Hallenberg/Fuerteventura. „Goodbye Deutschland“. Eigentlich wollte die Hallenbergerin Anna-Lena Groß auf Fuerteventura bleiben. Doch Corona durchkreuzt ihre Pläne.
Das Klagen und Jammern in Deutschland ist groß. Die Rufe nach Lockerungen der Corona-Beschränkungen werden immer lauter. Doch schaut man mal ins europäische Ausland, geht es auch noch schlimmer. Beispiel: Spanien. Auf der Ferieninsel Fuerteventura arbeitet Anna-Lena Groß aus Hallenberg als Friseurin. Im Oktober 2019 berichteten wir über die 32-Jährige, weil sie in der Auswanderer-Doku „Goodbye Deutschland“ auf VOX-TV zu sehen war. Seit 2010 lebt die Ur-Sauerländerin auf den Kanaren. Nachdem sie dort mittlerweile an zwei Standorten Friseursalons betreibt, war eigentlich klar: Goodbye Deutschland! Doch jetzt kommt Anna-Lena Groß ins Grübeln.
Ausgehverbot wird streng überwacht
Normal geht die Hallenbergerin mit ihren beiden Hunden Luke und Ron gemeinsam am kilometerlangen Strand spazieren. Doch in diesen Tagen leint sie sich den Cockerspaniel und den Husky nacheinander zum Rundgang an. „So habe ich wenigstens einen Grund, an die frische Luft zu kommen.“ Der Lockdown in Spanien ist wirklich ein komplettes Herunterfahren des alltäglichen Lebens. Seit Mitte März dürfen die Spanier ihre Wohnung nur noch für den Gang zum Supermarkt, zur Apotheke oder zur Tankstelle verlassen. Das tägliche Ritual mit den Hunden wird geduldet. Ansonsten patroullieren Polizei und Militär; sie sorgen dafür, dass die Regeln eingehalten werden. Wer auf der Straße zur Rede gestellt wird, muss mit dem Kassenbon nachweisen, dass er einkaufen war. Und als Anna-Lena eines Tages der Lagerkoller übermannte und sie doch eine Freundin besuchen wollte, musste sie sich eine Notlüge einfallen lassen: Bin auf dem Weg zur Apotheke. Aber auch da musste sie damit rechnen, die Tabletten später vorzeigen zu müssen. 600 Euro kostet es, wenn man ohne triftigen Grund über die Straße geht. Eine kleine Gruppe von Menschen, die sich in einer Bucht versteckt hatte und baden gehen wollte, sei mit 15.000 Euro Strafe belangt worden.
Mit großem Interesse hat die Hallenbergerin die Entwicklung in Deutschland verfolgt. In Spanien habe man sich darüber amüsiert, dass die Deutschen Klopapier bunkern und Lebensmittel hamstern. „So etwas gab es hier nicht. Frisches Gemüse war anfangs etwas knapp und ganz zu Anfang haben wir etwas mehr als sonst eingekauft. Aber als wir merkten, dass alles da ist, war das auch kein Thema mehr.“
Für viele ist es der Ruin
Unterm Strich seien die Spanier sehr diszipliniert. „Wir haben hier zwar keine Maskenpflicht, das Tragen ist freiwillig. Aber Handschuhe im Supermarkt sind ein Muss. Ich denke, dass 95 Prozent der Menschen die Situation sehr, sehr ernst nehmen. Die Fernsehbilder der zahlreichen Toten hat die Spanier tief getroffen. Wir hier auf der Insel mit rund 120.000 Einwohnern hatten bislang die wenigsten Fälle im ganzen Land. Ich glaube, es waren 44 und sind jetzt noch elf bestätigte Fälle; es gab keinen Toten. Aber hier wurde auch sehr schnell reagiert. Alle Urlauber mussten raus. Unser Krankenhaus hier hat auch nur sechs Intensivbetten“, berichtet Anna-Lena Groß.
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Schlag für den Tourismus
Finanziell ist die ganze Krise für viele auf der Insel vor der Nord-West-Küste Afrikas der Ruin. „Selbst wenn es Lockerungen gibt, wird der Tourismus nicht auf einen Schlag wieder so laufen wie vorher. Vielleicht dürfen erst die Spanier im eigenen Land Urlaub machen, aber das ist nicht die Kern-Klientel hier auf den Kanaren. Erst wenn mindestens 20 Prozent der Betten in einem Hotel belegt sind, lohnt es sich, über eine Öffnung nachzudenken.“ Die 32-Jährige selbst hat seit dem 14. März keine Einkünfte oder staatliche Hilfen bekommen. Die Bearbeitung der Anträge dauere lange und für sie als Selbständige sei höchstens ein monatlicher Fixbetrag von 660 Euro zu erwarten. Allein ohne Miete und Lebenshaltungskosten kommt die Hallenbergerin aber schon auf 800 Euro Unkosten monatlich. Darin enthalten: trotz der Krise muss sie als Selbständige weiterhin 300 Euro monatlich an den Staat abführen.
Anna-Lena Groß hegt keine großen Hoffnungen, dass sich an der Situation in Spanien binnen der nächsten zwei, drei Monate etwas ändern werde. „Ich habe daher schon Kontakte nach Deutschland geknüpft, um die Zeit zu überbrücken und um vorübergehend als Friseurin im Sauerland mein Geld zu verdienen. Ich warte sehr gespannt ab, wie sich die Öffnung der Friseursalons dort entwickelt.“ Aber allein der Rückflug nach Deutschland gestaltet sich schwierig: „Es werden Direktflüge von hier nach Düsseldorf oder Frankfurt zum Teil für unter hundert Euro angeboten; doch immer wurden sie einen Tag vorher gecancelt. Die Fluggesellschaften versuchen sich zu retten, indem sie dann Gutscheine anbieten. Wer weiß, ob sie in einem halben Jahr überhaupt noch existieren?“
Bei offenem Fenster schlafen
Etwas Gutes hat die Corona-Krise wenigstens: „Ich wohne an der Hauptstraße und kann tatsächlich bei offenem Fenster schlafen. Kein Autogeräusch. Und man ist weniger gehetzt, ernährt sich gesünder und versucht, die Zeit mit einem persönlichen Fitnessplan irgendwie sinnvoll zu nutzen. Die Geldsorgen versuche ich auszublenden; ich habe etwas Erspartes, aber das war eigentlich für andere Dinge gedacht.“
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Die Polizei hat in den vergangenen Tagen spitz bekommen, dass Anna-Lena Groß sonst mit zwei Hunden am inzwischen menschenleeren und unglaublich sauberen Strand unterwegs war. „Warum gehen Sie nicht mit beiden Hunden gleichzeitig raus?“, wollten die Polizisten wissen. „Ich kann beide zusammen nicht mehr halten“, hat die Hallenbergerin geflunkert. Bestimmt ist den Hunden der Lockdown auch aufs Gemüt geschlagen.