.
Für David Wegener würde es Sinn machen, wie er im Gespräch mit der WP sagt, wenn es ein Überangebot an Testmöglichkeiten geben würde, so dass nicht die Kunden eine Woche auf einen Testtermin warten müssen, um dann damit einkaufen gehen zu können. Das Geld dafür müsste die Politik zur Verfügung stellen, so dass nicht die Teststellen das finanzielle Risiko tragen müssten.
Zu wenige Testkapazitäten für Einzelhandel
Dasselbe sagt Christian Leiße. „Wir haben drei Testzentren in Brilon – im Vergleich mit den Nachbarkommunen, die mehr Testzentren aber weniger Einwohner haben, ist das wenig.“ Er rechnet beispielhaft aus: In der Hagelüken-Apotheke würden pro Tag rund 100 Tests angeboten.
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Rechne man dieses Angebot auf drei Testzentren hoch, komme man auf rund 1200 Tests die Woche, wenn man davon ausgehe, dass die Testzentren vier Tage die Woche testen. Das seien rund 5 Prozent der 30.000 Einwohner in Brilon. „Das ist zu wenig. Wir brauchen mehr Testkapazitäten. Zumal viele die Tests nutzen, nicht um einzukaufen, sondern ihre Familie zu besuchen.“ Das verstehe Christian Leiße auch. Er wünscht sich trotzdem ein besseres Angebot – und das einfach und zügig. „Die Politik hat nicht früh genug gehandelt.“
Die Zahlen im Einzelhandel seien besorgniserregend. „Ein Überleben ist so kaum möglich“, sagt Leiße. Zwar seien die Überbrückungshilfen teils gezahlt und hilfreich, aber es fehle eine Perspektive. Mal werde versprochen, dass der Einzelhandel bei einer Inzidenz von unter 50 öffnen dürfe, dann sei es die magische 35 geworden. Ganz plötzlich. Und erfordere eine Lockerung der Notbremse eine Inzidenz von unter 100 über sieben Tage, nicht mehr wie zuvor angekündigt über drei. Das blinde Vorstoßen der Politik und die Inkonsequenz, das kritisiert Christian Leiße. Er sagt auch: „Jetzt ein harter Lockdown, in dem auch der Einzelhandel schließt, wäre meiner Meinung nach nur sinnvoll, wenn auch Supermärkten und Tankstellen das Verkaufen von Non-Food Artikeln wie Blumen oder Büchern oder Spielwaren verboten werden würde. Nur Lebensmittel und das nötigste und dazu eine Ausgangssperre. Hätte man so einen Lockdown schon im November und vielleicht noch einmal im Februar gemacht um Karneval auszuhebeln, dann ständen wir jetzt nicht vor steigenden Infektions-Zahlen.“