Alme/Nehden. Der Naturschutzbund Deutschland klagt gegen den auf der Briloner Hochfläche geplanten Windpark Alme-Nehden. Am 4. Februar ist Termin vor Gericht.
Der Hochsauerlandkreis hat für den zweiten auf der Briloner Hochfläche geplanten Windpark einen neuen Genehmigungsbescheid erlassen. Es handelt sich dabei um fünf oberhalb des Nehdener Weges an den Windpark Wülfte angrenzende Anlagen. Mit rund 206 Metern sind sie genauso hoch wie die bereits sechs dort stehenden. Gegen den im Oktober 2017 erteilten ersten Genehmigungsbescheid hatten sowohl die Betreiber, die Windpark GmbH & Co Brilon KG, wie auch der Landesverband NRW im Naturschutzbund Deutschland (Nabu) geklagt: Dem einen gingen die Auflagen zu weit, dem anderen nicht weit genug.
Der jetzt erlassene Änderungsbescheid geht auf eine Initiative der Windkraft-Investoren selbst zurück. Um die, so der Kreis, „artenschutzrechtliche Konformität der Genehmigung“ herzustellen, hatten sie Mitte Dezember dem Hochsauerlandkreis ein neues fachgutachterliches Konzept eingereicht.
HSK verfolgt bei Genehmigung „völlig neuen Ansatz“
Dabei, so der Kreis, werde „ein völlig neuer Ansatz verfolgt“. Bisher galt, dass die Windräder erst bei einem Brut-Nachweis des Rotmilans abgeschaltet werden mussten.
Jetzt legte der Kreis fest, dass die Windräder vom 20. Februar bis 20. August „vom Anfang der morgendlichen Dämmerung bis zum Ende der abendlichen bürgerlichen Dämmerung zunächst vorsorglich abzuschalten“ seien. Ein „im Einvernehmen“ zwischen dem Anlagenbetreiber und dem Hochsauerlandkreis beauftragter orts- und sachkundiger Fachberater wird zwischen dem 10. März und dem 10. Mai regelmäßig einen 1000-Meter-Radius um die Windräder herum danach absuchen, ob sich dort ein besetztes Rotmilan-Revier, ein Horst oder ein Wechselhorst befindet. Das Monitoring soll wenigstens fünfmal vorgenommen werden und jeweils fünf Stunden dauern.
Sobald dieser Fachberater bestätigt, dass in diesem Radius „keine Rotmilane vorkommen, eine Brut aufgegeben „oder der Familienverband keine Bindung mehr an den Brutplatz hat“, kann der Tagesbetrieb der Anlagen bis zum 20. Februar des Folgejahres beantragt werden. Auch für mehrtägige Stillstandzeiten rund um Mahd, Ernte und Pflügen sind Details festgelegt, ebenso die Gestaltung von sogenannten Ablenkungsflächen, auf die Rotmilane bei der Nahrungssuche gelenkt werden sollen.
Mit Eilantrag gescheitert
Die Naturschützer betrachten den neuen Genehmigungsbescheid „als Erfolg und Lohn unserer Arbeit“, so Winfried Rampe vom Verein für Umwelt und Naturschutz Hochsauerland (VUNH), der die Klage im Hintergrund gemeinsam mit dem Verein für Natur- und Vogelschutz (VNV) im Hochsauerlandkreis sowie dem Naturschutzverein Sundern mit unterstützt. Ursprünglich nämlich hätten die Windpark-Investoren die Auflagen „verwässern“ wollen.
Einheitliche Anlagen auf der Hochfläche
Bei den fünf jetzt neu genehmigten Windrädern handelt es sich um dieselben Typen wie den sechs im Windpark Wülfte.
Es sind Enercon E-115 mit einer Nabenhöhe von 149,08 Meter und einem Rotorradius von 57,5 Meter.
Die Anlagen leisten jeweils 3 Megawatt (MW).
