Hallenberg/Braunschweig. Eine Uni erforscht, wie Design im Patientenzimmer helfen kann, Krankenhausinfektionen zu vermeiden. Ein Einrichtungsteil kommt aus Hallenberg.
Ein Krankenhausaufenthalt ist selten besonders lustig. Aber zusätzlich zu ihren gesundheitlichen Problemen fürchten sich viele Patienten vor einer Infektion mit multiresistenten Keimen. Können Patientenzimmer und -nasszellen so gestaltet werden, dass sie Ansteckungen vermeiden helfen?
Das erforscht das Projekt KARMIN unter der Leitung des Architekten Dr. Wolfgang Sunder vom Institut für Industriebau und konstruktives Entwerfen der Technischen Universität Braunschweig – und auch ein Hallenberger Unternehmen hat einen kleinen Anteil daran.
Jedes Patientenzimmer hat feste Einrichtungselemente, die alle für die Infektionsvermeidung wichtig sind, erläutert Projektkoordinator Sunder – zum Beispiel Boden, Türklinken, Beleuchtung, Mobiliar und Desinfektionsspender.
Für jede dieser Produkttypen habe man eine Firma ausgesucht, die ihn produzieren konnte. Dabei galten feste Vorgaben: „Es wurde unter anderem darauf geachtet, dass die Firmen in Deutschland produzieren, selbst forschen und entwickeln und auch im Gesundheitssektor tätig sind“, sagt Sunder.
Besonders einfach zu reinigen
So wurde Kusch+Co aus Hallenberg einer von mehreren Partnern aus der Industrie: Das Unternehmen hat die Besucherstühle beigesteuert. „Der Stuhl, Arn, ist komplett in Hallenberg entwickelt und gebaut worden“, bestätigt Ingo Bandurski, Sales Support Specialist bei Kusch+Co.
Für die Infektionsvermeidung sei Arn aus drei Gründen besonders geeignet: erstens wegen der besonders einfachen Reinigung – es gibt keine Ecken, Kanten oder Hohlräume, an die schwer heranzukommen ist. „Zweitens vertragen alle verwendeten Materialien auch häufige Reinigung mit scharfen Desinfektionsmitteln.“ Und drittens können auf Wunsch die Oberflächen zusätzlich mit antibakteriellen Wirkstoffen behandelt werden.
Aus den Produkten der verschiedenen Firmen entstand der Demonstrator – ein Muster-Patientenzimmer. Der Prototyp steht bei Würzburg, ein zweites Exemplar wird im Oktober auf dem Gelände der Charité in Berlin aufgestellt. Dort sollen Fachbesucher den Raum aus ihrer Sicht bewerten und den Forschern ihre Eindrücke mitteilen.
Der Stuhl aus Hallenberg wurde wie alle anderen Produkte im Zimmer im Projektverlauf bereits von verschiedenen Seiten unter die Lupe genommen: Mediziner, Reinigungsfachkräfte, Hygieniker, Architekten, Bauträger und Vertreter anderer Berufe haben sie aus ihrer Sicht bewertet. „Da ging es zum Beispiel bei dem Besucherstuhl um Fragen wie: Armlehne ja oder nein; wie sollen Polster und Nähte aussehen, wie langlebig und gut zu reinigen ist das Material“, zählt Sunder auf.
Kontinuierliche Verbesserungen
In enger Abstimmung und Kooperation mit den Herstellerfirmen seien die Produkte so immer weiter verbessert worden. Die Projektbeteiligten seien mit dem Ergebnis grundsätzlich zufrieden, jetzt warte man auf die Rückmeldungen der Fachbesucher in Berlin.
Bei dem Stuhl, erläutert Ingo Bandurski von Kusch+Co, seien keine Design-Veränderungen nötig gewesen. Diskutiert worden sei aber noch der Bezugsstoff; man entschied sich für ein Kunstleder. „Wir haben neben diesem Stuhl eine ganze Reihe an Produkten, die sich besonders für den Bereich ,Care‘, also Krankenhäuser, Altenheime und andere Bereiche mit besonderen Hygieneanforderungen eignen. In diesem Bereich forscht unser Unternehmen schon seit 2006.“
Das war lange vor der Coronakrise, „wir springen hier also nicht auf einen Zug auf.“ Im Zuge der Pandemie seien Kunden aber sehr viel sensibler für das Thema Infektionsvermeidung geworden, so dass entsprechende Anfragen nun auch für Konferenz- und Speisesäle sowie Wartebereiche einträfen.
Zentraler Schwerpunkt des Forschungsprojekts KARMIN waren Hygiene und Prävention. „Wir haben uns aber auch damit beschäftigt, ob das Ganze praktikabel und auch finanzierbar ist“, berichtet Dr. Sunder.
Er nennt ein Beispiel: In manchen Ländern, vor allem in Nordeuropa, gehe der Trend zum Einzelzimmer für Patienten.
In Deutschland sei deren Anteil auf Normalstationen hingegen verschwindend gering. „Bis das Standard wäre, würde es enorm lange dauern und es gibt auch keine Studie, die belegt, ob die Vorteile von Einzelzimmern für Patienten überwiegen.“
Deshalb habe man lieber erforscht, wie ein übliches Zweibettzimmer so gestaltet werden kann, dass dort möglichst keine Infektionen übertragen werden. „Wahrscheinlich wird der Demonstrator nicht eins zu eins in Krankenhäusern umgesetzt. Es haben sich aber viele einzelne Aspekte ergeben, die Krankenhäuser einfließen lassen können, um problematische Bereiche zu entschärfen.“ Darunter eine Sitzgelegenheit aus Hallenberg.