Neuastenberg. Nach Ausbruch im Pflegeheim Haus Waldesruh: Heimleiter berichtet, wie es nach den positiven Tests weiterging – und was ihn noch nervös macht.

„Das Heim gibt es seit 1981. Aber das hier war wie neu anfangen.“ Matthias Leber ist Geschäftsführer des Altenheims Haus Waldesruh in Neuastenberg. Anfang April kam es dort zu einer großen Zahl an Infektionen mit SARS-CoV-2. Was ist seitdem passiert?

Das Krisenmanagement habe Erfolge gezeigt, aber „wir wollen das nicht nochmal“, sagt Leber. Schon Anfang, Mitte März seien Kontakte und Besuche eingeschränkt worden. Aber da sei es zu spät gewesen, das Virus fand trotzdem seinen Weg ins Heim. Am 28. März gab es den ersten positiven Test. Seitdem wurden insgesamt 24 Bewohner und 18 Mitarbeiter positiv getestet.

Den Betrieb wirbelte das ziemlich durcheinander: Die Station 1, auf der die meisten Fälle auftraten, wurde zum Quarantänebereich und komplett von den übrigen drei Stationen getrennt, inklusive separatem Eingang. Schutzmasken nach FFP2-Standard wurden Pflicht für alle Mitarbeiter, das sei bis heute so; auf Station 1 wurde ausschließlich unter Vollschutz gearbeitet.

Enge Abstimmung mit Behörden

Von allen 80 Mitarbeitern und 88 Bewohnern seien Abstriche genommen worden, eine Urlaubssperre trat in Kraft, eine Quarantäne über das ganze Haus wurde verhängt, Besuche verboten, alle Bewohner mussten in ihren Zimmern bleiben.

Alle Mitarbeiter und Bewohner zu testen – nicht nur die mit Symptomen – sei gut gewesen, meint Leber. Außerdem würden alle täglich mit Argusaugen beobachtet: Wer auch nur einen Schnupfen habe, komme in Einzelquarantäne oder bleibe daheim. Positiv getestete, aber symptomfreie Mitarbeiter durften jedoch auf Station 1 arbeiten.

Da auch beim Personal die meisten Fälle auf dieser Station auftraten, habe es keinen katastrophalen Personalmangel gegeben. Einige Tage lang habe aber das Krankenhaus Winterberg Unterstützung geschickt.

Parallel dazu lief die Organisationsebene heiß. „Bis heute telefoniere ich zweimal täglich mit dem Gesundheitsamt des Kreises, dazu täglich mit der WTG-Behörde, ehemals Heimaufsicht.“

Derzeit noch drei Personen positiv getestet

Trotz der hohen Zahl an Infizierten ist der Ausbruch im Haus Waldesruh bisher verhältnismäßig glimpflich ausgegangen. Bei den meisten Erkrankten waren die Verläufe mild. Ein Senior mit schwerer Lungen-Vorerkrankung sei jedoch an Covid 19 gestorben, so Leber, drei weitere Bewohner „mit, aber nicht an“ der Krankheit.

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Inzwischen, Stand Dienstag (19.5.), seien noch zwei Mitarbeiter und eine Bewohnerin positiv getestet. Die virusfrei gebliebenen Stationen 2 bis 4 seien seit dem 13. Mai nicht mehr gesperrt. Die betroffene Bewohnerin befinde sich in Einzelquarantäne, der letzte positive Test sei ihr siebter gewesen.

Leber ist voll des Lobes. Für das Gesundheitsamt des HSK, mit dem der Austausch ebenso intensiv wie fruchtbar gewesen sei. Für die WTG-Behörde, für die gleiches gelte. Für den Hausarzt Dr. Brinkmann, der die Abstriche genommen und sich während der gesamten Zeit hervorragend um alle Bewohner gekümmert habe. Für alle, die das Heim mit Aktionen oder Spenden unterstützt hätten – vom Bäcker über die Alphornbläser bis zum Lions Club. Für seine Mitarbeiter, die teilweise wochenlang am Stück bis zur Erschöpfung und darüber hinaus gearbeitet und trotzdem „nie gemurrt“ hätten.

