Medebach. Ohne Konkurrenz tritt Thomas Grosche bei der Kommunalwahl an. 2014 gaben ihm die Medebacher 94,7 Prozent der Stimmen – wofür reicht es diesmal?
Bürgermeister sein bedeutet 30 Prozent Repräsentations- und 70 Prozent Sachbearbeiter-Aufgaben, sagt Thomas Grosche. Seit 2009 hat er dieses Amt inne. Er will es behalten und er wird es behalten, denn er tritt – wie schon 2014 – ohne Konkurrenz an. Die WP trifft ihn auf einen Kaffee nahe beim Aventura-Spielberg oberhalb von Medebach.
Hätte er auch kandidiert, wenn er gewusst hätte, dass es eine Corona-Pandemie mit schweren Folgen für den städtischen Haushalt geben würde? Grosche guckt erstaunt: „Dann erst recht. Bei allen Folgen und Problemen ist das doch auch ein Ansporn.“
Öffentliche Investitionen nicht auszusetzen und die Nachfrage hochzuhalten, hält er für die wichtigsten Schritte aus der Krise, „das haben uns die Jahre 2008/2009 gelehrt.“ Er hofft auf Hilfen aus Bund und Land und eine langfristige Verteilung der Lasten. „Steuern erhöhen geht nicht, das würde private Investitionen kaputtmachen.“
Steckbrief Thomas Grosche
Thomas Grosche ist 48 Jahre alt und verheiratet.
Er und seine Frau haben vier Kinder, von denen drei schon erwachsen sind und das Elternhaus verlassen haben.
Mit Ausnahme seiner Studienzeit hat er sein ganzes Leben lang in Küstelberg gewohnt.
Der Diplom-Verwaltungswirt fährt in seiner Freizeit gern Mountainbike, war aktiver Fußballer und ist Fan von Borussia Mönchengladbach.
In die CDU eingetreten ist er im Jahr 2004.
Politisch bezeichnet sich Grosche als Quereinsteiger. Als er 2009 Bürgermeister wurde, war er erst fünf Jahre lang Mitglied der CDU und angestellt bei der Stadtverwaltung in Winterberg. In die Partei eingetreten sei er ursprünglich aus Unzufriedenheit mit der damaligen rot-grünen Landespolitik; diese habe Projekte behindert, die ihm am Herzen lagen.
Da „nur Meckern nichts nützt“, sei er in die Politik eingestiegen. Dabei sei für sein eigenes politisches Engagement stets nur die Kommunalpolitik infrage gekommen. „Da kann man mehr bewegen und es gibt weniger Fraktionszwänge.“
Zweifel vor erster Kandidatur
Dass er nur einige Jahre später Bürgermeister werden und dann so lange bleiben würde, daran habe er beim Parteieintritt „nicht im Entferntesten“ gedacht. Zunächst stieg er zum Vorsitzenden des CDU-Stadtverbandes auf. Als der Ruhestand von Amtsvorgänger Heinrich Nolte absehbar war, habe man ihn gefragt, ob er nicht kandidieren wolle. Da habe er im ersten Moment nein gesagt. „Ich wusste, darunter würden Familie, Freizeit und Freundschaften leiden.“
3 Fragen an Thomas Grosche
Was war Ihr schönstes Erlebnis im Amt?
Die letzte Wiederwahl mit 94,7 Prozent der Stimmen. Das hat mich von Herzen gefreut. Auch das Stadtjubiläum im vergangenen Jahr war etwas ganz besonders Schönes.
Die Bürger sollten Sie noch einmal wählen, weil…
ich zuhöre und versuche, mich in jeden hinein zu versetzen, und weil ich nach Lösungen statt nach Problemen suche.
Ist es gut für eine Demokratie, ohne Gegenkandidaten anzutreten?
Nein, denn eine demokratische Wahl hat mit Auswahl zu tun. Aber klar ist es auch ein Kompliment. Hätte ich das Gefühl, in Medebach würden die politischen Ränder durch den Mangel an Auswahl stärker, würde mich das beunruhigen. Aber diese Entwicklung sehe ich nicht.
Nach einigem Nachdenken und intensiven Diskussionen mit der Familie sagte er dann aber zu. „Schließlich war ich ja eingetreten, um etwas zu bewegen. Da wollte ich nicht den Schwanz einziehen, als sich die Gelegenheit bot.“ Mit einem guten Team im Rücken, beruflich und privat, sei das Amt auch gut zu meistern. „Es gibt halt doofe Tage, aber generell habe ich viel Spaß an meinem Beruf.“
Schrumpfen der Dörfer macht Sorgen
Die beste Entwicklung in Medebach seit seinem Amtsantritt? Die touristische Infrastruktur habe sich sehr verbessert, der Aventura-Spielberg und der Center Parc seien gute Beispiele. Auch mit der digitalen Entwicklung könne man zufrieden sein; Medebach habe hohe Fördermittel erhalten, 2019 ein wunderbares Stadtjubiläum gefeiert – so schön, dass Grosche es zu den besten Momenten seiner Amtszeit zählt. Das Ehrenamt sei sehr aktiv und das Zusammengehörigkeitsgefühl in dem Städtchen stimme.
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Die schlechteste Entwicklung, seitdem er im Amt ist? „Wir haben den Bevölkerungsschwund auf den Dörfern nicht aufhalten können“, bedauert Grosche. Zwar hat Medebach insgesamt im vergangenen Jahrzehnt seine Einwohnerzahl leicht gesteigert, doch das gilt überwiegend für die Kernstadt. Die Dörfer hingegen verlieren mehrheitlich. Besonders hart traf es Referinghausen, das zwischen 2009 und 2019 über 18 Prozent seiner Einwohner verloren hat.
