Marsberg. Eine versteinerte Schildkröte ist der Findling von Heinz Josten aus Marsberg in der Aabach-Talsperre nicht. Aber eine gewichtige Rarität.
Heinz Josten (83) ist Naturfreund aus Überzeugung und Angler aus Passion. Seit über 50 Jahren ist er Mitglied im Angelsportverein Diemeltal (ASV) Niedermarsberg und eins von dessen Gründungsmitgliedern.
Seine Angelrute hielt er in ganz Europa in die Gewässer. Zwölf Mal war er mit Angelfreunden in Alaska auf Lachsfang, so berichtet er. Einen ganz besonderen Fang hat er in der Aabach-Talsperre bei Bad Wünnenberg gemacht. Den präsentierte er jetzt der WP.
Denn er ist langjähriger und aufmerksamer Leser unserer Zeitung. Anfang der vergangenen Woche hat er im „Tagebuch“ auf der Titelseite der WP von versteinerten Schildkröten gelesen, die in Schleswig-Holstein gefunden worden und mehrere Millionen Jahre alt sind.
Ist es eine versteinerte Schildkröte?
Der Steinblock, den er vor sechs Jahren beim Angeln in der Aabach-Talsperre gefunden hat, sieht ebenfalls aus wie eine versteinerte Riesenschildkröten. Schon allein von der Form her: Er ist 42 Zentimeter lang, 25 Zentimeter breit, zwölf Zentimeter hoch und hat eine Zeichnung, die an das Muster einer Schildkröte erinnert.
„Der Stein lag bäuchlings bei Niedrigwasser auf einem Plateau im Aasee“, erzählt er. Weil es in der Aabachtalsperre auch viele Edelkrebse gibt, stieg er auf das Plateau herab und drehte den Steinblock um, weil er darunter Krebse vermutete.
Das, was zum Vorschein kam, verblüffte den erfahrenen Angler. „Das ist bestimmt eine versteinerte Schildkröte“, bestätigte ein Angelfreund seine Vermutung. Josten nahm den ungewöhnlichen Steinfund mit nach Hause.
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Die WP fragte nach bei der Biologischen Station Hochsauerlandkreis. „Nein“, sagt deren Leiter Werner Schubert, nachdem er den Fund per Mail begutachtet hatte. „Eine versteinerte Schildkröte ist es definitiv nicht.“
Gerd Rosenkranz, Hobbygeologe im Team des Museums der Stadt Marsberg in Obermarsberg bestätigt die Aussage. „Das kann aus verschiedenen Gründen keine versteinerte Schildkröte sein“, sagt er.
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Zum einen handele es sich bei den Gesteinen, die in der Region der Aabach-Talsperre entstehen, um Gesteine des Oberkarbon mit einem Alter von ca. 320 Mio. Jahren. Die ersten Schildkröten tauchten aber erst 100 Mio. Jahre später auf der Erde auf, weiß er. Zweitens seien Schildkrötenpanzer immer spiegelbildlich aufgebaut und nicht so unregelmäßig geformt wie bei dem Fund.
Zellige Kalkknolle oder Septarie
„Das ist eine zellige Kalkknolle oder auch Septarie“, ist Gerd Rosenkranz ganz in seinem Element. Er weiß auch, wie so etwas entsteht. „Die betreffende Region an der Aabachtalsperre war vor ca. 320 Mio. Jahren vom Meer überflutet.“ In diesem Meer habe es bereits Lebewesen gegeben, aber auch organische Reste von schachtelhalmartigen Bäumen aus dem weiter westlich gelegenen Bereich des heutigen Ruhrgebiets.
Gestein mit Aha- und Lerneffekt
Der Fund einer so großen und gut erhaltenen Septarie ist in dieser Gegend eher selten, weiß Gerd Rosenkranz. Finder Heinz Josten nahm das Analyseergebnis überrascht, aber nicht enttäuscht zur Kenntnis.
Als Dankeschön übergab er den Fund an das Museum der Stadt. Rosenkranz: „Da es sich bei den Gesteinen an der Aabach-Talsperre um die gleichen handelt wie in Marsberg nördlich der Diemel, hat das angebliche Fossil in unserem Museum auch seinen richtigen Platz. Das ist eine schöne Bereicherung mit großem Aha- und Lerneffekt.“
Das Team des Museums der Stadt Marsberg bedankt sich ausdrücklich.
Rosenkranz: „Irgendein abgestorbener Rest aus organischem Material sank zu Boden und wurde in dem weichen Schlamm eingebettet.“ Hier begann er zu faulen und es entwickelte sich Ammoniak, ein sehr stark kalklösender Stoff. Das habe dazu geführt, dass immer mehr Kalkionen in das organische Material eindrangen.
Rosenkranz: „Dieser Vorgang dauerte so lange, bis kein Ammoniak mehr entstand oder auch die Kalkquelle versiegte.“ Dadurch habe sich in einem sonst weitgehend kalkfreien Schlamm ein mit Kalk gesättigter Körper gebildet.
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Durch die Hebung des Rheinischen Schiefergebirges sei der hiesige Raum trockengefallen und die Kalkknolle ausgetrocknet. Dadurch entstanden Trockenrisse, die später mit gelöstem Calcit wieder verfüllt wurden. „Da diese widerstandsfähiger gegenüber der Verwitterung waren als das Muttergestein, konnten sie sich bis heute gut sichtbar erhalten.“