Marsberg. Ihren 70. Hochzeitstag feiern Erna und Heinz Klude aus Marsberg – wegen des Coronavirus allein. Die Familie lässt sich aber etwas einfallen.
Sie brauchen sich nur anzuschauen. „Schon weiß einer, was der andere denkt“, lacht Erna Klude vergnügt. Sie und ihr Mann haben viel gemeinsam erlebt und sind durch dick und dünn gegangen.
Seit 70 Jahren sind Heinz (90) und Erna (89) Klude verheiratet. Am Mittwoch, 25. März, feiern sie das seltene Fest der Gnadenhochzeit. Geplant war eigentlich ein Fest mit der ganzen Familie. Aber wegen des Coronavirus werden sie den Jubeltag allein verbringen. „Das ist besser so“.
Gratulationen einzeln in Marsberg
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Die Kludes sind einsichtig. Verabredet ist, dass ihre drei Töchter mit Familien, fünf Enkeln und vier Urenkeln, einzeln kommen und aus sicherer Entfernung vor der Haustür gratulieren werden. Erna Klude: „Wir werden auf die Terrasse hinausgehen und können dann mit ihnen sprechen.“ Es wird kein Händeschütteln geben und keine Umarmung. „Schade“, so das Jubelpaar. „Aber Hauptsache ist, wir bleiben gesund. Das wünschen wir jedem.“
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Das Ja-Wort gaben sie sich am 25. März 1950 in ihrer alten Heimat in der ehemaligen DDR, im sächsischen Ziepel. Die Familie von Erna Klude hatte dort einen Bauernhof. Kennen- und liebengelernt hat sich das rüstige Jubelpaar drei Jahre vorher. Mit 17 Jahren war Heinz Klude zwei Jahre nach Kriegsende aus russischer Kriegsgefangenschaft heimgekehrt. Darüber möchte er heute, 70 Jahre später, nicht mehr reden. „Nach seiner Heimkehr lebte er anfangs sehr zurückgezogen, saß viel auf dem Balkon“, erinnert sich seine Frau zurück. Irgendwann brachte ihr Bruder ihn dann mit auf dem Hof und es funkte sofort zwischen ihnen.
Aus der DDR geflohen
Ihre Eltern hatten über dem Stall Wohnungen ausgebaut, um Wohnplatz zu schaffen. Erna Klude: „Der Bürgermeister hatte meinem Vater gesagt, dass er die Wohnungen sofort vermieten müsse. So war das damals in der DDR. Da haben wir dann geheiratet und sind selber in die Wohnung eingezogen.“
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Ihre ersten beiden Töchter wurden geboren. Heinz Klude ging seiner Arbeit als gelernter Schreiner nach. Aber richtig wohl wollten sie sich in der DDR nicht fühlen. „Wir haben immer lieber die West-Nachrichten und Adenauer angehört, als die Ost-Nachrichten und die Worte von Walter Ulbricht“, so Erna Klude.
Reise in den Westen
Die Mauer war noch nicht gebaut. Die junge Familie entschloss sich in den Westen auszureisen, zuerst nach Ostberlin. Erna Klude: „Am 9. Juni 1953 sind wir von Berlin weg. Am 17. Juni war der Aufstand am Potsdamer Platz.“ Im damaligen Lager in Ostberlin grassierten gerade die Masern. Ihre älteste Tochter hatte sich angesteckt. Der Flug in den Westen war schon gebucht.
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Wäre es herausgekommen, dass die Kleine Masern hatte, hätten sie nicht ausreisen dürfen. Ein Arzt gab ihnen Tipps, wie sie die Symptome kaschieren konnten. Es hatte funktioniert. Erna und Heinz Klude sind heute noch erleichtert darüber. Auch wenn die Anfangsjahre im Westen alles andere als einfach waren, besonders die Lagerzeit der ersten Jahre.
Über Leer nach Obermarsberg
Von Berlin kamen sie zuerst nach Leer und Dössel, dann nach Hamm, schließlich nach Obermarsberg. Neun Jahre wohnte die junge Familie dort, ihre dritte Tochter erblickte das Licht der Welt. Zuerst sind sie im ehemaligen städtischen Haus mitten auf der Oberstadt einquartiert worden. Erna Klude: „Wir hatten zwar nur ein Zimmer. Aber wir waren glücklich.“ Das städtische Fachwerkhaus steht heute im Freilichtmuseum Detmold.
30 Jahre beim LWL in Marsberg tätig
Heinz Klude arbeitete erst in der Schreiner Jeken in Obermarsberg. 1958 machte er noch einmal eine Ausbildung zum Krankenpfleger und arbeitete dann 30 Jahre beim LWL in Marsberg. „Ein Auto hatten wird damals nicht. Manchmal bin ich täglich drei- bis viermal den Eresberg hinunter gegangen und wieder zurück.“ Die Kludes zogen dann nach Niedermarsberg an den grünen Weg. Die Doppelhaushälfte kauften sie später.
Gemeinsamen Lebensabend genießen
Als die älteste Tochter 18 Jahre alt war hat Erna Klude selbst noch eine Ausbildung zur Krankenschwester beim LWL gemacht. Das Ehepaar Klude war dort bis zur Rente beschäftigt. Jetzt genießen sie den gemeinsamen Lebensabend. Die Augen wollen zwar bei beiden nicht mehr so recht und auch das Hören ist bei Heinz Klude nicht optimal. Aber sie versorgen sich noch komplett selbständig. Unterstützung im Alltag zum Beispiel beim Einkaufen bekommen sie durch ihre Familie.
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In ihrem Wintergarten hält sich das Jubelpaar besonders gerne auf. Er steht voller Blumen und Pflanzen. Erna Kludes ganzer Stolz: Die fast zwei Meter hohen Strelitzien stehen in der Blüte. Den Samen der Paradiesvogelblumen hat sie sich vor 20 Jahren zur Goldhochzeit aus Madeira mitgebracht.