Brilon. Bürgermeister Dr. Christof Bartsch will für eine weitere Amtszeit in Brilon gewählt werden. Was er in dieser noch erreichen will.

Na, gut. Dann also auf dem Sportplatz. Den Ort für das Interview hat Bürgermeister Dr. Christof Bartsch wählen können. Vorgabe: Es sollte an einem Platz stattfinden, der ihm etwas bedeutet. Die Sportanlage liegt an der Straße Zur Jakobuslinde. Stimmt. Der stattliche alte Baum, der NS-Sportfunktionär Carl Diem vor einigen Jahren als Namenspate des Stadions und der Straße ablöste, ist ein gutes Stück weg. Es gäbe sicher ansprechendere Stellen für ein Gespräch als das Kabuff, in dem bei den Heimspielen des SV Brilon Bratwürste gegrillt werden. Also erste Frage: Warum hier?

„Eine Herzenssache“, sagt Dr. Bartsch. Und das gleich aus zwei Gründen. Denn an der Jakobuslinde liegt nicht nur das Sport-, sondern auch das mit Förder-, Sekundar- und Berufsschulen bis hin zum Gymnasium breit aufgestellte Briloner Schulzentrum. Bildung, sagt Dr. Bartsch, sei „die Grundlage für alles“. Für jeden persönlich, klar, aber auch um all die Herausforderungen zu bewältigen, die gesellschaftliche Veränderungen mit sich bringen.

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Standort-Wettbewerb

Da sieht Dr. Bartsch das Schulzentrum als Bindeglied zum Wirtschaftsstandort Brilon.

Kurios- Ohne Krankenhaus die besseren Noten

Mit ihrer Gesamtnote von 2,08 lag die Stadt Brilon nach Medebach (1,76), Hallenberg (1,88) und Olsberg (1,98) auf Rang 4 unter den sechs Altkreis--Kommunen. 477 WP-Leser beteiligten sich im Frühjahr an der Erhebung. Und das sagt Bürgermeister Dr. Christof Bartsch zu den Ergebnissen:

Platzierung: Der Heimatcheck in der WP bietet sehr gute Grundlagen für eine kritische Bewertung des derzeitigen Status Quo in verschiedenen Bereichen. Insgesamt fällt die Beurteilung durch die teilnehmenden Bürgerinnen und Bürger für Brilon gut aus, was aber keineswegs Anlass gibt, sich zurückzulehnen. Ganz im Gegenteil: Die Ergebnisse weisen auch aus, wo Verbesserungen erforderlich sind und sie fordern uns deshalb auf die Zukunft hin heraus.

Gesundheitsstandort: Die medizinische Situation wird kurioserweise in den Städten des Altkreises am schlechtesten bewertet, in denen es örtliche Krankenhäuser gibt. Das bedarf einer näheren Analyse. Mit dem Briloner Krankenhaus sind wir inzwischen nach schwierigen Zeiten wieder auf einem guten Weg, den es durch weitere Kooperationen zu untermauern gilt. Mit der Kampagne „Komm aufs Land.Arzt“ hoffen wir, der drohenden Unterversorgung im ambulanten Bereich entgegenwirken zu können.

Seniorenfreundlichkeit: Mit Rang 4 im Altkreis bei der Seniorenfreundlichkeit wird zum Ausdruck gebracht, dass sich die ältere Generation grundsätzlich in Brilon und den Dörfern wohl fühlt. Wir müssen weiter daran arbeiten und kreative Projekte entwickeln, damit die Menschen da alt sein können, wo sie alt geworden sind, im gewohnten Umfeld also. Neue Wohnformen, Versorgungsangebote, Mobilität sind die Schlüssel für dieses Ziel.

Gastronomie: Auch bei den gastronomischen Angeboten steht Brilon mit einer Durchschnittsbewertung von 2,62 auf Rang 4. Das Freizeitverhalten hat sich grundlegend gewandelt, was ein Grund dafür ist, dass gastronomische Angebote nicht mehr so genutzt werden, wie es einmal war. Es ist zu hoffen, dass dieser Trend durch die Erfahrungen in der Corona-Pandemie nicht verstärkt wird. Als Stadt werden wir die Unterstützung leisten, die notwendig ist, um Gastronomie zu erhalten und damit Begegnung und Austausch zu gewährleisten.

