Meschede/Hagen. Viele Orte in Südwestfalen können den modernen Mobilfunk nicht nutzen. Das soll sich nun schnell ändern, verspricht die Telekom.

Viele weiße Flecken verschwinden, Funklöcher füllen sich: Die Deutsche Telekom hat damit begonnen, auch Südwestfalen mit dem neuen Mobilfunkstandard 5G zu versorgen. Vor kurzem baute das Unternehmen nach eigenen Angaben 187 Sendestandorte in der Region mit 5G aus.

Damit verfügen nun unter anderem Hagen, Wetter, Arnsberg, Bestwig, Brilon, Eslohe, Hemer, Iserlohn, Hallenberg, Marsberg, Medebach, Menden, Meschede, Olsberg, Schmallenberg, Sundern und Winterberg ganz oder teilweise über 5G. Der Kreis Siegen-Wittgenstein bleibt dagegen zunächst zum großen Teil unversorgt.

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„Das ist ein guter Start. Es hat sich gelohnt, als Region mit einer Stimme aufzutreten“, sagte Stefan Glusa, Geschäftsführer der Telekommunikationsgesellschaft Südwestfalen, dieser Zeitung.

100 Mal schneller als LTE

5G ermöglicht eine bis zu 100 Mal schnellere Datenübertragung als LTE (4G). Somit sind Übertragungen, zum Beispiel von hochauflösenden Filmen, in Echtzeit möglich. Damit verbunden sind auch Vorteile für industrielle und gewerbliche Anwendungen. Allerdings benötigen die Kunden neue Endgeräte, also Smartphones, um 5G nutzen zu können.

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Ziel müsse es nun sein, die Genehmigungsverfahren für die Errichtung neuer Antennen in Südwestfalen zu verkürzen, sagte Glusa. Die Telekom will bis Ende des Jahres bundesweit 40.000 Antennen umrüsten. Für eine flächendeckende Versorgung mit 5G sind zwischen 200.000 und 300.000 Antennen in ganz Deutschland erforderlich. Die Antennen müssen jedoch nicht so groß und auffällig sein wie die bisherigen Mobilfunk-Sendemasten. Sie können zum Teil in alte Anlagen oder in Ampelanlagen und Straßenlaternen integriert werden.

Auch Vodafone engagiert sich bei 5G in Südwestfalen. Allerdings hat das Unternehmen erst vier Antennen im Hochsauerlandkreis in Betrieb genommen, nämlich in Meschede, Olsberg, Schmallenberg und Brilon.

„Ich gehe davon aus, dass die Telekom den Ausbau auch in unserer Region zügig vorantreiben wird“, sagte Stefan Glusa. Bundesweit will die Telekom bis Mitte Juli 40 Millionen Bürgern ermöglichen, das 5G-Netz zu nutzen. Den ländlichen Raum darf sie dabei schon allein aus dem Grund nicht vernachlässigen, weil sie sich gegenüber der Bundesregierung verpflichtet hat, eine flächendeckende Versorgung herzustellen.

Noch nichts für Endverbraucher?

Ja, was denn nun? „5G braucht noch kein Endverbraucher“, sagte der Chef des deutschen Telekommunikationsunternehmens Freenet, Christoph Vilanek, kürzlich in dieser Zeitung. Hat sich Südwestfalen also vergeblich in den vergangenen Jahren für den neuen Mobilfunkstandard ins Zeug gelegt?

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Freenet-Chef Christoph Vilanek hält den Mobilfunkstandard 5G für Kunden derzeit nicht für nötig.
Von Alexander Klay und Tobias Kisling

Ne, hat es nicht. Vilaneks kühne Behauptung dürfte eher damit zusammenhängen, dass Freenet bei 5G nicht in der ersten Liga mitspielen kann, weil das Unternehmen keine entsprechenden Frequenzen erworben hat. Die Deutsche Telekom schon, und die legt jetzt los. Auch im ländlichen Raum. Auch in Südwestfalen.

Schneller, schneller, schneller

5G, das steht fest, ermöglicht eine zügigere Übertragung von Daten. Otto-Normalnutzer kann also schneller surfen, Musik und Filme in kürzerer Zeit herunterladen, schnellere Spiele spielen. Vielen Menschen ist LTE, also 4G, zu langsam. Ob sie 5G brauchen, müssen sie selbst entscheiden.

