Brilon. Eine originelle Ausrede hatte sich ein Angeklagter aus Bochum einfallen lassen, um seinen Gerichtstermin Brilon zu umgehen. Es half aber nichts.

Diese Entschuldigung ließen Richter Härtel und Staatsanwalt Lämmerhirt erstmal sacken Er könne nicht zu seiner Verhandlung nach Brilon kommen, hatte der Angeklagte aus Bochum dem Gericht mitgeteilt, da die Corona-App ihm geraten habe, den Bahnhof Wattenscheid zu meiden: „Da liefen zu viele Infizierte rum.“ Also schenkte sich der junge Mann die Bahnfahrt ins Sauerland.

Der Bochumer hat sich wegen Scheck- und Kreditkartenmissbrauchs vor dem Amtsgericht zu verantworten. Er soll das Luxemburger Konto seiner ehemaligen Lebensgefährtin zum Zocken bei Online-Casinos benutzt haben. 960 Euro Schaden stehen im Raum.

Schon zweieinhalb Jahre Haft gesammelt

Der Versuch des Richters, mit dem Angeklagten telefonisch Kontakt aufzunehmen, lief ins Leere. Weil ohne den Angeklagten nicht verhandelt werden darf, sprachen Richter, Staatsanwalt und Felix Füchtmeier als Pflichtverteidiger das weitere Procedere ab. Der Angeklagte ist kein unbeschriebenes Blatt. Sieben Einträge weist das Bundeszentralregister auf, darunter wegen diverser Betrügerein drei Freiheitsstrafen von zusammen zweieinhalb Jahren; bis September kommenden Jahres ist er noch auf Bewährung draußen.

Strafbefehl und Bewährung

Ein Strafbefehl kann auch in Abwesenheit des Angeklagten und ohne mündliche Verhandlung verhängt werden.

Die Schuld des Täters muss dabei nicht zur Überzeugung des Gerichts feststehen, sondern es genügt ein hinreichender Tatverdacht.

Die achtmonatige Freiheitsstrafe in diesem Verfahren setzte das Gericht für fünf Jahre auf Bewährung aus.

Das ist die nach § 56a Absatz 1 StGB höchstmögliche Frist.

Richter Härtel: „Ob er das schafft, ist die Frage.“

Richter, Staatsanwalt und Verteidiger hatten sich gerade auf einen saftigen Strafbefehl über acht Monate Haft, 100 Stunden gemeinnütziger Arbeit und Wiedergutmachung des Schadens geeinigt, als das Telefon auf dem Richtertisch klingelte. Am Apparat: der Vermisste. Nachdem Richter Härtel ihm den Sachverhalt und die Entscheidung erläutert und ihn gefragt hatte, ob er damit einverstanden sei, verabschiedete er sich mit den Worten: „Gut, danke schön.“

Mit Fake-Anruf Gericht an Nase herumgeführt

Damit Verteidiger und Staatsanwalt das Gespräch mitverfolgen konnten, hatte Richter Härtel den Telefonlautsprecher eingeschaltet. So bekamen auch die im Saal sitzende „Ex“ und deren Freundin alles mit was zwischen beiden ein aufgeregtes Tuscheln auslöste. „Das war der nicht!“ riefen beide in den Saal. Der Angeklagte spreche „klares Hochdeutsch, nicht so ein Genuschel“, sagte seine „Ex“, sie kenne schließlich seine Stimme „egal in welchem Zustand“.

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Von soviel Chuzpe war auch Richter Härtel überrascht. Als in der folgenden Verhandlung mehrmals sein Telefon klingelte und er wohl an der im Display erscheinenden Nummer erkannte, dass es der Kandidat aus Bochum sein könnte, zog er einfach das Kabel ab.