Brilon/Winterberg. Vor Gericht lässt ein 41-Jährige Kokain-Dealer aus dem Raum Winterberg nur seinen Anwalt reden. Die Aussagen haben Folgen in der Drogenszene.

Die einen nennen es Kronzeugen-Regelung, für andere ist es der Judas-Paragraf: Mit § 31 des Betäubungsmittelgesetzes und einem umfassenden Geständnis zog jetzt ein 41 Jahre alter Mann aus dem Raum Winterberg seinen Kopf aus der Schlinge, der sich wegen unerlaubten Besitzes und Handeltreibens mit Kokain in nicht geringer Menge vor dem Schöffengericht Brilon zu verantworten hatte. Gerade einmal 13 Minuten lief die Verhandlung, als Vorsitzender Richter Neumann die Beweisaufnahme schloss.

50 Gramm Koks erworben

Im vergangenen Jahr hatte sich der Angeklagte insgesamt fünf Fällen jeweils zehn Gramm Kokain besorgt. Jeweils zwei Gramm „zog er selbst durch die Nase“, wie sein Verteidiger, der Dortmunder Anwalt Thorsten Hönnscheidt sagte, den Rest verkaufte er. Insgesamt 2920 Euro nahm er ein.

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Die Drogen hatte er sich in drei Fällen bei einem bereits verurteilten Dealer besorgt. Als der hoch ging, flog auch der 41-Jährige auf. In den beiden anderen Fällen hatte er sich den Stoff bei einer für die Kripo bis dato unbekannten Quelle beschafft. Weil der 41-Jährige im Zuge seiner polizeilichen Vernehmung reinen Tisch machte und dabei auch seine zweite Bezugsquelle offenbarte, kam die Kripo auch diesem Dealer auf die Spur. Im Januar hat er seinen Termin am Briloner Schöffengericht.

Waffe in der Wohnung gefunden

Der Angeklagte selbst äußerte sich nicht, das überließ er seinem Anwalt, Thorsten Hönnscheidt aus Dortmund. Zu jener Zeit, so der Verteidiger, habe sein Mandant ein Drogenproblem gehabt. In seiner Wohnung hatte die Kripo neben 0,2 Gramm Kokain auch noch vier Gramm Marihuana sowie Ecstasy-Reste und eine Schreckschusspistole sichergestellt. Mittlerweile, so Hönnscheidt, sei er clean, wie zwei Drogen-Screenings belegten. Die Vorwürfe träfen „objektiv und subjektiv“ zu und würden unumwunden eingeräumt.

Kronzeugen-Regelung im Betäubungsmittelgesetz (Auszug)

§ 31 Strafmilderung oder Absehen von Strafe

Das Gericht kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 des Strafgesetzbuches mildern oder, wenn der Täter keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat, von Strafe absehen, wenn der Täter

1. durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, dass eine Straftat nach den §§ 29 bis 30a, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht, aufgedeckt werden konnte, oder

2. freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart , dass eine Straftat nach § 29 Abs. 3, § 29a Abs. 1, § 30 Abs. 1, § 30a Abs. 1, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht und von deren Planung er weiß, noch verhindert werden kann.

War der Täter an der Tat beteiligt , muss sich sein Beitrag zur Aufklärung nach Satz 1 Nummer 1 über den eigenen Tatbeitrag hinaus erstrecken.

Weil sein Mandant mit seinem Geständnis dem Gericht nicht nur eine schwierige Beweisaufnahme erspart, bei der Polizei „aus eigenen Stücken ausgepackt“, „Ross und Reiter genannt“ und damit zur Ermittlung eines bis dahin unbekannten Tatverdächtigen geholfen und zudem der Wirkstoffgehalt der Drogen bei jedem Deal mit 5,4 Gramm nur minimal über dem strafrechtlich noch mit fünf Gramm definierten Grenzwert einer „nicht geringen Menge“ gelegen habe, sah Hönnscheidt mehr als nur einen Grund für ein mildes Urteil.

Aus soliden Verhältnissen

Für den Verteidiger war Staatsanwältin Johanna Sandberg mit der von ihre beantragten Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten für diesen minderschweren jedenfalls „weit über das Ziel hinausgeschossen“. Dabei hatte auch die Vertreterin der Anklage bereits weitreichende mildernde Umstände für den bisher nicht einschlägig vorbestraften und in soliden Verhältnissen lebenden 41-Jährigen angeführt.

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Zwei Jahre Bewährung

Mit einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten blieb das Gericht knapp über dem von der Verteidigung für ausreichend gehaltenem Strafmaß von einem Jahr und zwei Monaten. „Knapp darüber ist auch darüber“ meinte der Vorsitzende Richter zum Thema „nicht geringe Menge“. Dem Angeklagten sei das Geständnis hoch anzurechnen, das nicht nur eine schwierige Beweisaufnahme erübrigt, sondern auch zu einem weiteren Ermittlungsverfahren geführt habe.

Die Freiheitsstrafe wurde auf zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Außerdem muss der 41-Jährige 1600 Euro an eine soziale Einrichtung zahlen.