Brilon. Der Mann von Katja Filbry aus Brilon hat Krebs. Sie pflegt ihn. Eine Geschichte über eine starke Frau und über Liebe in schweren Zeiten.
Manche Sätze kann Katja Filbry einfach nicht beenden. Sie zuckt dann kurz zusammen und lässt die Worte in der Luft hängen. „Dann wäre er beinah...“ Oder: „Ohne die Chemo, da wäre er wahrscheinlich schon…“ Sie spricht von ihrem Mann, Frank. Er hat Krebs, jetzt das zweite Mal.
Und in Katja Filbrys Leben ist kaum noch Platz für etwas anderes.
Die 39-Jährige arbeitet in Teilzeit als Pflegehelferin bei der Caritas, nebenbei beim ambulanten Hospiz in Brilon. Sie fährt die Pflegetouren. Mal nach Messingausen, mal nach Petersborn oder Scharfenberg. Sie besucht Menschen, die Hilfe brauchen. Duscht und badet sie, spritzt Insulin, zieht Trombosestrümpfe aus und an. Zuhause pflegt sie ihren Mann. Pflegegrad 3.
Tumor bei den Polypen mit Metastasen
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2016 ist der 40-Jährige zum ersten Mal krank geworden. Rachenkrebs. Ein Tumor bei den Polypen. Metastasen in Hals und Milz. „Er konnte nicht essen, nicht trinken, er war ein Strich in der Landschaft. Die Sondennahrung hat nicht funktioniert, also habe ich ihn immer wieder ins Krankenhaus gebracht“, sagt Katja Filbry. „Sonst wäre er...“ Wieder ein unbeendeter Satz. Chemo, Strahlung folgt. „Die Strahlung ging direkt auf den Kopf, also hatte er viel Kopfschmerzen und Schwindelattacken.“ Frank schafft es dennoch.
2018 dann die Schmerzen im Bein. „Niemand hat richtig nachgeforscht, was es ist. Manche haben die Bandscheibe vermutet. Keiner hat ihn in die Röhre geschickt.“
Der Arzt meinte, es wäre kurz vor zwölf
Katja Filbry klingt noch immer ungläubig, wenn sie das erzählt. Irgendwann treten Lähmungserscheinungen auf und nach mehrmaligen Besuchen in der Ambulanz endlich das MRT: ein Tumor im Becken, Metastasen in der Leber, im Oberschenkel, in der Wirbelsäule, am Lendenwirbel. Chemo, Bestrahlung. „Der Arzt meinte, es wäre kurz vor zwölf. Sonst wäre er querschnittsgelähmt gewesen.“
Knochen würden bei Sport brechen
Zwar kann ihr Mann sein Bein wieder etwas bewegen, aber er bekommt immer noch die Chemo, alle vier Wochen. Das wird noch bis April so gehen. „Würde er jetzt Sport machen, würden seine Knochen brechen“, erklärt Katja Filbry. Manchmal kippt er ihr weg. Das bekommen auch ihre drei Kinder mit. 14, 12 und 6 Jahre alt. „Ich kann ihnen so etwas nicht verschweigen, sie sehen es ja.“ Natürlich seien Tränen gefallen. Natürlich wären die Sorgen groß. „Aber sie fragen viel und wir gehen offen damit um.“
Aktionstag rückt Leistung in den Fokus
Der Equal Care Day ist ein Aktionstag, der am 29. Februar stattfindet. Er ist extra auf diesen Tag gelegt worden, um darauf aufmerksam zu machen, dass Frauen viermal so viel unbezahlte Arbeit leisten wie Männer.
Die Website zum Aktionstag erklärt es folgendermaßen: „Der Equal Care Day ist eine Initiative, die Menschen, Organisationen und Institutionen international dazu aufruft, einen Aktionstag zu organisieren und zu feiern, der auf die mangelnde Wertschätzung und unfaire Verteilung von Care-Arbeit aufmerksam macht.“
So schrieb der Spiegel erst vor wenigen Tagen, dass Frauen einen deutlich höheren Anteil an unbezahlter Arbeit leisten würden, als Männer – selbst wenn sie erwerbstätig seien und sogar wenn sie Vollzeit arbeiten würden. So pflege jede zehnte Arbeitnehmerin und jeder dreizehnte männliche Arbeitnehmer Angehörige.
Im Durchschnitt würden pflegende Frauen mehr Zeit für die Pflege aufwenden als pflegende Männer. Die Zeit spricht in einem Artikel sogar davon, dass Frauen durchschnittlich vier Stunden am Tag unbezahlt arbeiten würden. Zum Aktionstag erzählen zwei Frauen, wie sie Arbeit, Pflege und die eigene Familie unter einen Hut bringen.
Arbeit, Kinder, Pflege. Katja Filbrys Tag beginnt um 5 Uhr. Dann steht sie auf, bereitet das Frühstück vor, stellt die erste Waschmaschine an, bügelt. Wenn sie die Pflegetouren früh fahren muss, ist sie manchmal auf andere Mütter angewiesen, die ihre Kinder zur Schule bringen. Nach der Arbeit kümmert sie sich um ihren Mann. Manchmal holen Freundinnen die Kinder von der Schule ab und passen auf, wenn Katja Filbry selbst arbeiten muss. „Man merkt in so einer Situation, wer echte Freunde sind.“
Finanziell steht es schlecht
Hilfe bekommt sie nur von Freunden, die ihr gebrauchte Kinderklamotten bringen oder mal einen Obstkorb. Die Caritas übernimmt manchmal für eine Stunde die Alltagsbegleitung. Doch für Katja Filbry reicht das kaum.
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Lange Zeit half eine Familienpflege von der Caritas. Jetzt wurde ein Antrag mit Verweis auf die Pflegestufe von der Krankenkasse abgelehnt. „Wir könnten selbst zahlen, aber das kostet 81 Euro für 3 Stunden. Hochgerechnet auf eine Woche, einen Monat...“ Pause. „Die Zuzahlungen zur Chemo wie für das Zubehör sind auch 30 bis 40 Euro, mal eben...“ Wieder Pause. „Die Zuzahlung von Medikamenten. Dann wieder eine Taxifahrt für 10 Euro...“ Viele unbeendete Sätze hängen in der Luft. Dann spricht Katja Filbry es doch aus. „Wir haben schon unser Auto verkauft, unser zweites, aber... Wir wissen nicht, wie wir das Haus halten sollen.“
Sie lächelt unsicher. „Die Ärzte wollen schaffen, dass der Tumor ganz weg ist. Wenn der Tumor nur eingekapselt wird, dann...“