Korbach/Altkreis Brilon. Das Continental-Reifenwerk in Korbach stand vor dem Aus. Dort arbeiten auch viele Menschen aus dem Altkreis Brilon. So ist die Stimmung jetzt.
Der Autozulieferer Continental hat in der Corona-Krise mit hohen Verlusten zu kämpfen. Nun soll ein weiteres Werk in Aachen geschlossen werden. 1800 Jobs sind betroffen. Der Standort Korbach wird wohl mit einem blauen Auge aus der Krise kommen. Ein Aus für das Reifenwerk in der Hansestadt hätte gleichwohl größeren Flurschaden angerichtet.
„Aachen und Korbach, das ist wie zwei Kammern eines Herzens“, sagt der Korbacher Betriebsratschef Jörg Schönfelder. Noch am Mittwoch war er selbst im Aachener Conti-Werk und hat dort mit seinen Kollegen gesprochen. „Da soll ein hochprofitables Werk geschlossen werden. Wo ist da die Logik“, fragt er fassungslos.
Verlust von 1800 Arbeitsplätzen schmerzt
Die Lage im zweiten zentralen Reifenstandort im Inland neben Korbach trübt Schönfelders Freude darüber, dass der Kelch an seinem Heimatstandort vorübergegangen ist. „Der Aufsichtsrat entscheidet Ende des Monats. Wir haben noch knapp zwei Wochen Zeit, um Druck und Alarm zu machen.“ Das Ziel der Aktionen: „Wir hoffen auf einen Dialog“, sagt Schönfelder. Gemeinsam müsse an einer klaren Zukunftsstrategie für den Konzern gearbeitet werden.
Auch interessant
Die Region um die Stadt Aachen mit ihren knapp 250 000 Einwohnern ist wirtschaftlich völlig anders strukturiert, als die Hansestadt im Waldecker Land. Der mögliche Verlust von 1800 Arbeitsplätzen schmerzt zwar unterm Aachener Dom, ein Aus für Conti in Korbach hingegen wäre ein schwerer Schlag für die Wirtschaft und die Menschen in Waldeck-Frankenberg.
Nach Viessmann größter Arbeitgeber im Landkreis
Das Reifenwerk mit Contitech beschäftigt rund 3600 Mitarbeiter und ist nach Viessmann größter Arbeitgeber im Landkreis. Dazu kommen rund 700 Jobs in der Logistik sowie weitere Zulieferer und Dienstleister, die für den Standort in Korbach arbeiten.
Die volkswirtschaftliche Wertschöpfung durch Continental in der Region beträgt rund 192 Millionen Euro im Jahr, haben Experten vom Wirtschaftsprüfer KPMG vor gut zehn Jahren errechnet. Aktuelle Daten gibt es nicht, die Zahl dürfte mittlerweile um einiges höher sein.
Auch interessant
Für das Handwerk sei Continental ein wichtiger Auftraggeber, sagt Gerhard Brühl, Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft. „Elektrobetriebe, Maler und Lackierer, Dachdecker und mehr Gewerke gehen dort ein und aus.“ Und schließlich würden die Conti-Mitarbeiter von ihrem Gehalt Brötchen kaufen, sich die Haare schneiden lassen und viele andere Leistungen des Handwerks nutzen. Die angekündigte Schließung des Werks in Aachen zeige, dass man sich auf nichts mehr verlassen könne: „Wir müssen jeden Tag schauen, wo der Weg für die Zukunft ist“, sagt Brühl: „Wir sind in diesen Tagen doch alle ein bisschen Conti.“
Bürgermeister: 3600 Arbeitsplätze nicht zu ersetzen
„Ich habe ein gutes Gefühl, aber man darf sich nicht in Sicherheit wähnen“, sagt der Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft mit Blick auf das Reifenwerk. Die Nachricht, dass der Standort Korbach erhalten bleibe, sei nur ein „Tagessieg“. Die Stärke des Korbacher Werkes, auf die er setze, sei die Flexibilität der Mitarbeiter und der Willen der Werksleitung zu Innovationen.
Auch interessant
„Das Szenario ist nicht durchzudeklinieren, weil 3600 Arbeitsplätze nicht zu ersetzen sind“, spielt Korbachs Bürgermeister Klaus Friedrich die Möglichkeit einer Werksschließung durch. Doch das Stadtoberhaupt zeigt sich gelassen: „Ich gehe davon aus, dass der Standort sicher ist. Panikmache ist nicht angebracht“, so Friedrich. „Das Werk in Korbach ist breiter aufgestellt als in Aachen, Korbach ist mehr als Reifen“, begründet er seine Meinung.
Neben der Produktion von Pkw-Reifen gebe es in der Hansestadt das High Performance Technology Center (HPTC), das größte Zweiradreifenwerk in Europa, Contitech, Logistikzentren und das Industrieheizkraftwerk. Sein Fazit: „Continental hat einen festen Anker in Korbach gesetzt.“
Schließlich sei der Standort dank der Belegschaft, einer guten Führungsmannschaft gut aufgestellt und reagiere flexibel auf die Marktsituation. „Schwankungen hat es schon immer gegeben“, sagt Friedrich. (wlz)