Hochsauerlandkreis. Der Gemeinschaftssinn macht vor allem viele Dörfer stark. Das zeigt der Heimat-Check der Westfalenpost. Das sind die herausragenden Beispiele.

Der wissenschaftliche Thinktank aus der Bundeshauptstadt bringt es so auf den Punkt: „Ob ein Dorf erhalten bleibt oder nicht, hängt maßgeblich vom Engagement der Bevölkerung ab,“ steht in einer seiner Studien.

Das hätte Reinhard Figgen den Forschern des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung auch in den Block diktieren können. „Das Dorfleben zu bewahren und weiterzuentwickeln geht nur gemeinschaftlich,“ sagt er. Angesichts des demografischen Wandels und des damit verbundenen Wegzugs junger Einwohner gelte es, „neue Wege in der Dorfentwicklung zu gehen und die vorhandenen Kräfte zu bündeln“.

In Referinghausen gelingt das - und nicht nur dort. Mit der Note 2,13 ist die Stadt Medebach beim WP-Heimatcheck klarer Spitzenreiter in der Kategorie „Gemeinschaftsgefühl“. Gerade einmal 200 und ein paar Einwohner groß ist Referinghausen. Am 14. August erhält das Dorf hohen Besuch. Dann kommt NRW-Heimatministerin Ina Scharrenbach zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres in das kleine Nest im Hochsauerland. Sie überreicht „uns“, sagt der Ortsvorsteher, einen Preis.

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Schon die Kinder mit einbinden

Mit dem Projekt „Digitale Heimatstube“ hat Referinghausen beim landesweiten Heimatpreis den dritten Platz belegt. Das Projekt ist anlässlich des 750-jährigen Dorfjubiläums im vergangenen Jahr entstanden und - und das betont der Ortsvorsteher - von Jugendlichen mitentwickelt worden.

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Mit Reinhard Figgen ganz auf einer Linie liegt Erich Canisius, Ortsvorsteher von Wülfte. Wenn „Ideen und Visionen, die unseren Ort noch weiter nach vorne bringen“ sollen, „muss man sich wohlfühlen im Kreis der Gemeinschaft“. Wie der WP-Heimatchecker aus Wülfte, der das so formulierte: „Man muss nicht jeden jeden Tag sehen, in der Not halten alle zusammen.“ Das bestätigt der Ortsvorsteher. Die Nachbarschaftshilfe sei „ein großes Thema“, und auch aus dem Dorfverein heraus, dieser - so Canisius - „tollen Truppe“ von Frauen und Männern unterschiedlichen Alters und aus den verschiedenen Vereinen, kommen „viele gute Ideen“, die „mit vielen fleißigen Händen umgesetzt“ werden - sogar die Mädchen und Jungen im Kindergartenalter werden - wie bei der Aktion Saubere Landschaft - schon von klein auf in das Dorfleben mit eingebunden.

Andere Meinungen gelten lassen

Was für den Ortsvorsteher besonders wichtig und für das Zusammenleben im Dorf wichtig ist: Dass „auch bei unterschiedlichen Meinungen und anderen Einstellungen respektvoll miteinander umgegangen“ werde.

Eine „etwas bessere Anerkennung“ für das bürgerschaftliche Engagement vor Ort wünscht sich Franz-Josef Weiffen, Ortsbürgermeister in Westheim. Und zwar sowohl von der Dorfgemeinschaft wie auch von der Politik. Weiffen kann das beurteilen. Seit 41 Jahren ist der heute 78-Jährige als Ortsbürgermeister - so heißt der Ortsvorsteher in Marsberg - Bindeglied zwischen Bürgern und Rathaus,seit 31 Jahren Mitglied der Stadtvertretung, und seit über 50 Jahren engagiert er sich im örtlichen Vereinsleben. Das Ehrenamt müsse stärker unterstützt und nicht durch „immer neue zusätzliche Auflagen belastet“ werden, findet er.

