Winterberg. Im Frühling gab es im Altenheim Haus Waldesruh viele Covid-19-Fälle. Eine Bewohnerin und der Heimleiter berichten, was sich seitdem geändert hat.
„Bring Corona nicht zu Oma“ – dieser Hinweis steht unübersehbar vor dem Altenheim Haus Waldesruh in Neuastenberg bei Winterberg. Der Reim mag hinken, doch die Absicht ist klar.
„Will ich nicht noch mal“, bilanziert Geschäftsführer Matthias Leber die Monate, in denen das Coronavirus das Leben im Heim auf den Kopf stellte. Nicht nur wegen der vorgegebenen Abschottung nach außen, sondern auch wegen der vielen Covid-19-Fälle, die es unter Bewohnern und Personal gab.
Inzwischen geht es den Erkrankten wieder überwiegend gut, bei einigen jedoch sind Spätfolgen aufgetreten. Sie riechen und schmecken auch Monate nach der Erkrankung nichts, Einzelne haben Nieren- und Herzprobleme bekommen. „Obwohl das Leute waren, die damals keine Symptome hatten.“
Heimleiter hätte gern strengere Regeln
Doch Leber beobachtet weiterhin mit Argusaugen die Entwicklung und hin und wieder beschleicht ihn ein mulmiges Gefühl. Denn so umständlich die strengen Schutzmaßnahmen zu Beginn der Pandemie waren, so eindeutig waren sie auch.
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Inzwischen aber gelten viele Lockerungen und meist sind allein die Bewohner und Besucher für die Einhaltung der Regeln verantwortlich. Nicht während des Besuchs im Bewohnerzimmer und erst recht nicht beim stundenweisen Ausflug mit Angehörigen kann nachgeprüft werden, ob alle Bestimmungen eingehalten werden.
Es kann auch niemand nachvollziehen, ob alle Angaben auf den Zetteln stimmen, die Besucher am Eingang ausfüllen müssen. „Mir hat es vorher mit dem Raum besser gefallen“, sagt Leber deshalb und meint den eigens angelegten Besuchsraum mit durchsichtiger Trennscheibe, der nahen Kontakt sicher verhinderte. „Aber den Bewohnern und Angehörigen natürlich nicht.“
Regeln für Besucher
Seit 1. Juli dürfen angemeldete Besucher im Haus Waldesruh die Zimmer der Bewohner wieder betreten, nicht mehr nur das separate Besucherzimmer.
Voraussetzung sind das Ausfüllen eines Fragebogens, das Desinfizieren der Hände, Messen der Körpertemperatur, anderthalb Meter Mindestabstand und das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes während des gesamten Aufenthalts.
Pro Tag sind zwei Besucher pro Bewohner (im Freien vier) für zwei Stunden erlaubt. Bewohner dürfen das Heim für maximal sechs Stunden verlassen.
„Es war sehr schön, als persönlicher Kontakt wieder erlaubt war“, bestätigt eine Bewohnerin. Namentlich möchte sie nicht in der Zeitung stehen. Aber sie erzählt gern, wie sie die Zeit der Pandemie im Pflegeheim erlebt hat. „Etwas stupide“ sei es gewesen, als sie wie alle anderen viele Wochen lang ihr Zimmer praktisch nicht verlassen durfte.
Die 86-Jährige war erst Mitte März im Haus Waldesruh eingezogen. In den ersten Tagen konnte sie noch einige der anderen Bewohner kennenlernen, zum Beispiel beim gemeinsamen Essen. Aber das änderte sich schnell. Die alte Dame relativiert die Unannehmlichkeiten: „Wir wurden ja gut versorgt. Außerdem habe ich viele Anrufe bekommen und hatte einen Balkon.“ Den Balkon erwähnt sie im Gespräch mehrfach; er war wichtig, um zwischendurch an die frische Luft zu kommen.
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Und ansonsten? „Kreuzworträtsel, Fernsehen, Lesen, Telefonieren“, sagt sie. Zweimal hat sie sich mit Hilfe von Pflegerinnen auch an einem Videoanruf mit ihren Lieben versucht. Um die einfach mal wiederzusehen. Das sei ganz nett gewesen. Aber dass für junge Leute das Smartphone und digitale Anwendungen so unverzichtbar sind, kann sie nicht nachvollziehen. „Und ich weiß auch nicht, ob das immer so gut für die jungen Leute ist.“
Einschränkungen beispiellos
Trotz ihrer 86 Lebensjahre – Einschränkungen des täglichen Lebens, wie Corona sie mit sich brachte, habe sie noch nie erlebt. Einige Zeit nach ihrem Einzug bemerkte sie selbst erste Symptome. Sie fühlte sich schlapp und müde und hatte Kopfschmerzen. „Ich dachte, es ist eine Erkältung.“
Doch ein Test belegte: Es war SARS-CoV-2. Ob sie sich in dem Moment gefürchtet hat? „Es war kein so gutes Gefühl. Aber es hilft ja nichts... da muss man dann durch.“ Sie bekam Fieber, konnte nichts mehr riechen und schmecken. Etwa 14 Tage lang, erinnert sie sich, sei sie krank gewesen.
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Eine Zeit der Sorge auch für ihre vier Töchter, die ihre Mutter nur anrufen, sie aber nicht besuchen durften. „Aber wenn ich zum Beispiel was zu Lesen brauchte, durfte meine Tochter es vorbeibringen und an der Tür abgeben.“ Im Nachhinein sei sie dankbar, dass die Infektion bei ihr recht glimpflich verlaufen sei – wie bei den meisten Betroffenen im Haus Waldesruh.
„Toi, toi, toi“, meint Matthias Leber. Er blickt mit Sorge auf den Herbst und Winter, wenn das Dauerlüften bei Besuch nicht mehr möglich ist. Außer beim Personal streng auf die Einhaltung der Regeln zu achten und auf die Eigenverantwortung der Besucher und Bewohner zu vertrauen, kann er wenig tun.
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Nicht alles sei besser geworden seit der ersten Pandemie-Welle: „Die Wartezeiten auf ein Testergebnis sind teilweise länger geworden, je nachdem, wo der Test durchgeführt wurde. Und die Ankündigung des Bundes-Gesundheitsministers, dass in Altenheimen vermehrt getestet werden soll [das kündigte Jens Spahn (CDU) Ende Mai an, d. Red.], ist auch noch nicht umgesetzt. Wir merken davon nichts.“