Brilon/Winterberg. Drogen und Kriminalität: Ein Mann aus Winterberg durchlebt die typische Drogenkarriere. Weshalb der Amtsrichter an eine letzte Chance glaubt.
Ein Widerspruch in sich – so erscheint die Anklage und das Verhalten des Angeklagten, der sich vor dem Schöffengericht am Amtsgericht Brilon verantworten musste. Weil er zurzeit in U-Haft sitzt musste die Verhandlung trotz Corona-Krise stattfinden.
Vorgeworfen werden ihm räuberischer Diebstahl mit Körperverletzung sowie gewerbsmäßig begangene Diebstähle in zwei Fällen. Das Widersprüchliche: noch während der Tat habe sich der 29-Jährige Winterberger für sein Handeln entschuldigt. Grund für die Straftaten sei seine Drogensucht, die er mit Kleinkriminalität finanzierte. Sein Vorstrafenregister ist lang – bereits in der Jugend ist der Angeklagte mehrfach vorbestraft worden, hinzu kommen eine Freiheitsstrafe des Amtsgerichts Medebach und eine zuletzt erlegte Freiheitsstrafe aus 2018.
Die drei Taten
Die jetzige Anklage wirft dem jungen Mann vor, am 3. Juni 2019 in einem Rewe-Supermarkt in Siedlinghausen eine Flasche Whiskey eingesteckt zu haben. Ein Mitarbeiter bekam den Vorfall mit und verständigte eine weitere Mitarbeiterin an der Kasse. Diese habe in den Rucksack des Angeklagten schauen wollen, wobei der Angeklagte ihr diesen aus der Hand riss, sie dabei leicht verletzte und anschließend floh. Die zwei gewerbsmäßigen Diebstähle ereigneten sich bereits ein Jahr zuvor. Am 12. Juni 2018 soll der Angeklagte in einen Schuppen in Winterberg eingebrochen sein und wenige Kleinteile eingesteckt haben, wobei er von einem Zeugen gehört wurde. Ein zweiter Zeuge habe den Mann identifiziert und konnte ihm den Rucksack entreißen bevor der Täter floh.
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Zur dritten Straftat kam es am 4. September 2018 in Silbach. Dort soll der 29-Jährige versucht haben, aus einem nicht abgeschlossenen Fahrzeug einer Kanalsanierungsfirma ein Tablet zu entwenden. Der Mitarbeiter der Firma saß jedoch rücklings im Fahrzeug und bemerkte die Tat, sodass der Angeklagte das Tablet zurücklegte und floh.
Corona-Maßnahmen im Amtsgericht Brilon
Die Untersuchungshaft dient grundsätzlich nur der Sicherung des Strafverfahrens und soll in der Regel nicht mehr als sechs Monate vollzogen werden.
Zum Schutz aller Beteiligten erhielten die Z eugen, die Zuschauer, Wachtmeister und der Angeklagte Mundschutzmasken und mussten Abstand halten.
Auch zwischen Richter und Schöffen sowie zwischen Staatsanwalt und Sachverständigen wurde auf den notwendigen Abstand geachtet.
Alle drei Straftaten konnten vor Gericht von insgesamt sechs Zeugen bestätigt werden. Rupert Jostmeier, Verteidiger des Angeklagten, gab eine Stellungnahme des Tatverdächtigen ab, der seine Taten eingestand. Jedoch habe es sich bei dem räuberischen Diebstahl im Rewe nicht um eine vorsätzliche Körperverletzung gehandelt. „Es war keine Absicht und er bedauert es sehr“, so der Verteidiger. Da es sich nur um eine leichte Verletzung des Fingers handelte, die nicht medizinisch versorgt werden musste, entschieden Richter Hans-Werner Schwens und Staatsanwalt Daniel Stieve, die Körperverletzung aus der Anklage heraus zu streichen.
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Die Zeugen konnten während der Tat bei dem Angeklagten keinen stark berauschten oder alkoholisierten Zustand feststellen und auch Sachverständiger Dr. Markus Müller-Küppers konnte dem Angeklagten trotz Drogenkonsum zu den Tatzeiten volle Schuldfähigkeit zusprechen. Der Angeklagte sagte selbst, „er sei immer drauf gewesen“ und habe die Realität durch den Konsum aus den Augen verloren, „sein Leben nicht auf die Reihe bekommen“.
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Bereits während seines Hauptschulabschlusses habe er angefangen Drogen zu konsumieren, erst Haschisch, später Amphetamine, davon sei er seitdem nicht weggekommen. Eine Berufsausbildung brach er ab und weitere Jobs führte er immer nur für wenige Monate aus. Er zeigte sich einsichtig und gewollt, etwas an seinem Lebensstil zu ändern – er wolle, so sagt er, eine Therapie und eine neue Berufsausbildung machen und die Möglichkeit nutzen, seine Drogensucht in den Griff zu bekommen.
Freiheitsstrafe und Therapie
Da Angeklagte die Taten gestand und noch vergangene Strafen verbüßt, verurteilte das Schöffengericht ihn wegen räuberischen Diebstahls in einem minder schweren Fall sowie schweren Diebstahl in zwei Fällen, wobei es bei einem nur beim Versuch blieb, zu einem Jahr und zwei Monaten Freiheitsstrafe ohne Bewährung.
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Außerdem soll er wegen seiner Sucht in eine Erziehungsanstalt untergebracht werden. „Kriegen Sie ihr Leben bitte in die Spur. Das ist Ihre letzte Chance. Mit 29 Jahren sollte man für sich selbst sorgen können“, richtete sich Richter Hans-Werner Schwens schließlich an den Angeklagten. Die Therapie könne erst Mitte nächsten Jahres beginnen. da er seine Haft erst noch absitzen muss.