Brilon. Aufgrund der Corona-Maßnahmen konnte die Briloner Schnade 2020 nur unter besonderen Umständen stattfinden. Wie die Schnade jetzt gelaufen ist.

Lot bröggen, bat brögget, vey wahret use Schnade: Dieser - so Bürgermeister Dr. Christof Bartsch - "historischen Verpflichtung" - komme Brilon auch in Corona-Zeiten nach. Und so hatten sich am frühen Montagmorgen die sechs Repräsentanten von Stadt und Schützen, die üblicherweise zu Pferde die Schnade bestreiten, gemeinsam mit je einem Vertreter der Ratsfraktionen zum symbolischen Ausmarsch auf der Rathaustreppe eingefunden.

Grüße von Rathaustreppe via Live-Stream in alle Welt

Umrahmt von Klängen der Jagdhornbläser des Hegerings Brilon schickte der Bürgermeister via Live-Stream Schnade-Grüße in alle Welt.

An der „Mordstelle“ in der Wünnenbecke, der Grenze zu Rüthen, begann der Grenzbegang. 
An der „Mordstelle“ in der Wünnenbecke, der Grenze zu Rüthen, begann der Grenzbegang.  © Jürgen Hendrichs

Ist doch die Schnade, in Verbindung mit dem Schützenfest, für so manchen verzogenen Pohlbürger alle zwei Jahre ein Anlass für einen Heimatbesuch. Besondere Grüße galten den Partnerstädten Thurso (Schottland), Hesdin (Frankreich), Heusden (Belgien) sowie Buckow in Brandenburg und Herbolzheim im Schwarzwald, von wo auch stets Gäste zur Schnade anreisen.

Auch früher schon Ausfälle und Verschiebungen

Dr. Bartsch erinnerte in seiner Ansprache daran, dass dies nicht die erste Schnade gewesen sei, die seit 1388 nicht wie gewohnt stattfinden konnte. Im ersten und zweiten Weltkrieg fanden keine Grenzbegänge statt, ebenso nicht zwischen 1842 und 1848. Klagen über die alkoholbedingten Exzesse waren der Obrigkeit zu Ohren gekommen, und nachdem es 1840 bei einem Streit einen Toten gegen hatte, war das Maß voll. Zudem, so der Bürgermeister, hatte es mehrmals kürzere Abweichungen vom traditionellen Juni-Termin gegeben, wie nach dem Tod von Friedrich III. am 15. Juni des Drei-Kaiser-Jahres 1888.

Eindrücke der Schnade in Brilon

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„Mordstelle“ in der Wünnenbecke

Vom Rathaus begaben sich die Offiziellen per Bus zur "Mordstelle" in der Wünnenbecke. Dort, direkt an der Kreisgrenze und nur wenige Meter abseits der B 516 im Wald, erinnert ein Findling an das folgenreiche Aufeinandertreffen von zwei Wilderern und zwei Förstern am 27. Juli 1919. Der Heimatbund Semper Idem hat, wie berichtet, die Stätte aufgearbeitet und die Inschrift erneuert.

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Noch heute, so Helmut Mengeringhausen, der sich mit dem Vorfall intensiv beschäftigt hat, sei nicht geklärt, ob der sich im Volksmund haltende Name des Tatorts dem Tatgeschehen auch entspreche. Fest steht, dass Dodt und Estern den beiden Förstern Karl Seffen und Hugo Birkenfeld, die gemeinsam mit fünf weiteren Förstern in jener Sonntagnacht in der Wünnenbecke auf Wildererstreife waren, entdeckt wurden und es zwischen den Vieren ein Feuergefecht gab. Dabei wurden die beiden Förster tödlich getroffen, Theodor Dodt wurde verletzt - was ihn schließlich überführte.

Etliche „Grüppchen“ waren privat auf der Schnadestrecke unterwegs. 
Etliche „Grüppchen“ waren privat auf der Schnadestrecke unterwegs.  © Joachim Aue

Helmut Mengeringhausen erinnerte daran, dass in jenen harten Nachkriegsjahren die soziale Not groß war und jeder zusehen musste, wie er sich und die Seinen durchbrachte. Dazu gehörte nicht nur in Brilon auch schon mal das verbotenerweise geschossene Wild.

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Die Förster, sagt Mengeringhausen, hätten für Ordnung zu sorgen gehabt: "Das war eine schlimme Zeit." Von Mord wolle er deswegen nicht sprechen. Das haben auch jene Jäger nicht getan, die seinerzeit den Gedenkstein errichtet haben. Auch dort ist nur davon die Rede, dass an dieser Stelle zwei Förster durch Wildererhand in Ausübung ihres Berufes starben.

