Hallenberg. Mut zur Lücke hat der Sitzmöbelhersteller Kusch in Hallenberg. Warum seine „Sitzplatzbanner“ weltweit auf Flughäfen gefragt sind.
„Abstand halten!“ Das ist in Corona-Zeiten das Gebot der Stunde. Aber welche großen Wartebereiche zum Beispiel auf Flughäfen sind schon sitzmöbeltechnisch mit Mut zur Lücke und zur gesunden Distanz konstruiert? Früher ging es eigentlich immer darum, möglichst viele Leute auf möglichst kleiner Fläche bequem unterzubringen. Das ist Vergangenheit. Doch das Leben eines Pappendeckels mit der Aufschrift „Diesen Platz freihalten!“ ist von kurzer Dauer und ein rotes Flatterband auch nicht wirklich chic. Die Firma Kusch + Co GmbH in Hallenberg hat daher sogenannte Sitzplatzbanner entwickelt. Sie dienen zum Sperren einzelner Plätze innerhalb einer Sitzreihe und kommen inzwischen bei vielen Flughäfen zum Einsatz.
Wenn es jemandem zusteht, in Sachen Sitzmöbel ein Wörtchen mitzureden, dann sicherlich der Firma aus der Nuhnestadt. Weltweit sind mehr als 260 internationale Airports mit Wartebänken, Sitzinseln oder Loungemöbeln made in Hallenberg eingerichtet. Die Produkte finden sich in Wartebereichen an Flughäfen, in Kreuzfahrt-Terminals sowie auf Bahnhöfen für Bus und Bahn. Schon seit geraumer Zeit hat sich die Firma auf dieses Marktsegment spezialisiert. „Unsere Kunden sitzen auf der ganzen Welt“, sagt Ingmar Krupp. Und sie sitzen auf Stühlen aus Hallenberg.
Nähnadeln surren in Hallenberg
Krupp ist Leiter der „Airport Devision“ und hat die Idee mit den Bannern gemeinsam mit der „Fraport AG“ entwickelt. Das ist die Betreibergesellschaft des Flughafens Frankfurt am Main. „Wir haben dort erst kürzlich ein Terminal komplett neu eingerichtet. Dann kam die Anfrage, ob wir in Zeiten von Corona nicht etwas herstellen könnten, um Sicherheitsabstände zu wahren“, sagt der Fachmann. Vor allem sollte es sehr schnell gehen und das Material musste den Brandschutz- und Sicherheitsanforderungen genügen. Bereits Ende März gab es erste Muster und dann surrten auch schon die Nähnadeln in der Hallenberger Polsterei.
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Das Ergebnis ist eigentlich eine Art Ei des Kolumbus. Man muss nur auf die Idee kommen. Die Banner ähneln Spanngurten, die universell in der Länge verstellbar sind und passend über die Sitze gezogen und mit einer Schließe verschlossen werden können. „Wir stellen sie individuell nach Kundenwunsch mit entsprechendem Aufdruck mit Logo und in den Farben des Airports her.
Projekte
1939 gründete Ernst Kusch die Manufaktur Holzindustrie E. Kusch & Co. KG, bekannt unter dem Markennamen „Sauerland Stabil“.
Das Unternehmen hatte im Laufe der Firmengeschichte viele Großprojekte: z.B. wurden 42.000 Stühle und 30.000 Tische für die Olympischen Sommerspiele 1972 geliefert. Auch die Bestuhlung des Plenarsaals im Alten Wasserwerk in Bonn stammt von Kusch.
24.000 Stück sind übrigens mittlerweile an internationale Flughäfen verkauft worden. Dazu zählen der Airport Frankfurt, Boston Airport, Oklahoma City Airport, Aéroport de Lyon-Saint-Exupéry, Aéroport de Lille, Montpelier und der Flughafen Dortmund“, sagt Krupp. Anfangs gab es Überlegungen, den Spanngurt patentieren zu lassen. Aber der Innovationsfaktor sei nicht groß genug; daher gebe es auch schon Nachahmer.
Antibakterielle Oberflächen
Trotz Konkurrenz sitzen die Hallenberger mit ihren Produkten auf dem Weltmarkt durchaus fest im Sattel. Die Sitzmöbel erfüllen in der Regel nicht nur die hohen Anforderungen an Sicherheit, Funktionalität, Design, Komfort und Gebrauchsnutzen. Auf Dauer mehr und mehr gefragt sein werden solche Modelle mit antibakteriellen Oberflächen, die Hygienesicherheit gewähren und zudem leicht zu reinigen und zuverlässig zu desinfizieren sind. Damit ist Kusch schon seit 2006 auf dem Markt.
„Die Welt hat sich verändert. Überall dort, wo Reisende zusammentreffen, gelten jetzt neue Abstandsregelungen. War bisher drangvolle Enge an Schaltern oder am Gate normal, wird es künftig so nicht mehr gehen. Da müssen wir umdenken und Produktlösungen zum Abstandhalten anbieten“, sagt Ingmar Krupp.
Natürlich hat die Firma auch andere Lösungen im Repertoire wie Zwischenwände, zusätzliche Armlehnen oder Tischflächen zwischen den Sitzen. Aber die Banner-Lösungen sind sogenannte Short-Time-Solutions, also kurzfristige Varianten, um einer hoffentlich vorübergehenden Pandemie die Stirn zu bieten.
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Nicht nur auf Flughäfen, sondern auch in Krankenhäusern, Pflegeheimen, Sozialeinrichtungen und anderen sensiblen Bereichen wird künftig ein Umdenken stattfinden. „Eigentlich tun wir mit den Sitzplatzbannern das Gegenteil von dem, was wir normalerweise tun: nämlich Sitzkapazitäten schaffen. Jetzt deaktivieren wir sie“, sagt Ingmar Krupp. Aber was ist in diesen Zeiten schon normal.