Brilon. Keine Partei steht hinter ihr, kein großes Wahlkampf-Team. Als unabhängige Kandidatin will Karin Schreckenberg Bürgermeisterin in Brilon werden.
Ihre Internetseite wird erst in diesen Tagen frei geschaltet. Auch die Wahlplakate sind noch im Druck. Aber die Flyer für die Kommunalwahl sind fertig. Am Wochenende hat Karin Schreckenberg ihren Rucksack damit gepackt und ist in den ersten Briloner Dörfern von Haus zu Haus gelaufen. „Ganz schön lange Wege. Ich zolle jedem Postboten und jeder Postbotin meinen Respekt.“ Mal hat sie die Wahlbroschüre nur in den Briefkasten gelegt, mal ist sie auch mit den Menschen ins Gespräch gekommen. Und sie hat viel Zuspruch erfahren.
Fast Einzelkämpferin
Die 53-Jährige kann auf kein großes Wahlkampf-Team zurückgreifen, kein Minister, der als Unterstützer ins Sauerland reist. Ihren Slogan „Meine Heimat – meine Herzenssache“ hat keine Werbeagentur erdacht. Keine Partei steht hinter hier. Die Ur-Brilonerin ist fast Einzelkämpferin. Ihre drei Nichten sprechen von ihrer „tollen Tante“ und pflegen die Instagram-Seite. Auch ihr Lebensgefährte greift mit in die kommunalpolitischen Speichen. Denn die parteilose und unabhängige Karin Schreckenberg hat ein ehrgeiziges Ziel: Sie möchte Bürgermeisterin von Brilon werden.
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Auf der großen politischen Bühne sei Politik ohne Parteien nicht denkbar. „Aber auf kommunaler Ebene bedarf es ihrer nicht, um etwas zu bewegen und zu gestalten. Durch Parteizwänge verlieren wir vielmehr so viel Fachwissen und Engagement der Bürger. Nicht Parteiinteressen sollten im Vordergrund stehen, sondern die Belange unserer Stadt und unserer Dörfer.“ Es störe sie ganz einfach, Bürger zu sachkundigen Bürgern zu machen, nur weil sie einer Partei nahestünden und eifrig Plakate geklebt hätten. „Gute, machbare Ideen – egal von welcher Partei sie kommen – sollten umgesetzt und die Kompetenzen der Bürger genutzt werden“, sagt sie.
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Kritik am Parteiensystem auf Lokalebene
Die Kritik am Parteiensystem war eine Triebfeder für Karin Schreckenberg, mit den coronabedingt nur 114 Unterstützer-Unterschriften statt sonst 200 die erste Hürde für eine Bewerbung zu nehmen. Gerade aber die erste Hochphase der Pandemie hat ihr als Geschäftsführerin des Reisebüros „Via Soluna“ aber umso mehr deutlich gemacht, was schief laufen kann und was sie anders machen würde: „Niemand, der das nicht selbst erlebt hat, kann mitfühlen, was diese Krise einem Kleinunternehmer und den Menschen, die dahinter stehen, körperlich wie seelisch abverlangt. Gerade in so einer Zeit hätte ich mir als Bürgermeisterin meinen Wirtschaftsförderer unter den Arm genommen und wäre von Haus zu Haus gegangen. Einfach nur, um die betroffenen Menschen auch mal mental zu stützen.“
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Karin Schreckenberg tritt nicht an, um in den 19 Briloner Wahlbezirken ein paar Prozentchen zu holen. „Eine Stichwahl fände ich schon gut und halte ich auch für nicht unwahrscheinlich“, sagt sie selbstbewusst.
Mehr als ein Achtungserfolg
Zwar habe der amtierende Bürgermeister Dr. Christof Bartsch einen Amtsbonus. „Aber ich habe mit vielen Leuten gesprochen, die mir Mut gemacht und ihre Unterstützung zugesagt haben. Sie seien den Parteiklüngel leid und fänden es gut, wenn es mal jemand macht, der unabhängig und unvoreingenommen an die Sache herangeht“, sagt die Verwaltungsfachfrau. Seit Jahresanfang lässt sie keine großen politischen Sitzungen in Brilon aus und verfolgt das Geschehen von der Zuschauertribüne. Ihr Eindruck: „An der Debattenkultur müsste gearbeitet werden. Manchmal kommt es einem vor, als fehlten nur noch Sandkasten und Schippchen.“
Gemeinschaft, Zusammenhalt und Note „2“
Parteipolitisch lässt sich Karin Schreckenberg in keine Ecke drängen – weder nach links, noch nach rechts. Bildung und Wirtschaft, medizinisches Netzwerk, Wald und Wind, menschenfreundliche Stadt, Unterstützung von Frauen, Sauberkeit, Ordnung, Sicherheit und transparente Politik sind Schlagworte, die sie sich auf ihre Fahnen schreibt. Aber was bedeutet das konkret?
Im WP-Heimatcheck hat die Stadt Brilon die Gesamtnote 2,08 bekommen. Karin Schreckenberg würde eine glatte 2 vergeben, denn gerade in der Corona-Hochphase habe sie einen großen Zusammenhalt und eine gute Gemeinschaft der Menschen untereinander erfahren.
