Winterberg. Ein Arzt aus Winterberg schildert extreme Herausforderungen in der Corona-Krise – und kritisiert Fehler der Bundesregierung in der Pandemie.

Der Hochsauerlandkreis ist Corona-Risikogebiet, die Zahlen steigen – und die Erkältungssaison beginnt. Wie sehr das Ärzte und ihre Praxisteams vor große Herausforderungen stellt, erklärt ein Arzt aus Winterberg – der massive Fehler von der Bundesregierung ins Spiel bringt.

In den letzten drei Wochen hat Dr. med. Rikardo Mihalić aus Winterberg-Siedlinghausen so viel Grippeimpfstoff geimpft, wie in der gesamten letzten Saison. „Schon im April haben wir vorausschauend eine zweite Charge bestellt. Auf die warten wir gerade“, sagt er.

Eine schwierige Situation für Ärzte

Für Ärzte wie ihn sei die Corona-Pandemie eine schwierige Situation. „Wir haben kein Handbuch bekommen, was uns hätte vorbereiten können“, beginnt Rikardo Mihalić, Facharzt für Allgemeinmedizin, zu erklären. Er will loswerden, wie unvorbereitet die Pandemie die Ärzte getroffen hat – auch, weil die Bundesregierung sich und das Land zu wenig vorbereitet hätte. „2007 hat der Bundestag ein Pandemie-Szenario durchgespielt. Dabei haben sich Lücken aufgetan – und trotzdem wurde nie zu Ende gedacht. In einer globalisierten Welt ist es nur eine Frage der Zeit, bis eine Pandemie auftritt und trotzdem hat sie die Regierung anscheinend total überrascht.“

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Die Bundesregierung habe die Lücken in dem Planspiel nicht geschlossen, sie „schlicht und einfach verpennt.“ Deswegen habe es am Anfang der Pandemie nicht genug Schutzausrüstung gegeben. Deswegen hätten die Ärzte nie etwas an die Hand bekommen, was sie hätte vorbereiten können. Rikardo Mihalić schimpft nicht auf die Bundesregierung. Er will nur klarmachen, welche Herausforderungen insbesondere die Ärzte zurzeit stemmen müssen.

Pavillon und Drive-In für die Wintersaison

„Wir haben mittlerweile unsere Routine in der Praxis gefunden, aber jeder Arzt handhabt das anders“, erklärt er. Manche würden einen Drive-In für die Abstriche anbieten, andere würden die Patienten dabei anleiten, den Abstrich selbst durchzuführen. In seiner Praxis in Siedlinghausen würden die Patienten bisher die Abstriche selbst durchführen. Für den Winter und die drohende Erkältungssaison mit einer erhöhten Abstrich-Zahl durch die zweite Welle, rüstet sich Rikardo Mihalić allerdings neu. So will er vor der Praxis einen Pavillon aufstellen, an dem er ebenfalls einen Drive-In für Corona-Tests anbieten wird.

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Durch eine Doppelgarage sollen die Patienten im Zweifelsfall ebenfalls für einen Abstrich oder eine Impfung geleitet werden, auf der einen Seite hinein, auf der anderen hinaus. „Das ergibt sich einfach dadurch, dass wir mehr Menschen haben, die einen Abstrich benötigen“, erklärt er. In dem neuen Pavillon soll auch das Wartezimmer ausgelagert werden – mit Heizpilz, für kältere Tage. „Wer zu früh zu einem Termin erscheint, wird wieder aus der Praxis geschickt. Wir haben unser Wartezimmer abgespeckt, statt zwölf Sitze bieten wir nur vier an und versuchen trotzdem, diese so leer wie eben möglich zu halten. Zum Schutz meines Teams und der Patienten.“ So sollen in Zukunft die Patienten entweder draußen oder in ihren Wagen warten. Jeder Patient bekäme einen Pager, ein kleines Gerät, der klingelt, wenn er die Praxis betreten dürfe.

Administration kaum zu stemmen

In der Praxis habe man einen Windfang mit Luke umgebaut, durch die die Patienten mit dem Praxis-Personal sprechen können – alles auf Abstand. „Wir sind Gott sei dank räumlich sehr flexibel und unabhängig von der Zahl der Patienten. Wir haben die Praxis nun gut gerüstet“, sagt Rikardo Mihalić. Schwierig zu meistern sei derzeit die Organisation. Teils gebe es mindestens vier Formulare zu den Abstrichen. Eines für Abstriche die aus einer Betreuungseinrichtung kommen, mal eines für Reiserückkehrer etc.

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„Es ist fürchterlich, welche administrativen Aufgaben die KV [Kassenärztliche Vereinigung] uns aufoktroyiert. Ich bin so dankbar, dass meine Mitarbeiter diese Herausforderung so grandios stemmen.“ Er selbst sei ebenfalls mehr mit der Organisation statt der Patientenversorgung beschäftigt. „Das frustriert mich und ist unheimlich sperrig. Dabei hätten wir so viel Zeit gehabt, um all das zu organisieren“, spielt Rikardo Mihalić noch einmal auf das Planspiel von 2007 an. „Wir haben Glück, dass die Sterblichkeitsrate nicht bei 50 Prozent liegt. Trotzdem müssen wir dieses Virus sehr sehr ernst nehmen.“ Dass es keinen globalen Plan zur Bekämpfung von Corona gebe, irritiere ihn zutiefst. Trotzdem sagt er aber auch: „Die Kollegen und wir, wir haben das gut im Griff. Wir haben uns eben selbstständig organisiert.“

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