Weltweit hat der Windradhersteller Enercon nach eigenen Angaben über 29.000 Anlagen installiert.
Das in Aurich/Ostfriesland ansässige Unternehmen ist der größte Windradhersteller Deutschland.
Im November hatte das Unternehmen angekündigt, aufgrund des rückläufigen Ausbaus der Windenergie die Rotorblätterproduktion ins Ausland zu verlagern.
An den Standorten Aurich und Magdeburg sollen deshalb bis zu 3000 Arbeitsplätze wegfallen.
Dem hatten die Verwaltungsgerichte allerdings in der bereits ersten juristischen Runde einen Riegel vorgeschoben. Die Windpark GmbH & Co KG Brilon - nicht zu verwechseln mit der kommunalen Windpark Brilon GmbH & Co KG, die den Windpark zwischen Brilon und Altenbüren betreibt - ist eine Tochtergesellschaft des Enercon-Konzerns.
Und die hatte unmittelbar nach der Nabu-Klage Im Juni 2018 beim Verwaltungsgericht Arnsberg die sofortige Vollziehung der Baugenehmigung beantragt. Das hatten aber sowohl das Verwaltungsgericht Arnsberg wie auch - als Beschwerde-Instanz - das Oberverwaltungsgericht Münster dem Investor verwehrt. Grund: Die Richter in Arnsberg hatten bereits bei der „summarischen Prüfung“ des Genehmigungsbescheides verschiedene Auflagen als rechtswidrig eingestuft.
Naturschützer: „Froh, aber noch nicht zufrieden.“
Für den 4. Februar hat das Verwaltungsgericht Arnsberg die Verhandlung der Nabu-Klage anberaumt. Bis dahin wolle man intern den jetzt vorliegenden Bescheid und das weitere Vorgehen besprechen, so Winfried Rampe weiter zur WP. Nach einer ersten Sichtung gehe der Bescheid „in die richtige Richtung“. Rampe: „Wir sind zwar froh, aber noch nicht zufrieden.“
Auch die Enercon prüfe derzeit den Bescheid, so Antje Cznottka von der Unternehmenskommunikations des Windrad-Herstellers und Windpark-Betreibers. Man gehe davon aus, „dass das Plangebiet weiterhin ein geeigneter Standort für die Errichtung von Windenergieanlagen“ sei. Die Fläche sei „ausführlich entsprechend der gesetzlichen Vorgaben untersucht“ worden. Vor Abschluss des Klageverfahrens möchte der Konzern von einer „Stellungnahme zu Teilaspekten“ absehen, „um Spekulationen keinen Vorschub zu leisten“.
Wo ist der Rotmilan abgeblieben?
Und was den Rotmilan selbst angeht: Der den Naturschützern bekannte und in der Klage von 2018 angeführte Horst war 2017 das letzte Mal besetzt und bebrütet, wie Winfried Rampe der WP sagte. In jenem Jahr waren die Wülfter Windräder in Betrieb genommen worden. Möglicherweise habe einer der Vögel die Winter-Migration nicht überlebt, vielleicht habe es sich bei dem Horst nur um einen Wechselhorst gehandelt und der Rotmilan halte er sich an einer anderen Stelle seines Reviers auf, vielleicht aber sei der Rotmilan auch vergrämt worden - dafür gebe es in diesem konkreten Fall aber keine Anhaltspunkte.
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Näher heran rücken die neuen Windräder an Nehden. Vom Rand des Fichtenwegs, so Ortsvorsteher Günther Schmies, werde der Mindestabstand von 900 Metern eingehalten. In einer Bürgerversammlung sei über das Projekt informiert worden. Schmies: „Schön ist das nicht.“ Anfangs seien sogar sechs Ränder geplant gewesen. Volle Sicht auf den Windpark gebe es von dem neuen Baugebiet Hinter Wilmes Haus, dort entstehen neun Bauplätze. Nehden gehört zu den besonders gefragten Wohnlagen der Stadt Brilon.