Altkreis. Hoffentlich hat sich keine Gastronomie-Entwöhnung eingestellt: Ab 11. Mai dürfen auch Briloner Kneipen wieder öffnen. Was die Kneipiers erwarten.
Gaststätten in NRW dürfen nach dem Corona-Lockdown ab 11. Mai wieder für ihre Gäste öffnen. Damit liegen schwierige Wochen hinter, abe rauch vor den Gastronomen. Einige Vertreter der Zunft aus Brilon kommen hier mit ihren Wünschen und Hoffnungen zu Wort.
Was halten Sie von den Plänen der Bundesregierung?
Jürgen Lüke (Hiebammen Hütte): Der Vorsitzende der DEHOGA sagte vor ein paar Tagen, dass rund 70.000 gastronomische Betriebe schließen müssen, wenn der Mai wegen Corona auch noch so weiter geht wie bisher. Positiv ist auf jeden Fall, dass uns die Mehrwertsteuer von 19 Prozent auf 7 Prozent gesenkt wurde. Das wird der Gastronomie im nächsten Jahr helfen. Irgendwelche Darlehen hingehen bringen gar nichts, da die auch nur neue Schulden bedeuten.
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Wir haben schon die ganzen letzten Wochen schönes Wetter, da hilft manchmal nur noch Verdrängen. Es geht ja nicht nur um den 1. Mai. Bis zum 31. August sind bei uns natürlich auch alle Veranstaltungen inklusive Geburtstage weggebrochen. Sorgen macht uns auch eine eventuelle „Gastronomie-Entwöhnung“. Ob die Gäste alle sofort wieder kommen, halte ich für fraglich. Vielleicht haben sich viele auch an das Bier zu Hause oder beim Nachbarn im Garten gewöhnt.
Lockerungen ab 11. Mai
Sie gehören zu den besonders Leidtragenden der Corona-Krise: Bar- und Café-Betreiber, Kneipiers, Restaurant-Besitzer und Hoteliers: Sie alle haben in den vergangenen Wochen des Lock-Downs hohe Einbußen erlitten, schließlich durften sie keine Gäste empfangen.
Das soll sich ab Montag, 11. Mai, ändern: Dann sollen Gaststätten unter Auflagen wieder öffnen können, Hotels folgen an Christi Himmelfahrt, 21. Mai. Kontaktbeschränkungen, Hygiene- und Distanzmaßnahmen gelten aber bis 5. Juni.
Was denken Sie über die Kurzarbeitsregelung in der Gastronomie
Gökhan Canikati-Lichtenwald (Hotel Starke): Sie ist für viele Angestellte eine Katastrophe, da ja auch die Sonntagszuschläge und die Trinkgelder wegfallen. Dafür kommt das Arbeitsamt natürlich nicht auf, es fehlt den Angestellten aber trotzdem und ich kann die ja nicht ins Home Office schicken.
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Fanden Sie die Maßnahmen dennoch gerechtfertigt?
Natürlich müssen die Infektionsketten unterbrochen und muss einer unkontrollierten Ausbreitung des Virus entgegen gewirkt werden. Aber immer mehr Menschen haben furchtbare Existenzängste und stehen vor dem Nichts. Die Hilfe der Bundesregierung reicht hinten und vorne nicht. Selbstverständlich geht Gesundheit vor. Aber ich will nicht wissen, wie viele Gastronomen Suizid begehen werden oder zumindest in tiefe Depressionen fallen werden, weil ihre Existenz vernichtet wird. Diese Krise birgt viel mehr gesundheitliche Risiken als „nur“ das Virus selbst.
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Was halten Sie von der Öffnung, die bald doch ansteht?
Es ist sehr kritisch, weil wir mit Mehrarbeit verbundene Maßnahmen ergreifen müssen und trotzdem weniger Umsatz machen, weil wir nicht mit voller Kapazität arbeiten dürfen. Ein Rettungsfonds muss unbedingt kommen, sonst wird für uns alle eine schwierige Zeiten kommen.
