Brilon. Das Entsetzen in der Briloner Politik ist groß - und zwar sowohl über die Entscheidung zur B7n als solche wie auch über die Umgangsformen.
Da wäre er fast selbst zum Raubwürger geworden: Brilons Bürgermeister Dr. Christof Bartsch findet es „sehr befremdlich“, das Aus für die Variante 1 der B7n aus der WP erfahren zu müssen. Das, so Dr. Bartsch, habe bereits am Vormittag in einem mit Olsbergs Bürgermeister Wolfgang Fischer abgestimmten Brief Straßen.NRW mitgeteilt.
Die Verwunderung sei umso größer, als dass dies in dem Politischen Begleitkreis bisher nicht so dargestellt worden sei. Dr. Bartsch: „Das entspricht nicht dem, was StraßenNRW angekündigt hat.“
Weber: Sollen wir alles schlucken?
Danach sollte auch die Variante 1 bis zum Ende des Linienbestimmungsverfahrens Bestandteil des Abwägungsprozesses bleiben. Das mache Sinn, denn: „Es geht nicht allein um Arten- und Naturschutz, sondern auch um die Interessen der Bürger, um Verkehrsführung, um Kosten und um Bautechnik.“ Vor diesem Hintergrund sei eine „Abwägung nicht erkennbar“.
Der Politische Begleitkreis hatte sich zuletzt Anfang Juni per Video-Konferenz mit der Planung beschäftigt. Der nächste Termin ist für den 7. September angesetzt. SPD-Fraktionsvorsitzender Hubertus Weber hat den „Eindruck, dass wir alles schlucken sollen, was StraßenNRW uns vorlegt“. Das mit „Zufallsbürgern“ initiierte Dialogforum habe für ihn nach dem Abend in Altenbüren nur noch eine Alibi-Funktion. Weber: „Wenn schon feststeht, dass die Variante 1 nicht geht, brauchen wir keinen Dialog mehr.“
Fisch: Scheinverfahren
Noch drastischer drückt es CDU-Fraktionssprecher Eberhard Fisch aus: „Das Dialogforum dient doch nur dazu, die Variante 1 platt zu machen.“ Das ganze sei „ein Scheinverfahren“, bereits bei der Videokonferenz des Politischen Begleitkreises habe der Ausschluss der Variante 1 doch schon festgestanden.
Für FDP-Stadtrat Lorenz Klaholz ist das Dialogforum „Spiegelfechterei“. Es sei doch offensichtlich, dass die Variante 1 „nicht realistisch“ sei. Klaholz: „Schade.“
In der Tat unterscheiden sich die anderen Varianten nur im Detail untereinander. Zentrale Frage ist, ob die B7n künftig von Altenbüren aus nördlich durch das Goldbach- und Aatal bis zur Möhnestraße im Bereich Fünf Brücken geführt wird, wie es die Variante 1 vorsieht, oder ob die Straße vom Kreuzberg durch die Haar und die Lederke im Bereich der Verkehrsbetriebe auf die jetzige B7 geführt und dazu die Umgehungsstraße auf drei Spuren erweitert werden soll.
BBL verteidigt die Entscheidung
Für die Briloner Bürgerliste (BBL) ist „schon lange klar“, dass die Variante 1 „aus absolut nachvollziehbaren Naturschutzgründen nicht realisiert wird“ - so BBL-Stadträtin Christiane Kretzschmar. „Bürgermeister und Rat“, so die Stadträtin weiter, „sollten das endlich anerkennen und nicht den Anschein der Alternativlosigkeit erwecken.“
200 Zufallsbürger
Für das Dialogforum wurden insgesamt 200 Einwohner zwischen 20 und 78 Jahren aus den Stadtgebieten von Brilon, Bestwig und Olsberg per Zufallsverfahren ausgewählt.
Zu den einzelnen Terminen werden jeweils 30 per Losverfahren eingeladen: 5 aus Altenbüren, 13 aus Brilon, 2 aus Scharfenberg, 7 aus Antfeld und 3 aus Nuttlar.
Was die Einwohner von Altenbüren bedenken müssten: Da es bei der Variante 1 westlich von Brilon keine Auf- und Abfahrt auf die B7n vorgesehen ist, würde eine erhebliche Verkehrsmenge - rund 2000 Autos und mehr - durch den Ort fahren, um zur Anschlussstelle auf dem Kreuzberg zu kommen. Kretzschmar: „Als Altenbürenerin würde ich mich darüber nicht freuen.“ Bei den anderen Varianten soll die B7n bekanntlich vom Kreuzberg in Altenbüren durch die Haar bzw die Lederke an die derzeitige B7 im Bereich der Verkehrsbetriebe angeschlossen werden.
Aus den gleichen Umwelt- und Artenschutzgründen, aus denen StraßenNRW die Variante 1 für nicht realisierbar hält, scheidet auch die Variante 3 aus. Sie sollte um die Haar und die Lederke herumführen und an den beiden östlichsten Windrädern zur B7 führen.
Massive Kritik auch Mittwochabend im Ausschuss
Verwunderung löste die in der Pressemitteilung von StraßenNRW erwähnte Aussage aus, dass die Mehrheit der Zufallsbürger die „Einschätzung teilen, dass es keine Möglichkeit gibt, die Variante 1 durchzusetzen“. Der Vorschlag, eine Umsiedlung des Raubwürgers in die Medebacher Bucht zu prüfen - dort befindet sich laut NRW-Ornithologie-Atlas das bedeutendste Vorkommen NRWs - würde nach Ansicht von StraßenNRW das Verfahren weiter verzögern.
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Auch im Bau- und Planungsausschuss gestern Abend äußerten - bis auf die BBL - die Fraktionen ihr Entsetzen über die Entscheidung und die Art und Weise des Verfahrens. SPD-Ratsherr Günter Wiese lakonisch: „Bis zum Baubeginn geht durch den Klimawandel noch so manches Habitat verloren.“ Christiane Kretzschmar meinte zu ihren Ratskollegen,, dass es „wahrscheinlich für euch nicht einfach ist, euren Wählern die Wahrheit zu sagen.“