Hochsauerlandkreis. Gut bis befriedigend lautet das Urteil der Bürger beim Heimat-Check für Kommunalpolitiker im Altkreis Brilon. Der Landrat rät, sich einzumischen.
Im September stehen die Kommunalwahlen an. Von einer Verdrossenheit der Bürger mit der Politik vor Ort kann keine Rede sein: Im „Heimatcheck“ bescheinigen sie den Kommunalpolitikern gute Noten. Landrat Dr. Karl Schneider wirbt ausdrücklich dafür, sich lokal einzusetzen.
Ganz ehrlich: Blicken Sie als Kommunalpolitiker zum Beispiel noch beim Thema Windkraft durch? Ist Kommunalpolitik nicht unglaublich kompliziert und etwas für Experten geworden?
Kommunalpolitik ist schon immer etwas komplex und vielschichtig gewesen – gerade bei streitbehafteten Themen. Die Windkraft ist ein gutes Beispiel dafür: Viele fordern sie, sie wird auch umgesetzt, aber viele Menschen stehen ihr eben auch kritisch gegenüber. Mittlerweile haben wir zur Windkraft eine Vielzahl von zum Teil sich widersprechenden Urteilen der unteren und oberen Instanzen, die schwer zu verstehen sind. Das schafft Verunsicherung, das schafft auch Intransparenz. Wenn politische Entscheidungen gefallen werden, weiß man nicht immer, ob sie auch gerichtsfest sind. Auch ich als oberster Chef muss manchmal in meiner Behörde nachfragen, wie das alles zu verstehen und umzusetzen ist.
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Schreckt das nicht ab, sich vor Ort zu engagieren? Würden Sie sich das als 18-Jähriger zumuten?
Ja, ich würde mir das auch als junger Mensch zumuten und habe das auch getan! Man muss mit solchen Dingen umgehen und sie einordnen können. Klar, das ist nicht jedermanns Sache. Es müssen auch schon mal Entscheidungen vor einem gewissen unsicheren Hintergrund getroffen werden. Ich bin ein entscheidungsfreudiger Typ: Mich reizt es, wenn es mal schwierig wird. Routine ist nicht mein Ding. Ich würde ein Engagement in der Kommunalpolitik unbedingt weiterempfehlen – gerade jungen Leuten. Sie müssen doch ein Interesse daran haben, die Zukunft zu gestalten: Es ist doch ihre Zukunft! Sie könnten uns Älteren Rat geben. Ich bin für eine sehr offene Diskussion mit jungen Leuten.
Warum sind Frauen in der Kommunalpolitik immer noch in der Minderheit?
Ich hoffe, dass die Quoten in den Räten nach der Kommunalwahl anders aussehen werden als bisher. Es gibt leider aber immer noch eine große Zurückhaltung bei Frauen, sich in der Kommunalpolitik zu engagieren. Sie haben sowieso schon mit Familie und Beruf zu tun - und dann noch ein zeitaufwendiges Engagement in der Kommunalpolitik. Das können viele nicht mit ihrer Arbeit in den Familien, die öffentlich immer noch zu wenig wahrgenommen wird. Vielleicht kommt dann auch noch die Pflege eines Angehörigen dazu – es fehlt dann die Zeit und die Muse für die Politik. Trotzdem müssen wir alles tun und dafür werben, dass sich Frauen engagieren und die Vereinbarkeit von Familie, Beruf und politischem Ehrenamt voranzutreiben.
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Vermissen Sie nicht mehr ausländische Mitbürger, die sich engagieren? Wäre das nicht ein Zeichen von gelungener Integration?
Als die große Masse in der Flüchtlingskrise kam, haben wir uns zunächst auf die Sprache konzentriert. Sprache ist Grundvoraussetzung für die Teilhabe an der Gesellschaft. Nachdem diese Grundlagen weitgehend gelegt sind, wollen wir mit unserem Integrationsamt die Zugewanderten dazu bringen, sich in der Gesellschaft zu engagieren: Zeigt euch, seid dabei! Das ist ein wichtiges Zeichen. Integration lebt davon, dass Menschen sich begegnen. Wer sich abschottet, verhindert Integration. Das ist eine Aufgabe, die wir alle leisten müssen: Die ausländischen Mitbürger mitzunehmen.
