Brilon/Marsberg. Aus dem Nichts heraus wurden Brilon und Marsberg über die Ausweisung eines Vogelschutzgebietes in Kenntnis gesetzt. Das hat Folgen.

Es sollten 280 Quadratkilometer werden, jetzt kommen noch 120 auf Brilon und Marsberg : Von Esshoff im Westen bis hoch zur Kreisgrenze bei Essentho im Nordosten will das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) ein EU-Vogelschutzgebiet ausweisen. Initiator: der Verein für Natur- und Vogelschutz (VNV) im HSK. Ende 2019 hat der VNV das Verfahren beantragt. Und jetzt soll alles hopplahopp gehen. Bereits am 22. Dezember soll die Offenlegung erfolgen. Bis April will die Bezirksregierung das Verfahren durch haben. Und genau das bringt in Marsberg und Olsberg Verwaltung und Politik auf die Palme.

Bürgermeister Thomas Schröder: „Überfallartig“

„Völlig überrascht“ wurde frisch nach seinem Amtsantritt Bürgermeister Thomas Schröder in Marsberg. Vom Bauernverband sei er auf das anstehende Verfahren angesprochen worden. Bei einer Videokonferenz Anfang November hatte die Bezirksregierung die Verfahrensbeteiligten „überfallartig“ (Thomas Schröder) über das Vorhaben in Kenntnis gesetzt: „Jetzt soll alles ganz schnell gehen.“

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„So etwas kann man uns doch nicht von heute auf morgen aufs Auge drücken“, wettert auch der Vorsitzende der SPD-Fraktion im Rat Brilon, Hubertus Weber, los. Ähnlich sieht es sein Fraktions-Gegenüber von der CDU, Eberhard Fisch: Da sei „absolut ansatzlos“ über die Stadt gekommen; mit der Ausweisung seien doch „wahnsinnige Einschränkungen“ verbunden.

VNV: „In Hallenberg und Medebach sind Lichter auch nicht ausgegangen“

„In Medebach und Hallenberg sind die Lichter auch nicht ausgegangen“, kontert VNV-Vorstandsmitglied Johannes Schröder (Marsberg) die Aufregung. Bereits vor 20 Jahren war dort das rund 138 Quadratkilometer große Vogelschutzgebiet Medebacher Bucht ausgewiesen worden. Ebenso lange kartiert der VNV auch im Raum Brilon und Marsberg die Vogelwelt. Regelmäßig begehen die Vogelwarte die Flächen. Sie kennen die Lebens- und Standortbedingungen der Arten.

Bedeutsame Populationen

Grauspecht: 54 Brutpaare (8-10 Prozent des NRW-Bestandes laut LANUV)

Raubwürger: 16 Brutpaare (32-53 Prozent des NRW-Bestandes laut LANUV)

Neuntöter: 135 Brutpaare (4-7 Prozent des NRW-Bestandes laut LANUV)

Schwarzstorch: 5-7 Brutpaare

Uhu: 12 Brutpaare

Raufußkauz: 10-20 Brutpaare

Rotmilan: 35 Brutpaare

Mittelspecht: 30-50 Brutpaare

Schwarzspecht: 40-50 Brutpaare

Man selbst sei, sagt Schröder, „überrascht“ gewesen, hier mehr als ein Prozent der bundesweiten Raubwürger-Brutpaare vorzufinden. Damit erfüllt der Raubwürger eins der harten Schutzkriterien, ebenso wie Grauspecht und Neuntöter, für die hier eins der fünf NRW-weit bedeutsamsten Habitate liegt.

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Dass auf die Stadt Marsberg erhebliche Einschnitte zu kommen, befürchtet Bürgermeister Schröder. So liege der gesamte Stadtwald in der potenziellen Schutzzone. Schröder: „Was dürfen wir dort noch machen? Was ist der Wald noch wert?“

Beigeordneter: „Das ist praktisch eine Veränderungssperre“

Brilons Beigeordneter Reinhold Huxoll kann nicht nachvollziehen, dass „ein hiesiger Verein aus dem Nichts heraus“ eine derart weitreichende Aktion vorbereitet. Denn mit der Offenlegung müsse man das Ziel des Verfahrens bereits bei allen weiteren Planungen berücksichtigen. Huxoll: „Das ist praktisch eine Veränderungssperre.“

MdL Kerkhoff: Balance zwischen Naturschutz und wirtschaftlicher Entwicklung halten

Der VNV hatte die Schutzfläche sogar bis an die hessische Grenze ziehen wollen. Jetzt ist auf Höhe der B7 Schluss. Was ein Vogelschutzgebiet für die B7n-Führung bedeutet, ist noch offen. Auswirkungen hat ein VSG auch auf die Windkraft. Auf den riesigen Kahlflächen in den Wäldern dürften keine Windräder errichtet werden, sagt der VNV-Sprecher.

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Noch keine Kenntnis von der Planung hatte CDU-MdL Matthias Kerkhoff. Grundsätzlich sei ihm wichtig, „dass wir die Balance halten zwischen den Belangen des Naturschutzes und der Notwendigkeit, unsere Region auch wirtschaftlich weiterzuentwickeln.“