Der Schwund habe vielfältige Ursachen und auch vielfältige Auswirkungen auf die Stadt. Eine Patentlösung hat er nicht im Ärmel. „Es ist schade um jeden jungen Menschen, der weggeht. Ich weiß nicht, ob man das aufhalten kann, aber vom Nichtstun wird es ja auch nicht besser.“
Was er nun plant in seiner ihm sicher bevorstehenden dritten Amtszeit? „Bei den Zielen wird es gewiss ein paar Wiederholungen geben, denn viele Prozesse sind ja noch nicht abgeschlossen. Aber alles baut aufeinander auf.“ Wirtschaftsförderung gehöre immer dazu, denn diese schaffe Arbeitsplätze und Steuereinnahmen und damit die Grundlage für eine finanziell solide aufgestellte Stadt.
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Auch die Themen Klima- und Umweltschutz sollen hohe Bedeutung bekommen. Aber war Grosche nicht 2004 eigens in die CDU eingetreten, weil ihn Umweltschutz-Vorgaben der damaligen Landesregierung störten? „Meines Erachtens ist eine vernünftige Abwägung der Interessen von Wirtschaft und Umwelt nötig und auch möglich.“ Der Flächenverbrauch müsse aufgehalten werden, aber „an vorbelasteten Stellen Gewerbe zuzulassen schafft auch Grundlagen, um sich an anderer Stelle um Klima und Umwelt zu kümmern. Wir leben von und in der Natur.“
Als einen wichtigen Motor der Stadt sieht er auch das Ehrenamt. „Es ist mein Anliegen, für die Vereine und anderen Ehrenamtlichen da zu sein.“ Diese übernähmen sehr wichtige Funktionen. Bei der Integration geflüchteter Menschen beispielsweise hätten Vereine der Stadt enorm geholfen.
Grosche zum WP-Heimatcheck
Beim WP-Heimat-Check im Frühjahr hatten die Leser im Altkreis Brilon für ihre Heimatkommunen Schulnoten zu verschiedenen Lebensbereichen vergeben. Was das Ergebnis angeht, kann Medebach weitgehend zufrieden mit sich sein: In der Gesamtnote kommt es auf eine 2,39 – das beste Ergebnis aller sechs Altkreis-Städte. In den Kategorien Sicherheitsgefühl (Note 1,98) und Kinderfreundlichkeit (1,87) stand sogar eine 1 vor dem Komma.
Digitale Infrastruktur
Hätte nicht die Zusatzfrage nach der Zufriedenheit mit der digitalen Infrastruktur (Note 2,67) das Gesamtergebnis leicht gedrückt, hätte auch im Gesamtergebnis für Medebach eine 1 vorn gestanden. Auch Thomas Grosche sieht im digitalen Bereich eine der wichtigsten Aufgaben in Gegenwart und Zukunft, verweist aber darauf, dass diesbezüglich auch dank Fördermitteln schon viel geschehen sei. „Unsere Schulen sind bereits gut angebunden, verfügen über WLAN-Anschlüsse und Smartboards.“
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Es bleibe das Ziel, jeden Haushalt ans Glasfasernetz anzuschließen und mit einer Surfgeschwindigkeit von mindestens 50Mbit pro Sekunde zu versorgen – das gelte auch für vereinzelte Siedlungsplätze wie Hallacker und Glindfeld.
Wohnraum für Familien
Im Bereich Kinderfreundlichkeit (Note 1,87) und Seniorenfreundlichkeit (2,30) erreichte Medebach gute bis sehr gute Werte. In beiden Fällen gebe es aber auch Verbesserungspotenzial, sagt Grosche und nennt das Thema bedarfsgerechten Wohnraum.
Die Nachfrage nach Wohnraum seitens junger Familien sei hoch, zugleich habe es bisher kaum Erfolge gegeben, diese für Bestandsimmobilien zu erwärmen. Solange ein Neubau für Familien auch finanziell attraktiver sei als die Umgestaltung eines bestehenden Gebäudes, werde sich daran wenig ändern. Mit Blick auf die Landes- und Bundespolitik hält Grosche deshalb eine spezielle Eigenheimzulage für Bestandsgebäude für wünschenswert.
Wohnraum für Senioren
Bei den Senioren sei es ebenfalls wichtig, ein attraktives Wohnangebot in der Nähe des Stadtzentrums zu schaffen. Mit dem St.-Mauritius-Pflegeheim sei die Stadt im Bereich der vollstationären Pflege zwar gut aufgestellt.
Was aber in Medebach bisher fehle, sei ein „Angebot dazwischen“, also zwischen einem selbstständigen Leben im oft für die Senioren zu groß gewordenen Eigenheim und der Versorgung im Altenheim. Stichworte könnten zum Beispiel Senioren-WGs, betreutes Wohnen oder auch generationsübergreifende Angebote in den Wohnquartieren sein.
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Es liefen jedoch intensive Vorgespräche mit Behörden und potenziellen Investoren, um ein solches Angebot zukünftig auch in Medebach zu schaffen, denn der Bedarf dafür sei durchaus groß. Näheres wollte Grosche zu den Details nicht sagen, eine Entscheidung könne möglicherweise aber noch in diesem Jahr fallen.