Gemeinschaftsgefühl: Das Ehrenamt wird dabei in der Zukunft breiteren Raum einnehmen; die Dorfkneipen in Rösenbeck und Thülen sind dafür gute Beispiele.

Der Wirtschaft, sagt Dr. Bartsch, müsse eine Kommune und damit auch die Politik „eine Schlüsselstellung zuweisen“: „Ohne eine funktionierende, gute Wirtschaft ist alles andere auch nichts.“ Wirtschaftsförderung sei deshalb nicht nur Aufgabe des Wirtschaftsförderers, sondern müsse auch auf allen Ebenen der Verwaltung praktiziert werden.

Um als der von ihm ausgerufene „lebenswerte Wirtschaftsstandort im Grünen“ - Dr. Bartsch: „Das klingt besser als ‘ländlicher Raum’.“ - im überregionalen Wettbewerb um Gewerbeansiedlung und Fachkräfte zu bestehen, sei eine attraktive Infrastruktur mit entsprechender Wohn- und Lebensqualität notwendig. Dazu, sagt der 58-Jährige, stehe symbolisch eben das Sportzentrum als Teil von Freizeitgestaltung.

Wie viele Millionen Euro in den nächsten Jahren in das Schul- und Sportzentrum fließen, ist angesichts des PCB-Problems und der Notwendigkeit, den naturwissenschaftlichen Trakt zu sanieren, ein Neubau nicht sinnvoll sei, noch völlig offen. Absehbar indes ist der Neubau der Sportanlagen. 2,9 Millionen Euro Fördermittel sind bewilligt, das entspricht 90 Prozent der Kosten, die für die Umwandlung des Natur- in einen Kunstrasenplatz, die neue Tartanbahn und die Umwandlung des Aschenplatzes in Tennisplätze anfallen. Die ersten Gespräche mit dem Planer sind geführt, 2023 soll alles fertig sein.

Stellungsspiel aus dem Sport

Sport, vor allem die Ausdauer-Variante mit Laufen und Radfahren, gehört noch immer zum Alltag des 58-Jährigen. Vier Marathons hat Dr. Bartsch absolviert und dabei die Drei-Stunden-Marke einmal nur ganz knapp verpasst. Langen Atem hat er also.

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Das kann auch in der Politik nicht schaden. Als Fußballer spielte er im offensiven Mittelfeld - „flexibel einsetzbar, überall da, wo man gebraucht wird, auch als Abräumer“. Wir haben’s verstanden. Daher vielleicht auch der aktuelle Wahlkampf-Slogan „Einer für Alle(s)“? Ja, und zwar in guten wie in schlechten Zeiten. Von letzteren gab es genug in seiner Amtszeit. „Prägend waren die Krisen“, sagt Dr. Bartsch.

Für kurze Zeit in der CDU

Das fing mit der großen Flüchtlingsbewegung 2015 und der Einrichtung der Zentralen Unterkunft im Sportzentrum an, im Wasser- und Kanalbereich hatte sich ein gewaltiger Sanierungsstau aufgebaut, das Altlasten-Problem im Bremecketal erforderte einen Millionen-Aufwand, der Klimawandel mit seinen wirtschaftlichen Auswirkungen auf den Forst sind zu bewältigen, jetzt Corona. 2016 bahnte sich die dramatische finanzielle Schieflage des Krankenhauses an. Die habe „unheimlich viel Kraft gekostet“. Schließlich sei es dabei nicht nur um die „systemische Asymmetrie“ der Krankenhausfinanzierung generell gegangen („Das passt einfach nicht.“), sondern seit dem Weggang des langjährigen Geschäftsführers Bernd Schulte auch um handfeste Managementfehler: „Da haben wir dreimal Pech gehabt, das muss man so klar sagen.“ Mit dem jetzigen Geschäftsführer und dem von ihm eingeleiteten Restrukturierungsprozess sei die Sicherung des Krankenhausstandorts auf einem guten Weg, Ziel sei der Erhalt des Hauses in städtischer Trägerschaft.