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Als Ortsbürgermeister müsse man „mit gutem Beispiel voran gehen“, etwa beim Anstoßen von Veranstaltungen und Events, aber dabei sei auch das „Mitwirken und die „Teilnahme“ der Einwohner erforderlich. Es sind zwar nur Nuancen, mit denen sich die Statements des Westheimer Ortsbürgermeisters auf den allen Ortsvorstehern vorgelegten identischen Fragenkatalog unterscheiden, aber diese kritischen Zwischentöne spiegelt das Ergebnis des WP-Heimatchecks wider: Mit der Gesamtnote von 2,91 liegt zwar auch Marsberg in der „Gut“-Zone, die Stadt an der Diemel ist bei diesem Ranking allerdings das Schlusslicht.

Ideen und Impulse

Eine glatte halbe Note besser schneidet Hesborn ab. „Die Straßen sind zwar kaputt, aber unser Ort ist spitze“, kommentierte ein Heimat-Checker aus dem Kuckucksdorf liebevoll. Ja, ja, die L 617. Die Hauptstraße, das weiß Ortsvorsteher Arno Emde natürlich, ist in einem „sehr schlechten Zustand“. Löcher hat längst auch die dörfliche Infrastruktur. Bäcker, Metzger und Gaststätten seien längst verschwunden, aber „glücklicherweise“, sagt Emde, gebe es in Hesborn noch ein Lebensmittelgeschäft, das es zu erhalten gelte.

Wie ist klar: „Indem die Bevölkerung dort einkauft.“ Als Ortsvorsteher könne er die politischen Verantwortungsträger auf etwaige Missstände hinweisen, da wünsche er sich manchmal „eine zügigere Abwicklung und vielleicht auch etwas mehr Engagement bei der Erledigung der ein oder anderen Angelegenheit“. Viel bewegt werde im Ort durch den Förderverein Hesborn, dem Zusammenschluss aller Vereine. Der, sagt Arno Emde, könnte allerdings ein bisschen mehr Unterstützung durch die jüngeren Mitglieder der Dorfgemeinschaft gebrauchen.

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Vielleicht braucht es dazu gelegentlich auch einen Anstoß wie das 750-Jährige von Referinghausen. „Wir haben den Schwung aus dem Jubiläumsjahr mitgenommen“, sagt Reinhard Figgen.

Damit würde das Dorf bei den Berliner Wissenschaftlern ordentlich punkten. Nach deren Ansicht brauchen „ländliche Regionen aktive, kreative und selbstbewusste Bürger mit neuen Ideen. Weit mehr als urbane Zentren, die ihre Bewohner einfacher und preiswerter mit öffentlichen Leistungen versorgen können, sind ländliche Räume auf Bürger angewiesen, die es schaffen, wirtschaftliche und soziale Belange miteinander zu verknüpfen.“

Und das geht gemeinsam am besten.

>>>HINTERGRUND<<<

Die Umfrage zum Heimat-Check haben wir geplant, als von der Corona-Krise und ihren Auswirkungen noch nichts zu spüren war. Und doch haben wir uns bewusst dazu entschlossen, Ihnen weiterhin die Möglichkeit zu geben, ihr Wohnumfeld zu benoten. Beim Heimat-Check handelt es sich um eine nicht-repräsentative Umfrage. Er soll ein Stimmungsbild wiedergeben.Laut Dr. Ana Moya, die für die Auswertung zuständige Statistik-Expertin, funktioniert das: „Der Heimat-Check liefert wegen der großen Beteiligung ein gutes Stimmungsbild. Es wurde darauf geachtet, dass in jedem Ort eine ausreichende Teilnehmerzahl erreicht wurde, um aufschlussreiche Aussagen treffen zu können.“Moya vermutet,dass unter den Teilnehmern diejenigen Personen in der Mehrzahl waren, für die ihr Ort eine eher wichtige Bedeutung hat. In diesem Fall fiele das Zeugnis bei einer repräsentativen Befragung wohl etwas anders aus als beim Heimat-Check.

Alle bisher erschienenen Folgen des Heimat-Checks für den Altkreis Brilon finden Sie hier.