Medebach/Brilon. Kristin Schnurbus aus Medebach möchte ihre Fluglizenz im Segelflugzeug bekommen. Ihr erster Alleinflug über Brilon sorgt für viele Emotionen.
Der Sitz ist auf Dauer unbequem, der Sitznachbar nimmt zu viel Platz ein und schnarcht, die Aussicht besteht aus dem Anblick der riesigen Turbine des Flugzeugs und es ist laut. Dass Fliegen aber auch ganz anders sein kann, erlebt Kristin Schnurbus aus Medebach, denn die 22-Jährige sitzt seit vergangenem Jahr immer wieder im Cockpit eines Segelfliegers. Damit gehen viele Emotionen einher.
Fliegen liegt im Blut
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Schon ihr Großvater begeisterte sich für das Segelfliegen. Leider haben sich die beiden aber nie kennenlernen können. Ihr Vater blieb lieber am Boden und setzte sich Modellflug auseinander. Das Thema Luftfahrt ließ die nächste Generation nicht aus. „Ich hatte den Traum vom Fliegen und habe es dann im vergangenem Jahr einfach gemacht. Ich war zu Gast beim Luftsportverein (LSV) Brilon und bin drei Mal mitgeflogen. Es war perfekt“, blickt Schnurbus zurück. So perfekt, dass sie sich schon eine Woche später im Verein anmeldete. Sie wollte mehr.
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Theorieunterricht wie in der Fahrschule gab es zunächst nicht, stattdessen ging es fast direkt wieder in die Luft. Vor einem Flug wurde aber dennoch vom Ausbilder erklärt, was das Ziel des Fluges ist. Was soll an diesem Tag gelernt werden? Welche Informationen sind dafür notwendig? Auch Sicherheit spielt natürlich eine Rolle. Daher ist es wichtig zu wissen, wie der Fallschirm funktioniert und wie das Flugzeug im Ernstfall zu verlassen ist. Und dann ging es los.
Erste Flugstunde in Brilon
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Die fleißigen Flugschüler bauten für den Start parallel zur Startbahn eine Windenstartstrecke auf. Am Ende der Piste stand dann eine Winde mit circa 280 PS, während auf der anderen Seite die Segelflugzeuge bereit waren. Dazwischen lagen 1200 Meter Stahlseil, die das Flugzeug mit der Winde verband. Das System sieht vor, dass die Winde anzieht und das Flugzeug so in die Luft befördert. Schnurbus saß immer vorne, hinter ihr der Fluglehrer. Die Winde zog also an und beschleunigte das Segelflugzeug innerhalb von circa drei Sekunden von 0 auf 120 km/h und ließ es in einem 45 Grad Winkel abheben. „Ich dachte nur ‘ohohoh hier geht es ganz schön zur Sache’“, sagt Schnurbus über den ersten Start.
Der Fluglehrer übernimmt zu Beginn der Ausbildung die Steuerung der Maschine und erklärt, wie sie funktioniert. Mit voranschreitender Erfahrung Seitens der Schülerin ließ er Schnurbus immer mehr selbst die Entscheidungen treffen und übergab das Steuer. Wie in einem Fahrschulauto auch verfügen beide Parteien über die Möglichkeit zu Steuern. 50 Starts absolvierte Schnurbus ungefähr. Dann wurde es ernst, der erste Alleinflug stand an. „Ich war richtig nervös, als ich hörte, dass es nun an der Zeit für meinen ersten Alleinflug war“, erinnert sich die 22-Jährige. Aber dann kam alles anders.
Erster Alleinflug über das Sauerland muss warten
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Schlechtes Wetter, Corona und Schnurbus flog keine einzige Runde mehr im Jahr 2019. „Ich war nicht enttäuscht. Die Flüge mit meinem Lehrer machten schließlich auch viel Spaß. Aber eigentlich ist er natürlich nur als Ballast dabei“, sagt Schnurbus und lacht. In diesem Jahr war es dann soweit. Der Ballast blieb am Boden und gab letzte Instruktionen. Keine Aufregung mehr, vielmehr stellte sich eine freudige Nervosität ein, weil es endlich soweit war. Wieder zog die Winde an und in der Luft wartete nur eines: Stille.