Mehrwertsteuer wurde für die Gastronomie von 19 Prozent auf 7 Prozent gesenkt. Wieviel bringt das?
Ermin Husić (In Foro): Das hilft uns erstmal überhaupt nicht, weil wir ja keinen Umsatz machen. Dass diese „Hilfe“ auf ein Jahr begrenzt ist, kommt noch hinzu. Diese finanzielle Erleichterung müsste einfach viel länger laufen. Und den Gastronomen, die gerade pleite gehen, bringt das natürlich gar nichts. Wir haben nicht so viel Geld in der Hinterhand. Nur weil wir Gastronomen nicht geschlossen auf die Barrikaden gehen und Randale machen, heißt das nicht, dass es uns gut geht. Wir sind bald am Ende.
Wie werden Sie selber in der Coronakrise aktiv?
Wir bieten seit einigen Tagen ein To-Go und einen Lieferservie an. Aber da läuft leider so gut wie gar nichts. Vielleicht haben die Leute einfach Angst vor Infektionen, obwohl wir selbstverständlich alle Regeln beachten und das völlig unbegründet ist. Zu Beginn des Shutdowns haben wir viele Lebensmittel an Bedürftige gespendet. Außerdem haben wir am 1. Mai beim Digitalen Aktionstag der DEHOGA teilgenommen. Unseren Videobeitrag kann man sich auf Facebook anschauen.
Wie haben Sie die Zwangspause genutzt?
Sebastian Kühl (Kump): Die Gäste dürfen sich natürlich auf den saubersten Kump aller Zeiten freuen. Außerdem bin ich gerade handwerklich unterwegs. Nachdem die Briloner Künstlerin Michaela Fiebig bereits vor dem Shutdown den Kump von innen verschönert hat, haben wir nun noch einen weiteren Künstler aus Brilon ins Boot geholt.
Wie gehen Ihre Mitarbeiter mit der Situation um?
„Ich weiß nicht, was sie privat machen, unsere Mitarbeiter sind ja auch oft Gäste. Ob sie sich ihren Drink am Wochenende jetzt selber mischen und sich mit Netflix beschäftigen - das weiß ich nicht. Einige jammern allerdings, weil der Kump zu ist, halten das aber trotzdem für richtig.
Wie bewerten Sie die Öffnung der Gastronomiebetriebe, die nun doch kurz bevorsteht?
Ich würde mit Lockerungen warten bis das Thema im Griff ist, um eine zweite Welle zu vermeiden. Mit Mindestabstand ergibt für den Kump keinen Sinn. Im Übrigen fehlt mir die Phantasie, wieso ich dann noch in der Tankstelle ne Schutzmaske trage. Basierend auf den Beschlüssen werden wir selbst entscheiden, wann wir wieder aufmachen, die Mitarbeiter müssen auch geschützt werden.
Sie haben sich erst vor wenigen Monaten mit der eigenen Kneipe selbstständig gemacht. Wie geht es Ihnen mit der momentanen Situation?
Jan Mittmann (Ratsschänke): Wir haben sehr viel Arbeit und Geld in die Ratsschänke investiert und stehen quasi vor dem Nichts, da die kompletten Einnahmen fehlen und die staatlichen Gelder natürlich absolut nicht reichen. Ich habe deshalb am 27. April eine Crowdfundingaktion gestartet, damit die Ratsschänke gerettet wird. Jeder Spender bekommt auch eine Gegenleistung zurück. Genauere Infos gibt es auf unserer Facebookseite.
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Wie schätzen Sie die Situation ein, wenn die Gaststätten wieder öffnen? Kommen die Gäste sofort wieder oder werden sie zurückhaltend sein?
Ich glaube, dass unsere Gäste schnell wiederkommen. Die Bekannten, mit denen ich in der letzten Zeit gesprochen habe, sagen durchweg, dass sie es nicht erwarten können, endlich wieder raus zu gehen.“