Altlreis Brilon. Auch Tagesmütter sind von den Corona-Folgen betroffen. Eine Brilonerin erzählt, wie sie mit der Situation umgeht und wie Eltern darauf reagieren.

Die Nachrichten in der Whatsapp-Gruppe überschlagen sich plötzlich. Schon als noch nicht ganz klar ist, ob die Kindertagesstätten schließen, bekommt Melanie Meier* die ersten Fragen von Müttern auf das Handydisplay. „Schließt du die Betreuung nun ebenfalls vorsorglich?“ „Wer ruft denn beim Jugendamt an? „Wie sieht das mit den Beiträgen aus? Bezahlen wir die weiter?“ „Bekommst du jetzt kein Geld mehr?“

Als erstes geht ihr das Finanzielle durch den Kopf

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Im Ticker berichtet die Westfalenpost im Altkreis Brilon täglich über Neuigkeiten zum Coronavirus im östlichen HSK.
Von Jürgen Hendrichs, Jana Naima Schopper, Thomas Winterberg, Jutta Klute, Kevin Kretzler, Annette Dülme, Stefanie Bald, Laura Marie Dicke und Boris Schopper

Auf keine dieser Nachrichten weiß Melanie Meier eine Antwort. „Ich habe das ehrlich gesagt selbst erst realisiert, als mir die Mütter der Kinder geschrieben haben, die ich betreue.“ Sie checkt die Nachrichten, hört von der Schließung. „Was geht einem dann durch den Kopf? Ganz egoistisch in erster Linie das finanzielle.“

Alleinerziehend mit drei Kindern und plötzlich steht alles Kopf

Melanie Meier ist alleinerziehend. Hat mehrere Kinder, die sie versorgen muss. Für die sie wie jede andere Mutter auch Kindergartenbeiträge oder den Offenen Ganztag bezahlen muss. Zusätzlich muss sie ihr Haus unterhalten. Sich weiter selbst versichern. Tagesmütter versichern sich zu 50 Prozent selbst, 50 Prozent des Beitrags trägt das Jugendamt. Trotzdem: sofort beginnen die Sorgen. Wird sie weiterbezahlt? „Für mich ging das direkt an die Existenz“, sagt sie.

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Die ersten Tage sind chaotisch. Erst weiß niemand, wie es weitergeht. Das Jugendamt muss sich selbst erst sortieren, nachhaken. Eltern bombardieren sie mit Fragen. Sie tauscht sich mit anderen Tagesmüttern aus. Manche erzählen von ungehaltenen Eltern. Müttern, die ihnen Vorwürfe machen, wieso die Betreuung endet. Väter, die kein Verständnis für den Ernst der Lage zeigen. Es seien doch nur kleine Gruppen, die bei Tagesmüttern betreut werden. „Dabei können wir doch gar nichts dafür“, sagt Melanie Meier mit Verwunderung in der Stimme. Sie selbst betreut vier Kinder zwischen eins und zwei Jahren. Keine der Mütter habe ihr einen Vorwurf gemacht, alle seien verständnisvoll gewesen. „Ich hab Glück.“

Ungewissheit beherrscht die nächsten Tag

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Die nächsten Tage nach Verkündung der Schließung sind voller Ungewissheit. Erst heißt es, das Geld werde weitergezahlt wie bei einem Krankheitsfall – also zwei Wochen. Dann heißt es, der Lohn werde für vier Wochen weitergezahlt. Und dann? Melanie Müller weiß keinen Rat. Hängt in der Luft. Sie ist „aus dem Trott.“ Ihr fehlt der Alltag. Neben den Sorgen kümmert sie sich um ihre Kinder. Erkundigt sich per Whatsapp nach ihren Tageskindern.

Sie hofft, dass es im April weitergehen kann

Dann Aufatmen. Joachim Stamp, stellvertretender Ministerpräsident von NRW, verkündet am Mittwoch, dass Land und Kommunen in NRW die vollständige Weiterfinanzierung von Kitas, Kindertagespflege und Ganztagsschulangeboten in Schulen sichern – unabhängig davon, ob und wie viele Kinder dort derzeit betreut werden.

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Entscheidung über Beiträge kann noch dauern

Über die Beitragsrückerstattungen in der Kindertagesbetreuung, der Musikschule und der Volkshochschule HSK ist noch nicht abschließend entschieden worden. Der Kreis habe diese Angelegenheit dem Ministerium in Düsseldorf vorgelegt, um eine Empfehlung zu erhalten. Eine Antwort sowie eine endgültige Entscheidung werde aber nicht vor April erfolgen. „Das ist auch nicht Angelegenheit Nummer eins", sagt Pressesprecher Martin Reuter.

Der Krisenstab bittet noch einmal ausdrücklich, die Hotline nicht mit Anrufen zu Beitragsrückerstattungen zu blockieren. Sie ist nur für gesundheitliche Fragen zuständig.

„Ich hoffe so sehr, dass es im April weitergehen kann“, sagt Melanie Müller. Dann steht sie vor einer neuen Herausforderung: vier Kinder müssen wieder bei ihr in den Alltag finden. Eines davon war gerade erst in der Eingewöhnung, als der Beschluss des Bundes kam. „Ich mache mir natürlich einen Kopf um die Kinder. Wie das klappt. Aber das wird schon. Wenn es dann weitergeht...“

*Melanie Meier möchte lieber anonym bleiben. Ihr Name ist der Redaktion bekannt.