Von der "Mordstelle" machte sich der kleine Schnadetross, dem neben dem Bürgermeister auch Beigeordneter Reinhold Huxoll als Stadtschreiber, Forstchef Dr. Gerrit Bub, Schützenkönig Jörg Nolte, Schützenmajor Herbert Jätzel, Adjutant Christian Walters sowie für den Rat Hubertus Weber (SPD), Lukas Wittmann (CDU), Dr. Alexander Prange (FDP) und Reinhard Loos (BBL) angehörten, zu Fuß weiter auf den traditionellen Schnadeweg.

„Ich grüße dich, du alter Stein.“

Der Weg führte aus dem Möhnetal hoch auf 450 Meter NN zum Frühstücksplatz an der Dinkbuche und dem Grenzstein zur Gemarkung Büren. Nach einem Blick auf die enormen Schäden, die der Borkenkäfer auch hier angerichtet hat, begrüßte Bürgermeister Dr. Christof Bartsch nach altem Brauch den blumengeschmückten Grenzstein: „Ich grüße Dich Du alter Stein“ und bekam gleich - aus dem Mund von Major Herbert Jätzel - auch die Antwort des Steins: „Da seid Ihr ja, Ihr Schnadebrüder, sieht man Euch man endlich wieder“.

Heimatbund-Vorsitzener Winfried Dickel mit dem ganz besonderen Schnadeesel an einem der alten Grenzsteine.
Heimatbund-Vorsitzener Winfried Dickel mit dem ganz besonderen Schnadeesel an einem der alten Grenzsteine. © Joachim Aue

Anschließend verlas Beigeordneter Reinhold Huxoll in seiner Rolle als Stadtschreiber aus dem Ratsbuch von 1595 den Rezess aus dem Jahre 1577, eine Vereinbarung zwischen der Stadt Brilon und dem Herrn von Beuren (Büren) um die Irrtümer und Missverständnisse in Sachen Grenze zu beenden. Nach einem deftigen Frühstück zog der kleine Tross weiter zum Lagerplatz an der „Sommerseite“.

War an der Dinkbuche die Zahl der Briloner - wie zum Beispiel der 25-jährige Jubelkönig Andreas Niggemeier mit seinen Kumpels - die ihren privaten Grenzgang unternahmen, noch recht überschaubar, so machten auf dem Lagerplatz oberhalb von Wülfte doch etliche Wanderfreunde dem Platz alle Ehre.

Unter anderem hatte sich dort auch Sparclub „Sunderhof“ eingefunden, der jetzt in der Stadtschänke tagt und der sich eigens einen Planwagen organisiert hatte. Auch hier verlas der Stadtschreiber den Rezess, der sogar aus dem Jahre 1525 stammt.

Zwei Frauen retten die Briloner Schade

In der vergangenen Woche hat der Rat formell beschlossen, die Schnade im kommenden Jahr nachzuholen, um im gewohnten Rhythmus zu bleiben.

Den Anstoß dazu hatten zwei Frauen gegeben: Anja Isenberg, Tochter des langjährigen Majors der St. Hubertus-Bruderschaft, Peter Lüke, und 2014 Schützenkönigin an der Seite von Schnade-König Jörg Isenberg, sowie ihrer Cousine, der CDU-Stadträtin Karin Bange.

Aus der - eigene Worte - „Schnapsidee“, auf Facebook einfach lustige Bilder mit der Schnadesel-Statue in der Königstraße hochzuladen, wurde binnen weniger Tage eine von über 600 Followern getragene Initiative, die Schnade nicht einfach ausfallen zu lassen, sondern im kommenden Jahr nachzuholen.

Trotz des Engagements der beiden Frauen: Die Schnade bleibt eine Männersache - basta.

Darin wurde von den Junkern zu Allmen (Alme) und dem „vorsichtigen ehrsamen und frommen Bürgermeister, Rat und Gemeinheit der Stadt Brilon vertraglich festgeschrieben, welche Grenzen in Zukunft einzuhalten sind, damit es nicht immer wieder zu Irrungen und Spannungen kommt und auch was „alles use“ ist.

Nur der König wurde gestutzäst

Bevor Trompeter Thomas Pack zum Ende der Schnade blies, stellte Bürgermeister Dr. Christof Bartsch fest: „So haben wir wenigstens etwas Schnade-Atmosphäre erlebt“.

Auch sei es richtig gewesen, wenn auch nur im ganz kleinen Kreis, diese uralte Tradition auch in Zeiten von Corona aufrecht zu erhalten. Außerdem hoffe er, dass die richtige Schnade am 28. Juni kommenden Jahres nachgeholt werden könne.

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Und Schützenkönig Jörg Nolte darf für sich wohl eine besondere Auszeichnung in Anspruch nehmen: Sein Allerwertester war der einzige, der in diesem Jahr mit dem Schnadestein Bekanntschaft gemacht hat