Medebach/Altkreis. Die EU-Kommission verklagt Deutschland, weil es hier mit dem Naturschutz hapert. Ein Urteil könnte auch im Südkreis drastische Konsequenzen haben.
Hiobsbotschaften verkündete kürzlich Hans-Theo Körner, stv. Leiter der Unteren Naturschutzbehörde, im Medebacher Rat: Ein Streit zwischen der EU und Deutschland könnte Auswirkungen auf das Sauerland haben.
Die EU-Kommission hat ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik eingeleitet und diese verklagt: Deutschland verstoße gegen Naturschutzrecht, weil es nicht genug Energie in Maßnahmen zum Erhalt der FFH-Gebiete stecke. Ein Verfahren, das seit Jahren drohte und seit Mitte Februar beim Europäischen Gerichtshof liegt.
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„Hier vor Ort betrifft das Verfahren Berg- und Flachland-Mähwiesen in den FFH-Gebieten“, erklärte Körner den Ratsmitgliedern. Als Mähwiesen gelten im Sinne des Naturschutzes extensiv genutzte Wiesen, die selten gemäht und gedüngt werden und daher vielen Arten Lebensraum bieten.
„Viele dieser Wiesen sind stark geschädigt oder verschwunden aufgrund nicht naturschutzgerechter Landwirtschaft. Eine artenreiche Wiese hat 35 bis 40 Pflanzenarten. Eine fünfmal pro Saison gemähte nur fünf bis sechs“, präzisiert Körner auf Anfrage telefonisch.
Auf Medebacher Gebiet betreffe das Problem vor allem das Waldreservat Glindfeld, Wiesentäler im Orke- und Gelängebachtal sowie den Nebenflüssen. „Dramatisch ist es auch ab dem Orkepark Richtung Landesgrenze; dort ist praktisch keine Fläche mehr erhalten.“ Das Problem betreffe nicht nur Medebach: „Im Hallenberger Liesetal und im Winterberger Hilletal ist es genauso schlimm.“
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Ihr Status als FFH-Gebiet schütze die Wiesen nicht vor der Übernutzung durch intensive Landwirtschaft, wie Körner erklärt: „Die Bundesrepublik fand es einst ausreichend, solche Flächen entweder unter Grundschutz zu stellen oder Vertragsnaturschutz zu betreiben.“
Vertragsnaturschutz bedeutet, dass Kreis und Landwirt freiwillig einen Vertrag schließen, wie eine Fläche naturverträglicher bewirtschaftet werden kann. Die Landwirte erhalten Fördergelder, im Gegenzug legt der Vertrag zum Beispiel fest, wann und wie gemäht und gedüngt werden darf. Das habe sich im Medebacher Raum bewährt: „Wo Vertragsnaturschutz betrieben wird, finden sich auch die gut erhaltenen Flächen.“
Umfassendes Düngeverbot befürchtet
Ganz anders beim Grundschutz: Der bedeute lediglich, dass die Wiese nicht in Acker umgewandelt, aufgeforstet oder bebaut werden dürfe. Den schwarzen Peter schiebt Körner dem Bund zu. Der habe jahrelang das Thema schleifen lassen und erst Ende 2019 den Kreis über das bevorstehende Verfahren unterrichtet. Wie es ausgehe, sei zwar unklar – es stehe aber zu befürchten, dass zusätzlich zu Strafzahlungen ein generelles Düngeverbot in FFH-Gebieten durchgesetzt werden könnte. Das wiederum würde alle treffen, die dort Landwirtschaft betreiben, ob intensiv oder extensiv.
Obwohl weder Kommunen noch Kreise Einfluss auf das Verfahren haben, diskutierten die Ratsmitglieder, wie das Problem zumindest im Stadtgebiet gemildert werden könnte. „Sollen alle Landwirte durch so harte Maßnahmen wie ein Düngeverbot betroffen werden – wegen drei, vier problematischer Bewirtschafter?“, hieß es aus der Runde. Mehr sind es in Medebach nicht, haben Kreis und Landwirtschaftskammer herausgefunden. Das wäre möglich, so Körner.
Was bleibt? Gespräche mit den naturschutztechnisch problematischen Landwirten oder mit den Eigentümern der Flächen – womöglich gar mit dem Ziel der Kündigung von Pachtverträgen? „Das wäre möglich, brächte aber sicher Unruhe“, prophezeite Körner. Woraufhin Bürgermeister Thomas Grosche betonte, man sei in Medebach mit Dialog und Kompromissen immer weit gekommen. „Aber wir müssen reagieren.“
Wie es passieren konnte, dass der Artenverlust in den FFH-Gebieten erst jetzt aufgefallen ist? Hans-Theo Körner erläutert auf Nachfrage die Prüfroutine: „Die EU fordert alle zehn Jahre eine Zustandsprüfung der FFH-Gebiete, mit Kartierung der vorkommenden Pflanzen und Vergleich mit der vorigen Prüfung.“ Das habe vor einigen Jahren die dramatischen Artenverluste seit Mitte der Nullerjahre ausgewiesen. Auf der Ebene der Landwirtschaftskammern und der Unteren Naturschutzbehörde gebe es nur Stichproben. Aus diesen Gründen sehe er, Körner, die Hauptversäumnisse bei der Bundesregierung, der das Problem seit Jahren bekannt sei.