Brilon. Ein Gabelstapler erfasste eine Mitarbeiterin der Firma Egger, die an ihren Verletzungen starb. Am Amtsgericht Brilon wirft eine Kamera Fragen auf
Wegen fahrlässiger Tötung wurde gestern ein Mann vor dem Briloner Amtsgericht zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr, die zur Bewährung ausgesetzt ist, verurteilt. Es war der Hauptverhandlungstermin zum Unfall am 6. Februar diesen Jahres:
Bei der Firma Egger war damals eine 29-jährige Frau von einem Gabelstapler erfasst und getötet worden (wir berichteten).
Kontrollen und Tests bei jeder Übergabe
Um 6 Uhr morgens habe der Angeklagte seine Schicht als Gabelstaplerfahrer angetreten, die bei der Übergabe anstehenden Kontrollen und Tests durchgeführt und angefangen zu arbeiten. Zum zweitem Mal verlud er an diesem Morgen vier Pakete Spanplatten als sich der Unfall ereignete: Gegen 7.20 Uhr erfasste der Staplerfahrer eine als Reinigungskraft bei der Firma Egger arbeitende Frau.
Die Situation bei der Firma Egger
Laut Geschäftsführer Thomas Witiska gibt es für externe und interne Mitarbeiter Unterweisungen für das richtige Verhalten auf dem Gelände. Daran nahmen auch der Angeklagte und die Getötete teil.
Die Firma Egger habe inzwischen Maßnahmen zur Arbeitssicherheit umgesetzt. Sie testet außerdem weitere technische Möglichkeiten, um die Sicherheit zu gewährleisten.
Eine 15-Meter-lange Spur zeugte davon, dass sie von den Platten auf der Gabel umgestoßen und vor dem tonnenschweren Fahrzeug hergerollt wurde, bis dieses zum Stehen kam. Sie erlag noch an der Unfallstelle ihren schweren Verletzungen.
Der Blick war abgewandt
Der Angeklagte habe rund drei Minuten lang in einem Gang mit dem beladenen Gabelstapler gewartet. Ein Fahrer vor ihm war damit beschäftigt, einen Lkw zu beladen. Als dieser seine Fahrt fortsetzte, fuhr der Angeklagte weiter und bog nach rechts ab, um in den Hauptfahrweg der Halle zu gelangen.
In dieser Zeit musste die 29-Jährige von links nach rechts vor dem Fahrzeug hergelaufen sein, so dass sie sich im Anschluss in Fahrtrichtung des Gabelstaplers vor dem Fahrzeug befand. „Sicht war genug da. Ich habe den Blick dann nach rechts zur Ecke abgewendet“, so der Angeklagte.
Angeklagter zeigt Emotionen vor dem Amtsgericht
Die weitere Beschreibung des Vorfalls fällt ihm sicht- und hörbar schwer. Unter Seufzen und mit Pausen sagt er: „Nach einigen Metern habe ich gemerkt, dass etwas nicht stimmt mit der Ladung.“ Er habe laut eigenen Angaben die Ladung gehoben, nichts gesehen, wieder heruntergelassen und sei mit dem Fahrzeug zurück gefahren. „Dann habe ich gesehen, was passiert ist und habe laut nach Hilfe geschrien.“ Mehrmals kämpft er während der Verhandlung mit den Tränen. Einige Erinnerungslücken durch den Schock habe er noch heute.
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Auf dem Boden stehend habe die Ladung von Spanplatten eine Höhe von zwei Metern. Zehn bis 15 Zentimeter sei der Gabelrücken abgehoben, die Ladung leicht nach hinten geneigt gewesen. „Nicht bis zum Anschlag“, so lautet das Gutachten des Unfallanalytikers, der sich auf die Fotos der Polizei und die Rekonstruktion der Szene zwei Tage nach Unfallhergang verlassen musste.
Sicht bis zu 18 Metern nicht möglich
Dadurch sei die Sicht des Fahrers insgesamt besser gewesen als mit vollständig geneigter Gabel, schlussfolgert er. Dennoch: Gehe man von einer Gesamthöhe von rund 2,30 Metern aus, sei mit dem bloßen Auge eine Sicht von bis zu 18 Metern vor dem Gabelstapler nicht möglich. Erst nach dieser Entfernung wäre der Kopf des Opfers sichtbar geworden. „Die Sicht nach vorne war massiv eingeschränkt“, sagt der Unfallanalytiker.
Kameras sollen bei der Sicht helfen
Kamerasysteme helfen bei dieser Problematik. Damit bleibe in diesem Fall ein toter Winkel von zwei bis drei Metern, so der Sachbeauftragte. Auf Polizeifotos sehe man allerdings, dass die Linse der Kamera geschlossen, die Kamera also ausgeschaltet war.
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„Die Kamera war tausendprozentig an“, versicherte der Angeklagte zwei Mal im Verlauf der Verhandlung. Gericht und Staatsanwaltschaft gehen trotzdem davon aus, dass die Kamera ausgeschaltet war, heißt es bei der Urteilsverkündung. „Die Kamera hätte sie erfasst“, so Härtel. Der Angeklagte sei quasi im Blindflug durch die Halle gefahren.
Gefährliche Tätigkeit
Er sagt: „Dem Angeklagten war bewusst, dass es eine sehr gefährliche Tätigkeit ist und er hat unverantwortlich gehandelt.“ Dass der Mann nicht vorbestraft sei, Reue zeige, versucht habe, Kontakt mit den Angehörigen aufzunehmen und selbst durch die Folgen der Tat gestraft sei, wirke sich strafmildernd aus.
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Der Angeklagte leide unter psychischen Problemen wie Schlafstörungen, Panikattacken und in gewissen Maßen sozialer Isolierung – er befinde sich seit dem Unfall in psychologischer Behandlung, erklärt der Verteidiger des Angeklagten. Strafschärfend sei laut Härtel die Verletzung der Sorgfaltspflicht.