Lässt sich angesichts der Haushaltsprobleme in vielen Kommunen überhaupt noch etwas wirklich gestalten? Geben nicht die Verwaltungen vor, was gemacht werden muss?
Natürlich geben die Verwaltungen einen gewissen Rahmen vor. Ein großer Teil eines Haushaltes ist durch gesetzliche Bestimmungen und personelle Erfordernisse festgelegt, zum Beispiel bei den Sozialausgaben. Allerdings bleibt immer noch eine freie Spitze: Da hängt es von den Fraktionen und den Ratsmitgliedern selbst ab, was sie an Ideen einbringen und was davon im Haushalt eingearbeitet werden soll. Doch, es lässt sich etwas gestalten. Vielen Bürgern fehlen Angebote beispielsweise zur Kultur oder zum Nahverkehr in ihren Orten.
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Kann man es allen Recht machen ? Oder stößt Politik nicht irgendwann an die Grenzen des Machbaren?
Man kann es nicht allen recht machen. Durch die Angebots-Erweiterungen in den letzten Jahren haben wir uns breiter aufgestellt. Das wird auch allgemein anerkannt, glaube ich. Kulturarbeit wird in den Gemeinden geleistet, aber wir als Kreis haben auch ein riesiges Angebot mit unseren Museen und den vielen musischen Angeboten, wie mit unserem Musikbildungszentrum in Bad Fredeburg. Wir haben die größte Musikschule in NRW mit über 4700 Schülern. Und beim Öffentlichen Personennahverkehr muss man bedenken, dass wir ein Kreis mit wenigen räumlichen Zentren und mit vielen Bereichen sind, die sehr in die Fläche gehen. Natürlich kann ich theoretisch jede halbe Stunde einen Bus von Schmallenberg ins Sorpetal schicken: Aber der fährt dann viel heiße Luft durch die Gegend! Schnellbuslinien, besser und flexiblere Angebote im Jedermannverkehr sollen den ÖPNV attraktiver machen. Die Umsetzung kommt langsam voran und muss zudem auch finanzierbar bleiben.
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Die Noten beim „Heimatcheck“ für die Politiker und Verwaltungen in der Region liegen im Bereich einer guten Zwei bis zur Zwei minus. Wie bewerten Sie das Ergebnis?
Das ist ein sehr gutes Ergebnis! Darüber freue ich mich wirklich! Das zeigt, dass in der breiten Masse der Bevölkerung doch anerkannt wird, was für ein solider Unterbau auf der kommunalen Ebene besteht. Natürlich muss man dem Bürger auch mal sagen, wenn etwas mal nicht geht – das sieht nicht jeder ein, aber damit müssen wir als Politiker und als Verwaltungen leben.
>>>HINTERGRUND<<<
Die Umfrage zum Heimat-Check haben wir geplant, als von der Corona-Krise und ihren Auswirkungen noch nichts zu spüren war. Und doch haben wir uns bewusst dazu entschlossen, Ihnen weiterhin die Möglichkeit zu geben, ihr Wohnumfeld zu benoten. Beim Heimat-Check handelt es sich um eine nicht-repräsentative Umfrage. Er soll ein Stimmungsbild wiedergeben.
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Laut Dr. Ana Moya, die für die Auswertung zuständige Statistik-Expertin, funktioniert das: „Der Heimat-Check liefert wegen der großen Beteiligung ein gutes Stimmungsbild. Es wurde darauf geachtet, dass in jedem Ort eine ausreichende Teilnehmerzahl erreicht wurde, um aufschlussreiche Aussagen treffen zu können.“
Moya vermutet,dass unter den Teilnehmern diejenigen Personen in der Mehrzahl waren, für die ihr Ort eine eher wichtige Bedeutung hat. In diesem Fall fiele das Zeugnis bei einer repräsentativen Befragung wohl etwas anders aus als beim Heimat-Check.