Marsberg. Die evangelische Kirchengemeinde Marsberg nimmt Flüchtlingsfrauen mit Kindern ins Kirchenasyl. Weshalb sie das tut, erklärt Pfarrer Markus Pape.

Drei Frauen aus Eritrea, dem Iran und Syrien gewährt die evangelische Kirchengemeinde Marsberg momentan Kirchenasyl. Zwei von ihnen schon seit einem Jahr. Die dritte ist seit Januar in kirchlicher Obhut in Marsberg. Eine von ihnen ist eine junge Frau mit zwei kleinen Kindern, eine weitere Frau hat einen jugendlichen Sohn, die dritte ist alleinstehend. Allen drei Frauen drohte das gleiche Schicksal. Sie sollten abgeschoben werden. Nach der Dublin-Regelung in das Land, in das sie nach der Flucht aus ihrer Heimat als erstes ihre Füße auf europäischen Boden gesetzt haben. Das war in diesen drei Fällen Österreich, Schweden und Zypern. Als einzige Alternative blieb der Weg ins Kirchenasyl.

Anonymität der Flüchtlingsfrauen wahren

Über die genauen Gründe, weshalb die Frauen aus ihrer Heimat geflüchtet sind und weshalb sie auf keinen Fall zurück in ihre Ankunftsländer wollen, darüber möchten Pfarrer Markus Pape von der evangelischen Kirchengemeinde Marsberg und Elisabeth Patzsch vom evangelischen Kirchenkreis Arnsberg, Synodalbeauftragte für ehrenamtliche Flüchtlingsarbeit, keine Angaben machen, um deren Anonymität zu wahren.

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Kirche: das ist die letzte Option

Aber soviel: „Wir führen das Kirchenasyl nicht leichtfertig durch. Es ist für uns die letzte Option. Quasi das Ultima Ratio“, sagt die Synodalbeauftragte Patzsch.

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„Wir haben die drei Frauen mit ihren Kindern wegen individueller Härten ins Kirchenasyl genommen. Vorher haben wir uns die Fälle in einem schwierigen Prozess, in dem auch Experten der Flüchtlingsberatung und der Landeskirche beteiligt sind, genauestens angesehen.“

„Für die Frauen besteht Gefahr für Leib und Leben“, führt Pfarrer Pape als Beispiel einen ähnlich gelagerten Fall an: „Eine junge Frau sollte nach Italien rückgeführt werden. Von dort war sie weiter nach Deutschland geflüchtet, weil sie in den italienischen Flüchtlingslagern mehrfach vergewaltigt worden ist. Sie hätte gesagt, ehe sie zurückginge in diese Hölle, bringe sie sich um.“

In diesen Fällen greife die Möglichkeit eines Kirchenasyles, verdeutlicht Elisabeth Patzsch. „Wir sagen, das ist nicht vereinbar mit unserem Gewissen, wir stellen uns hinter die Menschen und schützen sie.“

Kritik: Oft zu schnell abgeschoben

Das Kirchenasyl sei der letzte legitime Versuch einer Kirchengemeinde, durch zeitlich befristeten Schutz eine unmittelbar drohende Abschiebung abzuwenden, pflichtet ihr Pfarrer Markus Pape bei: „Wir sind nicht die, die entscheiden, ob ein Asylantrag positiv beschieden wird oder nicht. Wir möchten einfach nur, dass in diesen individuellen Fällen die Behörden prüfen, ob es ein Härtefall ist oder nicht.“ In dem die Kirche die Menschen in der besonderen Not in ihre Obhut nähme, so Pfarrer Pape weiter, wollen wir Ruhe in das Verfahren bringen mit Zeit zum Innehalten und schauen, was steckt wirklich hinter dem Fall.“ Denn oft würde viel zu schnell abgeschoben. Sie wollten damit keinesfalls die Staatsgewalt untergraben, wie von Kritikern oft angeführt.

Engagierte Menschen

Und dann brauche es eine Kirchengemeinde, so Elisabeth Patzsch weiter, mit engagierten Menschen, die sich zum Kirchenasyl für Menschen in bestimmten humanitären Notsituationen bereiterklären. Wie die Kirchengemeinde Marsberg: „Für uns war das ein Segen.“

Nachdem Superintendent Alfred Hammer, der zugleich auch Pfarrer in der ev. Kirchengemeinde Marsberg war, in den Ruhestand ging und aus dem Pfarrheim mit Pfarrbüro am Jittenberg auszog, stand die Wohnung leer.

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„Ein geeigneter Platz für ein vorübergehendes Kirchenasyl“, sagt Pfarrer Pape. Er holte sich das Einverständnis des Presbyteriums. Die ersten drei Kirchenasylbewohner zogen kurz drauf ein, vermittelt vom Kirchenkreis und engagierten Ehrenamtlichen.

Elisabeth Patzsch ist froh, dass das Kirchenasyl seit vielen Jahren vom Staat geduldet wird. Eine detaillierte Vereinbarung zwischen den Kirchen und dem BAMF regelt z.B. die Meldung eines Kirchenasyls. Die Flüchtlinge im Kirchenasyl dürfen das Areal der Kirche nicht verlassen, andernfalls dürften sie von den staatlichen Behörde aufgegriffen werden.

Kritik an Behörden

Sie kritisiert allerdings, dass seitens der Behörden das Kirchenasyl zunehmend erschwert werde. Das BAMF lehne selbst bei schwer traumatisierten suizidgefährdeten Flüchtlingen inzwischen fast durchweg das Dossier und die Einstufung der Kirchengemeinden als Härtefall ab. Erschwert werde das Kirchenasyl auch durch die stets drohende Fristverlängerung der Dublinfristen von Flüchtlingen im Kirchenasyl von sechs auf 18 Monate. Diese Heraufstufung sei inzwischen gängige Praxis, obwohl mehrere Verwaltungsgerichte das Vorgehen des BAMF als rechtswidrig angesehen hätten. Unkorrekt findet sie auch, dass die Asylbewerber inzwischen teilweise als „flüchtig“ eingestuft werden, obwohl die Kirchengemeinden deren Anschrift den Behörden mitteilten.

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