Vilanek liegt aber auch deshalb falsch, weil die 5G-Technik ihre Vorteile zunächst vor allem für gewerbliche Nutzer ausspielen kann, und das sind ja eigentlich auch Endverbraucher. Gern angeführt wird in diesem Zusammenhang das autonome Fahren, das einen schnellen, lückenlosen und vor allem stabilen Datentransfer benötigt, weil die Selbstfahrer-Autos sonst einfach mitten auf der Straße stehen bleiben könnten. Das ist Zukunftsmusik. Ganz realistisch sind dagegen Unternehmen, die schon jetzt ihre Produktion automatisieren und Maschinen in Echtzeit aus der Distanz steuern wollen. Ihnen hilft mehr Tempo enorm. Sie können jetzt eine eigene, lokal begrenzte, 5G-Infrastruktur aufbauen.

Vodafone stellte jüngst einen 5G-Baukastensystem in der Größe einer Telefonzelle vor. Damit kann 5G in Fabrikhallen oder Laboren genutzt werden, um Mitarbeiter oder Maschinen zu vernetzen.

Projektvorschläge willkommen

Die Telekommunikationsgesellschaft Südwestfalen (TKG-SWF), die den fünf Kreisen der Region gehört, will sich nun stärker in die 5G-Planung einbringen. Sie möchte ein Mobilfunk-Konzept für 5G-Modellprojekte erarbeiten und bittet dafür derzeit bei den Kreistagen um grünes Licht, sprich: finanzielle Unterstützung. „Vorschläge für solche Projekte sind uns immer willkommen“, sagt Geschäftsführer Stefan Glusa. Dass die Telekom ausgerechnet den Universitätsstandort Siegen bei ihrer 5G-Offensive zunächst ausspart, ist aus seiner Sicht keine Katastrophe. „Die werden jetzt schnell nachziehen und weitere Gebiete versorgen“, sagt er. Das Versprechen des Konzerns steht: Schon in gut vier Wochen sollen 40 Millionen Menschen in Deutschland 5G nutzen können.

Das magentafarbene Datendoping hilft aber auch den LTE-Nutzern. Im ländlichen Bereich werden die Geschwindigkeiten teilweise mehr als verdoppelt. Dort können Nutzer jetzt mit bis zu 225 Mbit/s surfen. Von diesen Geschwindigkeiten profitieren nicht nur Telekom-Kunden mit den neuen 5G-Smartphones, sondern auch im LTE-Netz.

Unabhängig davon plant der Kreis Siegen-Wittgenstein ein Pilotprojekt für den Einsatz des neuen Mobilfunkstandards. Dafür sollen unter anderem auch die Universität sowie die Industrie- und Handelskammer ins Boot geholt werden.

Politik und Wirtschaft machen Druck

Bund und Land stellen Fördermittel zur Verfügung. Damit Südwestfalen dabei nicht leer ausgeht, hat die TKG-SWF bereits erste Gespräche mit Hochschulen, Unternehmen und Institutionen geführt.

Wie wichtig der Region das Thema ist, haben Politik und der Wirtschaft zuletzt bei der „Iserlohner Erklärung“ im März zum Ausdruck gebracht. Die Region „benötigt dringend eine leistungsfähige Mobilfunkinfrastruktur“, heißt es in dem Schreiben, das auch an den zuständigen Bundesminister Andreas Scheuer ging. Der CSU-Politiker hatte zuvor entsprechende Förderanträge aus Südwestfalen abgelehnt und damit sogar bei CDU-Politikern Unmut ausgelöst.

1,1 Milliarden Euro vom Bund

Auf Herrn Scheuer allein kommt es jetzt nicht mehr an: Die Bundesregierung hat kürzlich 1,1 Milliarden Euro zugesagt, um den Ausbau des Mobilfunknetzes an bis zu 5000 Standorten zu fördern, an denen Telekom, Vodafone und Co. aus wirtschaftlichen Gründen kein Interesse haben. Da könnte auch das ein oder andere Funkloch-Tal in Südwestfalen dabei sein.