Brilon. Statt Gas nehmen Kriminelle Sprengstoff, um Geldautomaten in die Luft zu jagen. Das bedeutet Lebensgefahr. So reagieren Geldinstitute in Brilon.

Die Ansage ist eindeutig: „Mit Nachdruck“ legte das Landeskriminalamt den Banken und Sparkassen im Frühsommer nahe, in ihren SB-Foyers und Filialen aufgestellte Geldautomaten zwischen 23 Uhr und 6 Uhr abzusperren.

Das nämlich sei die „tatkritische Zeit“ für Spreng-Attacken auf die Bargeldvorräte. Einige Geldinstitute reagierten sofort, die beiden größten Bargeldversorger im Altkreis Brilon, die Sparkasse Hochsauerland und die Volksbank Brilon-Büren-Salzkotten, zogen nach einem Abwägungsprozess nach.

Nachts holt kaum jemand Bargeld

Bei der Volksbank BBS finden lediglich ein Prozent aller Bargeldverfügungen zwischen 23 Uhr und 6 Uhr statt, so Marketingleiterin Iris Stockfleth. Die Volksbank habe individuell für jede Filiale „die Risikolage ermittelt und dann gegebenenfalls. die Öffnungszeiten angepasst“. Was wo geregelt wurde, wollte die Voba-Sprecherin nicht öffentliche nennen.

Als vorbeugende Maßnahme gegen die Sprengung von Geldautomaten hat die Sparkasse Hochsauerland die SB-Bereiche - hier die Hauptstelle am Markt in Brilon - von 23 bis 6 Uhr geschlossen.
Als vorbeugende Maßnahme gegen die Sprengung von Geldautomaten hat die Sparkasse Hochsauerland die SB-Bereiche - hier die Hauptstelle am Markt in Brilon - von 23 bis 6 Uhr geschlossen. © Jürgen Hendrichs | Jürgen Hendrichs

Auch bei der Sparkasse Hochsauerland ist zwischen 23 und 6 Uhr kaum Betrieb in den SB-Foyers. „Weniger als zwei Kunden“, sagt Carsten Klaucke, Leiter der Abteilung Interne Dienste bei der Sparkasse Hochsauerland, holen sich im Schnitt pro Nacht an jedem der Standorte Bares. Mittlerweile, ergänzt Marketingleiter Bernhard Hohmann, stehen ja die unterschiedlichsten Möglichkeiten zum bargeldlosen Bezahlen zur Verfügung.

Dramatische Fall-Steigung

Im vergangenen Jahr wurden in Nordrhein-Westfalen 105 Geldautomaten gesprengt. Bis Ende Juni schlugen die Kriminellen bereits 106 Mal zu, allerdings blieben sie in 62 Fällen ohne Beute. Wie zum Beispiel am 28. Mai in Arnsberg--Vosswinkel. Dort hielt der Geldautomat der Sparkasse Arnsberg der Attacke stand. Und auch in der Innenstadt von Schmallenberg schafften es die Täter nur bis in den Vorraum. Im April vergangenen Jahres knallte es in Olsberg. Ziel der Täter: die Commerzbank am Bigger Platz. Die Täter entkamen, Spuren hinterließen sie in Ostwig.

Allein Sachschaden von bisher rund fünf Millionen Euro

Leiteten die Täter bisher meistens Gas in die Geldautomaten und brachten das dann zur Detonation, so benutzen sie nun zunehmend Sprengstoff. Der kam im vergangenen Jahr nach Erkenntnissen des LKAs in zehn Fällen zum Einsatz, bis Ende Juni jedoch schon 49 Mal. Diese Art der Tatausführung bereitet Thomas Jungbluth, Abteilungsleiter Organisierte Kriminalität beim LKA, „große Sorge“, denn sie ist „noch gefährlicher“ als die Gas-Methode und kann „beträchtliche Gebäudeschäden auslösen“. Die in den ersten sechs Monaten dieses Jahres angerichtete Sachschäden liegen nach LKA-Angaben bei rund fünf Millionen Euro.

Die Tricks der Kriminellen

„Geldautomaten stellen aufgrund ihres Inhaltes (Bargeld) einen erheblichen Anreiz für Täter dar, einen für sie erfolgreichen Angriff mit verschiedenen Methoden auszuüben oder Manipulationen vorzunehmen“, Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft in einer Risikobewertung fest. Neben technischen Vorgehensweisen wie Skimming, Shimming, Card Trapping oder Cash Trapping, bei denen EC-Karten oder Daten abgefischt werden, locken beim Sprengen wesentlich größere Beutebeträge.

Empfehlungen des Landeskriminalamtes

Laut Empfehlung des LKA sollten die SB-Foyers nachts verschlossen und mit einer Alarmanlage und ereignisgesteuerter Videoüberwachung ausgestattet sein.

Außerdem sollten sie über eine ausreichend dimensionierte Schutznebelanlage verfügen.

Beim Auslösen nimmt der Nebel den Tätern jegliche Sicht.

2015 richtete das LKA die „Ermittlungsgruppe Heat“ („Hitze“) ein. Seitdem wurden 122 Tatverdächtige in NRW und den Niederlanden festgenommen. Nach Erkenntnissen der Sonderkommission und der niederländischen Polizei gibt es im Raum Amsterdam, Arnheim und Utrecht einen Kreis von rund 300 bis 400 überwiegend marokkanischen und niederländischen Kriminellen, die sich auf Geldautomaten spezialisiert haben und „extrem rücksichtsloses Fluchtverhalten“ an den Tag legen.

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Wer nachts unbedingt Bargeld braucht: In Brilon stehen am Obi und an den Arkaden zwei Automaten frei, und in Winterberg am Oversum. Dort gibt es nach wie vor rund um die Uhr Bares.