Windkraft: „Im Prinzip bin ich dagegen. Wenn ja, muss es vernünftige Abstandsregeln geben. Der gesamte Bereich wird zu sehr von Lobbyismus bestimmt und nicht vom gesunden Menschenverstand.“
Bildung: „Die digitale Kompetenz muss verbessert und ausgebaut werden. Selbstverständlich gehört dazu auch die digitale Kompetenz von Lehrern. Außerdem wünsche ich mir eine bessere Unterstützung von Hochbegabten, die oft durch ein Raster fallen.“
ÖPNV: Beim Heimat-Check der WP sahen die Leser in dem Bereich noch großen Nachholbedarf: „Vieles ist sicherlich wünschenswert, aber nicht alles finanzierbar. Leihfahrräder oder Leihautos wären eine letzte Station zur Ergänzung.“
Kultur: „Für eine Stadt in der Größe Brilons sind wir da gut aufgestellt. Ich verstehe nicht, warum manche kritisieren, hier sei nichts los. Ein gutes Angebot und eine gute schulische Struktur sind wichtige weiche Standortfaktor – auch wenn es z.B. darum geht, Ärzte auf Dauer hierher zu holen, um die medizinische Versorgung langfristig zu sichern.“
Wirtschaftsförderung: „Das ist mir zu wenig, vor allem auch zu wenig Frauenanteil. Bei den Unternehmerforen sind kaum Frauen. Vielleicht muss man das anders ausrichten und zu einer direkten Stabstelle des Bürgermeisters/der Bürgermeisterin machen.“
Apropos Schippe: Die Brilonerin probiert aus, bevor sie mitredet. Als sie Anfang 2000 beim Hochsauerlandkreis für die Straßenunterhaltung und den Winterdienst zuständig war, hat sie sich eine ganze Schicht lang mit auf den Bock gesetzt und ist im Streu- und Räumdienst mitgefahren. „Man muss doch aus der Praxis wissen, worüber man am Schreibtisch entscheidet.“ Und daher bringt die Kandidatin auch für den Posten einer Rathaus-Chefin das nötige berufliche Rüstzeug mit.
Beruflicher Werdegang
Der Großvater im Steueramt, der Vater im Ordnungsamt – so war es naheliegend, dass Karin Schreckenberg 1985 zunächst eine Ausbildung als Verwaltungsfachangestellte beim HSK machte. Zwanzig Jahre lang hat sie dort gearbeitet: in der Kfz-Zulassungsstelle sowie u.a. in den Bereichen Abfallwirtschaft, Abfallrecht, EDV-Support, Touristikzentrale Sauerland und eben Straßenunterhaltung. Nebenberuflich hat die Brilonerin an der Fernuniversität Hagen Betriebswirtschaft studiert, einen IHK-Abschluss als „Fachkauffrau Markting“ und eine fünfjährige Ausbildung zur Heilpraktikerin gemacht. Die Praxis hat sie zwölf Jahre lang bis 2010 nebenberuflich betrieben. „Das war eine wichtige Zeit für mich; allein zwischenmenschlich und auf psychologischer Ebene habe ich dabei sehr viel gelernt.“ Dass sie mit der Eröffnung eines Reisebüros nach 23 Jahren den Schritt in die Selbständigkeit gewagt hat, haben viele anfangs nicht verstanden: „Meine Kollegen habe ich anfangs schon sehr vermisst, aber den Schritt habe ich nie bereut. Das ist meine Herzblutsache.“
Heimat ist für mich
Brilon ist für mich:
Heimat, Geborgenheit, Halt.
Ich mag es partout nicht,
wenn andere Menschen ungerecht behandelt werden. Wenn so etwas passiert, versuche in unmittelbar einzugreifen.
Ganz wichtig sind mir
Ehrlichkeit und klare Verhältnisse.
Wenn ich zur Bürgermeisterin gewählt würde,
würde ich von der Basis aus betrachten, was politisch notwendig ist. Und: Ich würde dem Amt Thülen einen Topf Farbe spendieren. An der Wand klebt noch die von meinem Opa.
Wahlkampf findet für Karin Schreckenberg auf kleinem Level, aber dafür umso intensiver und unmittelbarer statt. Nächste Woche hat das Jugendparlament alle Bewerber eingeladen; auf den offenen Dialog freut sie sich. Samstagmorgens zwischen 10 und 11 Uhr lädt sie regelmäßig auf einen „Kaffee mit Karin“ ins Café am Markt ein. „Das wird durchaus angenommen. Es waren viele gute Gespräche. Die Leute wollen wissen, wie ich mir Lösungsmöglichkeiten für konkrete Problemen vorstellen. Schließlich hat man als Frau oftmals ganz andere Blickwinkel auf manche Dinge. So ein Amt des Bürgermeisters kann sehr distanzierend wirken. Ich möchte nahbar sein.“
Mehr Frauen
Auch den Dörfern stattet sie nach und nach Besuche ab. Eine Freundin von Frauenquoten sei sie übrigens nicht: „Aber dass die großen Parteien gerade mal zwei bis drei Bewerberinnen aufbieten, ist beschämend. Es hilft nicht zu sagen: mehr haben sich nicht gemeldet. Daran muss man langfristig arbeiten.“ Dass der Posten des Bürgermeisters ein Amt ohne geregelten Feierabend ist, das weiß sie. Dass das Stadtoberhaupt auch auf offener Straße und nach Dienstschluss noch ansprechbar ist, das kennt sie. „Meine Tage haben auch manchmal vierzehn Stunden. Und wenn mich Leute in der Fußgängerzone treffen, sprechen sie mich auch an. Das bin ich gewohnt und das macht mir nichts aus.“ Auch lange Sitzungen scheut sie nicht. „Gremienarbeit gehört all die Jahre zu meinem Tätigkeitsfeld. Neben langjähriger Personalratsarbeit habe ich mich sechs Jahre im Agenturbeirat der Deutschen Bahn engagiert.“ Also alles kein Neuland.
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Und wie geht es politisch weiter, wenn das mit dem Chefsessel im Rathaus nicht klappen sollte? „Vielleicht beruft mich ja dann doch jemand als sachkundige Bürgerin?“ Ganz ohne Parteibuch, ohne Plakate für Parteien geklebt zu haben – nur aus Interesse und wegen der Sachkompetenz.