Lob vom Kreis

Der Hochsauerlandkreis gibt das Lob des Heimleiters aus Neuastenberg zurück. Die Zusammenarbeit sei „absolut hervorragend“ gelaufen, bestätigte Pressesprecher Martin Reuther auf WP-Nachfrage. Das Heim habe schnell reagiert und sämtliche Vorgaben umgesetzt. Auch der Hausarzt habe erstklassige Arbeit geleistet.

Dass es in den Pflegeheimen in Corona-Zeiten nicht überall reibungslos läuft, dafür erhielt die WP vor einigen Tagen Hinweise. Eine Altenpflegerin aus einem Heim außerhalb des Altkreises berichtete, ihr sei trotz Grippesymptomen ein Test verwehrt geblieben – mit Verweis auf dessen Kosten. Reuther erklärt, woran das liegen könnte: „Erst wenn in einem Heim ein positiver Test vorliegt – diese Testergebnisse erhält das Gesundheitsamt direkt über das Labor – läuft die Maschinerie an.“ Dann kontaktiert der Kreis das Heim, startet ein Fallmanagement, ermittelt Infektionsketten und ordnet Tests an. Ohne diese Anordnung könne es sein, dass die Heime auf den Kosten für die Tests sitzen blieben. Vom Gesundheitsamt angeordnete Tests hingegen werden von den Krankenkassen bezahlt.

Harte Zeiten für Bewohner

Für die Bewohner seien die vielen Wochen ohne Besuch hart gewesen. Erst seit Kurzem gibt es vorsichtige Lockerungen. Wessen Zimmer ein günstig gelegenes Fenster hat, kann per Babyphon mit Angehörigen sprechen, die in einiger Entfernung draußen stehen bleiben.

Außerdem gebe es inzwischen einen Besucherraum, in den eine Holzwand mit großer Plexiglasscheibe eingezogen wurde. Hier können sich Angehörige und Bewohner nach Anmeldung bis zu einer Stunde täglich sehen. Lautsprecher sorgen dafür, dass sie sich trotz Wand verstehen.

Das Ganze sehe zugegebenermaßen „etwas nach Knast“ aus, aber man hoffe, es sei sicher. Besucher müssen dennoch durch ein Screening, werden nach möglichen Kontakten zu Infizierten befragt, müssen sich die Hände desinfizieren. Nach jedem Besuch werde der Raum zehn bis 15 Minuten gelüftet, „denn man weiß ja noch nicht genau, wie das mit der Übertragung durch Aerosole ist.“

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Die Sperren betrafen auch die für viele alte Menschen wichtigen Dienstleistungen wie Fußpflege und Physiotherapie. Etwa ab Anfang Juni wolle man hier langsam und vorsichtig wieder hochfahren, so Leber. Die Friseurin darf bereits seit einiger Zeit wieder arbeiten – jeweils einzeln in den Patientenzimmern, nur auf den coronafreien Stationen, mit Schutz, Umziehen und Desinfektion der Arbeitsgeräte nach jedem Kontakt. „Dadurch hat die nur zwei bis drei Kunden pro Tag geschafft.“ Aber große Vorsicht bleibe das Maß aller Dinge.

Kein Verständnis für Verschwörungstheorien

„Was mich jetzt noch nervös macht, sind einerseits gesundheitliche Folgeschäden – zum Beispiel bei unseren Leber- und Nierenkranken. Diese Gefahr blenden die meisten aus“, glaubt er. „Und andererseits die Sorglosigkeit vieler Leute.“

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Er kenne viele, die die Pandemie nicht mehr ernst nähmen, Schutzmaßnahmen für überflüssig hielten oder gar Verschwörungstheorien verbreiteten. „Denen sage ich: Sie hätten mal hier sein sollen, in einem Pflegeheim mit plötzlich so vielen Fällen. Es war erschreckend, wie aggressiv das Virus ist und wie schnell es rumging. Wir haben mit dem Schlimmsten gerechnet.“