Schon vor seiner Wahl zum Bürgermeister hat Dr. Bartsch mit dem Maria Hilf zu tun gehabt. Seit 2009 gehörte er dessen Aufsichtsrat an, und über diese Schiene führte vor allem SPD-Urgestein Willi Kitzhöfer (†) Dr. Bartsch an die Kommunalpolitik heran.

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Dabei gehörte Dr. Christof Bartsch 2008 sogar für kurze Zeit der CDU an, so wie mehrere Mitglieder des „Pilsköpfe“-Stammtisches, die mit diesem schwarzen Gastspiel bei der parteiinternen Bürgermeister-Kandidatenkür der CDU ihren Stammtischbruder Rupert Jostmeier unterstützen wollten.

Wahl der Generationen?

Wie sehr Dr. Bartsch schon 2014 durch sein Engagement in der Jungen Kirche aggiornamento, als Fußballspieler und -trainer in Gudenhagen-Petersborn und in Hoppecke, als Mitinitiator und Vorsitzender der Bürgerhilfe sowie als Bassist der Caritas-Hausband „Gut drauf“ weiten Wählerkreisen bekannt war, zeigten die 51,5 Prozent, mit denen er als Nachfolger von Franz Schrewe direkt ins Rathaus einzog. Zur Erinnerung: CDU-Kandidat Holger Borkamp holte 31,8 Prozent.

Der Amtsinhaber ist „gespannt“, wie sich dieses Mal der Generationenunterschied gegenüber dem knapp halb so alten CDU-Kandidaten auswirkt.

Steckbrief- Christof Bartsch

Name: Dr. Christof Bartsch

Alter: 58 Jahre

Familie: Verheiratet, eine Tochter (17)

Beruflicher Werdegang: Diplom-Finanzwirt, von 1985 bis 1999 am Finanzamt Brilon, berufsbegleitend Theologiestudium (drei Jahre) und Wirtschaftswissenschaften (Diplom-Kaufmann) an der FernUni Hagen, Dozent für Steuerrecht und Wirtschaftswissenschaften an der Fachhochschule für Finanzen des Landes NRW in Nordkirchen, berufsbegleitendes Promotionsstudium an der Staatswissenschaftlichen Fakultät der Uni Erfurt (Dr. rer. pol.), Professor für Steuerrecht an der FH Nordkirchen, seit 2014 Bürgermeister in Brilon.

Hobbys: Laufen, Radfahren, Lesen (Zeitgeschichtliches), Musik (aktiv Bass, Gitarre, Klavier „zum Runterkommen“, passiv u.a. 60er Jahre, Maffay, Tote Hosen)

Und auch das zur Erinnerung: Die CDU ergattert seit Jahrzehnten zwar immer die meisten Sitze im Rat, nur mit dem Top-Job im Rathaus klappte es seit Abschaffung der Doppelspitze und der damit eingeführten Bürgermeister-Direktwahl 1999 nicht mehr. Auch wenn er als „politischer Quereinsteiger“ erst dadurch die Chance auf den nach B4 bezahlten Top-Job im Rathaus erhalten hat: Die Trennung von hauptamtlichem Verwaltungschef und ehrenamtlichem Bürgermeister habe viele Vorteile für beide Seiten gehabt, meint er. Der größte Teil seiner Tätigkeit sei „Kärrner-Arbeit im Rathaus“, vielleicht 20 Prozent entfallen auf die repräsentative Seite. Die allerdings erscheine in der öffentlichen Wahrnehmung wie 80 Prozent. Dadurch entstehe „ein gewisses Zerrbild, und das ist nicht gut“. Das Amt, sagt Dr. Bartsch, erfordere ein hohes Maß an Verantwortung, zum Beispiel auch für 300 Mitarbeiter in der Stadtverwaltung und weiteren rund 500 bei Stadtwerken und dem Krankenhaus: „Das geht nicht mal eben so.“ Neben Erfahrung und Fachwissen sei eine gute Vernetzung unerlässlich - von der ehrenamtlich geprägten Vereins- und Dorfebene bis hin zum Europäischen Waldbesitzerverband. „Gestalten“, sagt Dr. Bartsch, „macht extrem viel Spaß.“ Dazu gehören aber auch „Menschen an der Seite, die mitmachen.“ Die habe er, und deshalb ist er wieder angetreten: „Ich will weitermachen. Ich bin noch nicht fertig.“

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