Brilon. Dechant Richard Steilmann vom Pastoralverbund Bigge-Olsberg merkt, wie sich der kirchliche Alltag auflöst. Er spricht über Folgen für Seelsorger.

„Was verloren geht, ist der Kontakt zu den Mitmenschen“, sagt Dechant Richard Steilmann vom Pastoralverbund Bigge-Olsberg. Die Corona-Pandemie zwingt auch die christlichen Gemeinden zu neuen Wegen. Das betrifft auch die Seelsorger, die plötzlich mehr Zeit für ihre Arbeit haben.

Auch interessant

Im Ticker berichtet die Westfalenpost im Altkreis Brilon täglich über Neuigkeiten zum Coronavirus im östlichen HSK.
Von Jürgen Hendrichs, Jana Naima Schopper, Thomas Winterberg, Jutta Klute, Kevin Kretzler, Annette Dülme, Stefanie Bald, Laura Marie Dicke und Boris Schopper

Keine Versammlungen mehr, Kaffeetreffen entfallen. „Der kirchliche Alltag ist auf einmal lahmgelegt, nichts tut sich mehr im Pfarrheim“, erklärt Steilmann die Situation. Einmal die Woche treffen sich die Seelsorger mit viel Abstand, um sich auszutauschen. Eine Neuerung gibt es auch bei den täglichen Messen. Die erleben jetzt nämlich alle vier Priester gemeinsam. Eine schöne Erfahrung, findet Steilmann. Denn normalerweise schauen sich die Messdiener nicht dabei zu, wie der jeweils andere seine Messe abhält, obwohl dazu die Möglichkeit besteht.

Seelsorger in Olsberg sind gefragt

„Es ist dieses besondere Gemeinschaftsgefühl, das entsteht. So erfährt jeder, wie der andere die Messe zelebriert. Es ist schön, sich so kennenzulernen. Und singfest sind wir auch alle, daher klappt das wirklich gut“, sagt der Dechant und lacht.

Auch interessant

Aber während der Corona-Krise gibt es auch viele, denen nicht zum Lachen zumute ist. Jene, die die Seelsorger in Anspruch nehmen. Menschen, die einsam sind, alleine in ihrer Wohnung, keinen Kontakt zu Kindern und/oder Enkeln haben können und ihre Sorgen mitteilen möchten. Die Nachfrage steigt, Hilfe gibt es jetzt telefonisch, stellenweise per E-Mail, wenn beispielsweise eine Messe bestellt wird für Verstorbene.

Weinen am Telefon

Pfarrer Steilmann (rechts) erlebt in der Coronakrise Messen von einer ganz neuen Seite.
Pfarrer Steilmann (rechts) erlebt in der Coronakrise Messen von einer ganz neuen Seite. © bigge-online

Für den erfahrenen Geistlichen ist es wichtig, in dieser Situation vor allem Zeit für die Sorgen anderer zu haben. „Man kommt ins Gespräch und manche fangen an zu weinen. Da ist es wichtig, zuzuhören. Vielen hilft es, wenn sie endlich mit jemandem sprechen können.“ Auch gemeinsame Gebete gibt es dann stellenweise am Telefon. Problematisch ist seiner Meinung nach für viele vor allem, dass ein fester Tagesrhythmus fehlt, durch Quarantäne oder Angst, das Haus zu verlassen.

Auch interessant

Zu persönlichem Kontakt kommt es aber in Einzelfällen dennoch, wenn keine Infektion auf beiden Seiten vorliegt, um beispielsweise Informationen über Verstorbene auszutauschen, damit klar ist, was im Gebet in der Messe erzählt werden kann. Manche würden dies aber auch einfach aufschreiben.

Aufmunterung trotz Corona

Aber auch in der Zeit von Corona versuchen Gemeinden, die Menschen aufzumuntern und zusammenzuhalten. Pfarrer und Gläubige stellen teilweise um 19 Uhr eine Kerze ins Fenster, Gemeinden lassen täglich die Kirchenglocken läuten, in Bigge beispielsweise um 19.30 Uhr als Dankeschön für die ehrenamtlichen Helfer. Steilmann hat für den kommenden Pfarrbrief ein paar aufmunternde Worte formuliert, die sich nicht nur mit dem Coronavirus auseinandersetzen.

Auch interessant

Kurz vor Palmsonntag und Ostern stiegen auch die Anfragen nach Palmzweigen und Osterkerzen. Der Gemeinderat hat sich überlegt, dass ein Bringdienst für ältere Menschen sinnvoll wäre, damit niemand auf Kerzen oder Zweige verzichten muss. „Die Menschen werden in dieser Zeit des Stillstands richtig aktiv und bringen Ideen ein“, sagt Steilmann.

Vereinsamen Seelsorger?

Doch wie geht es einem Seelsorger, der selbst plötzlich kaum noch persönlichen Kontakt zu Menschen hat? Werden die Geistlichen einsamer? Für den Dechanten durchaus denkbar, bisher hat er damit aber keine Probleme, weil er auch gut alleine sein kann.

Auch interessant

Er sieht auch in dieser schwierigen Zeit noch das sprichwörtliche Licht am Ende des Tunnels und ist vor allem beeindruckt von der Solidarität, die sich während der Coronakrise zeigt. „Wir pflegen das miteinander wieder und Freundschaften. Vielleicht kommen wir so auch wieder ans Denken, ob es einen Gott gibt oder nicht. Das trat zuletzt in den Hintergrund, weil es immer hieß ‚höher, schneller, weiter‘. Es ist schön, dass wir aufeinander aufpassen. Wir werden sehe, was hinterher weiter Bestand hat.“