Aussicht und Ruhe am Himmel
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„Es war einfach unglaublich. Diese Ruhe und die Aussicht dazu. Gleichzeitig war alles meine Entscheidung da oben und ich konnte endlich sagen, dass ich alleine fliegen kann“, freut sich die Medebacherin. Zwischen 20 und 30 weitere Alleinflüge hat sie seitdem schon absolviert. Zwischendurch ist sie aber auch noch mit ihrem Lehrer in der Luft, denn es gibt noch viel mehr zu lernen, um die nächsten Prüfungen zu schaffen. Nur dann kann sie ihre Fluglizenz erhalten. Ihr Ziel ist es im Oktober 2021 soweit zu sein. Dann hat auch ihr Vater Pläne: „Er sagte, ich muss ihn unbedingt mal mitnehmen.“
Das ist vor dem Fliegen wichtig
Wer in Brilon lernen möchte, ein Segelflugzeug zu fliegen, der muss im Vorfeld wichtige Dinge beachten. Mitglied im Verein sein ist ein Punkt, aber zusätzlich ist auch ein medizinisches Flugtauglichkeitszeugnis und eine Ausbildungsgenehmigung notwendig. Frank Hofmann ist seit 2000 Vereinsausbildungsleiter beim Luftsportverein Brilon und Bezirksausbilder im Aeroclub NRW. Er fliegt bereits seit 1982 Segelflugzeuge und weiß, worauf es ankommt. „Neben dem Start mit einer Winde gibt es beispielsweise noch eine weitere Möglichkeit, um ein Segelflugzeug in die Luft zu bekommen. Bei einem Flugzeugschlepp befindet sich zwischen dem Motorflugzeug und dem Segelflugzeug ein Seil, das abgekapselt wird.
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Aber diese Methode nutzen wir in Brilon eher selten.“ Um beim Start mit einer Winde das Seil ankoppeln zu können, gibt es beim Pilotensitz einen entsprechenden Hebel. Der Pilot betätigt diesen ab einer Höhe von circa 350 Metern drei Mal. Das ist eine reine Vorsichtsmaßnahme, denn das Seil soll sich ab dieser Höhe von ganz alleine ausklinken und zu Boden fallen. Damit dieses aber nicht zu viel Geschwindigkeit auf dem Weg nach unten aufnimmt, sorgt ein kleiner Fallschirm für eine Temporeduzierung und auch für einen sichtbaren Hinweis auf das Objekt.
Nicht überall darf gelandet werden
Beginn mit 13 Jahren
Mit einer Ausnahmegenehmigung können Interessenten schon mit 13 Jahren ihre Flugausbildung beginnen. Sonst geht dies erst mit 14 Jahren. Für einen Flugschein muss man 16 Jahre alt sein.
Das Segelflugzeug soll nach dem Start ebenfalls an Geschwindigkeit verlieren und mit ungefähr 90 km/h fliegen statt der 120 km/h beim Start. Dann können Übungen geflogen werden, solange genug Aufwind vorhanden ist. Ohne diesen endet der Flug schnell, mit ihm sind auch Flüge von 10 bis 13 Stunden möglich. Für die Landung gibt es aber wieder genaue Regeln. „Wir haben einen Flugplatzzwang, das heißt, dass vom Flugplatz sowohl gestartet wird, als auch die Landung hier erfolgt. Es kann passieren, dass bei einem langen Flug von mehreren hundert Kilometer der Aufwind plötzlich fehlt und eine Landung auf einem Acker nötig ist, aber ohne einen Notfall ist das nicht gestattet“, erklärt Hofmann.