Medebach. Zweimal ging es am Donnerstag vor dem Amtsgericht um sexuelle Übergriffe – einer war erfunden, der andere nicht.

Gleich zweimal ging es am Donnerstag (16.7.) vor dem Amtsgericht Medebach um sexuelle Übergriffe. Der Unterschied: Nur in einem der Fälle hat ein solcher nach Überzeugung des Gerichts tatsächlich stattgefunden.

Fall 1: falscher Verdacht

Angeklagt war im ersten Fall eine 46-jährige Reinigungskraft – wegen falscher Verdächtigung. Sie hatte ihrem ehemaligen Arbeitgeber vorgeworfen, sie im Oktober 2019 begrapscht zu haben.

Chatverläufe mit dem Mann und seiner Ehefrau wiesen aber recht schnell nach, dass diese Beschuldigung fabriziert war – vorangegangen war wohl ein Streit um die Putzstelle der Angeklagten im Ferienhaus des Ehepaars und um einen Vorschuss auf den Lohn. Die Angeklagte hatte die Stelle daraufhin wütend gekündigt, wollte sie später zurück und erstattete, nachdem dies abgelehnt wurde, die Anzeige gegen den Mann.

Die Angeklagte hatte den Gerichtssaal ohne Verteidiger, aber mit einem vierköpfigen Gefolge im Schlepptau betreten: „Das sind alles meine neugierigen Nachbarn“, erklärte sie die ihr offenbar sehr unangenehme Anwesenheit der Herren. Weshalb sie vor Gericht beharrlich schwieg. „Ohne Zuschauer würde ich was sagen, aber so nicht.“

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„Es ist schade, dass die Angeklagte nichts sagt“, meinte die Staatsanwältin. Das bringe sie um die Chance, sich zu entlasten. Denn zumindest Hinweise zugunsten der Angeklagten gab es. So hatte sie der Frau des Beschuldigten schon vor dem angeblichen Vorfall geschrieben, sie wolle nicht mehr putzen, wenn nur der Mann anwesend sei, denn der sei „frech“.

„Falsche Vorwürfe, besonders solche mit sexuellem Bezug, sind streng zu ahnden wegen der schlimmen Folgen für die zu Unrecht Beschuldigten“, resümierte die Staatsanwältin und forderte eine Freiheitsstrafe von acht Monaten. Ohne Bewährung, weil die Angeklagte mehrfach vorbestraft ist – wenn auch bisher nie wegen falscher Verdächtigung.

Drei Monate Freiheitsstrafe mit Bewährung und 60 Sozialstunden wurden es schließlich. Der Vorwurf gegen den ehemaligen Arbeitgeber sei leicht zu entkräften gewesen, meinte Richter Seidel. Zudem werde die Angeklagte mit Sicherheit Probleme im sozialen Umfeld bekommen – dies mit Blick auf die Nachbarn im Zuschauerraum. „Das Gericht geht daher davon aus, dass Sie diese Strafe ausreichend beeindruckt.“

Fall 2: Tatsachen

Ganz anders die Lage im zweiten Fall. „Ich möchte für meinen Mandanten eine Erklärung abgeben“, kündigte der Verteidiger gleich zu Beginn an.

Sein Mandant sei am fraglichen Abend zwar so betrunken gewesen, dass er sich kaum erinnere. Er streite aber auch nichts ab, wolle sich entschuldigen und der Geschädigten die Aussage vor Gericht ersparen.

Der Vorwurf war ernst: Der Angeklagte war im Oktober 2018 mit seiner Fußballtruppe Gast eines Sauerländer Hotels mit Disco. Dort soll er eine Kellnerin zunächst über längere Zeit mit Pfiffen und „Hey Baby“-Rufen belästigt haben. Bis er die deutlich kleinere und leichtere Frau schließlich umarmte, übers Gesäß streichelte, zwischen ihre Beine griff und ihr mit drastischen Worten mitteilte, dass er an Geschlechtsverkehr interessiert sei.

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„Ich hatte All inclusive gebucht und schon auf der Busfahrt zum Hotel zwölf Flaschen Bier getrunken“, sagte der 50-Jährige aus. Es folgte ein halber Liter zum Empfang und „später in der Disco harte Sachen.“ „Normale Schützenfest-Frequenz“, ergänzte die Staatsanwältin ohne Anerkennung in der Stimme. Der Angeklagte gab an, den Rest der fraglichen Nacht im Hotelzimmer eines Bekannten verbracht zu haben, da er sein eigenes nicht mehr fand. Ein in diesem Zustand gegenüber der Kellnerin vorgebrachter Entschuldigungsversuch stieß nicht auf Verständnis.

Vor Gericht wandte er sich aber erneut an die Geschädigte und Nebenklägerin: „Es tut mir von Herzen leid. Ich kann es nicht rückgängig machen und nicht entschuldigen, bitte aber um Verzeihung.“ Woraufhin die 29-Jährige zaghaft nickte.

Zuvor hatte sie mit eindringlichen Worten die Folgen des Übergriffs geschildert. „Auf Schützenfesten und im Zapfbetrieb habe ich früher gern gearbeitet“, weinte sie. „Jetzt ertrage ich Enge und Menschenmengen nicht mehr, gehe nicht mehr auf Konzerte. Ich hatte Schlafstörungen und Angst um meine Töchter.“ Nach dem Verfahren wolle sie versuchen, mit der Sache abzuschließen. Mittlerweile hat sie Arbeit in einem Café.

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900 Euro Geldstrafe und 1200 Euro Schmerzensgeld forderte die Staatsanwältin als Strafe für den berufsunfähigen Handwerker, der in Trennung lebt und auf finanzielle Hilfe seines Sohnes angewiesen ist. Die Anklägerin hielt ihm seine Entschuldigung und das Geständnis zugute – und auch, dass er nicht einschlägig vorbestraft ist und durch den Alkohol vermindert schuldfähig war.

Gegen ihn sprächen die psychischen Folgen für die Geschädigte. Ausführungen, denen sich der Verteidiger und der Rechtsbeistand der Geschädigten weitgehend anschlossen und die Richter Seidel auch im Urteil umsetzte.