Brilon. Seit 2005 verlegt Gunter Demnig in Brilon Stolpersteine. An insgesamt 123 jüdische Schicksale will das Jugendparlament auf diese Weise erinnern.
Brilon gibt es 16 weitere Stolpersteine. Am Donnerstag markierte damit der Kölner Aktions-Künstler Gunter Demnig drei Häuser, deren jüdische Bewohner von den Nazis deportiert wurden oder die vor ihnen geflohen sind: in der Derkere Straße, in der Bahnhofstraße und in der Keffelker Straße. Das Jugendparlament der Stadt Brilon hatte die Aktion initiiert. Ziel: Mit insgesamt 123 Stolpersteinen an das Schicksal der Einwohner jüdischen Glaubens zu erinnern. 2015 nahm Gunter Demnig erstmals eine Verlegung vor. In die Messingplatte 10 mal 10 Zentimeter großen Quader sind die Namen, der Geburtstag und ihr Schicksal eingraviert. 123 Steine will das Jugendparlament verlegen, mit den am Donnerstag verlegten sind es jetzt 103.
Derkere Straße 1
In dem längst abgerissenen Haus unmittelbar hinter dem Rathaus lebte die wohlhabende Kaufmanns-Familie Rothschild. Schon für das Jahr 1858 ist dort ihr Geschäft für „Galanteriewaren, Brillen und Porzellan“ nachgewiesen, später kamen Glas und Schuhe hinzu. Das Geschäft, so die Sprecherin des Jugendparlaments, Dilara Bingöl, galt „als eine gute Adresse“. Zwei Geschwister Elly (geboren 1908) und Hans (geboren 1910, Abitur 1929 am Petrinum) verließen 1935 bzw. 1938 Brilon. 1935 musste die Familie das Haus verkaufen. Der 1878 geborene Julius Rothschild und dessen 1893 geborene Ehefrau Alma geb. Levy zogen nach Wiesbaden, sie wurden 1942 deportiert und wurden in Polen ermordet.
Bahnhofstraße 5
Hier lebten Albert und Bertha Grüneberg geb. Friedländer. 1853 hatte der Kaufmann Emanuel Grüneberg das Gebäude erworben und dort einen Kolonialwarenladen betrieben.
1902 übernahm Albert Grüneberg das Geschäft. 1929 verkaufte er das Geschäft. am 14. November 1932 verstarb er in Brilon, „gedemütigt und entrechtet, wie auf dem Stolperstein zu lesen ist, seine Gattin zog nach Hagen und wurde 1942 nach Theresienstadt deportiert.
Keffelker Straße 3
Dort mauerte Gunter Demnig gleich zehn Stolpersteine ins Pflaster. Das Haus, in dem die Familien Eichengrün, Freudenstein und Pollack lebten, steht nicht mehr.
Dort hat die Raiffeisen ihre Verwaltung und ihr Lager. Den Bewohnern gelang rechtzeitig die Flucht in die USA, die Eichengrüns und Freudensteins wanderten bereits zwischen 1933 und 1937 aus, die Familie Pollack konnte 1938 nach der Pogromnacht noch rechtzeitig ihre Koffer packen.
Dilal Bingöl, Sprecherin des Jugendparlaments, und Klaus Wrede, Mentor des Jugendparlaments bei der Stadtverwaltung, erinnerten an die Opfer des Nationalsozialismus, es sei immer noch „wichtig, auf die Schicksale aufmerksam zu machen“.
Beide schlugen die Brücke zu den vielen heute weltweit auf der Flucht befindlichen Menschen. So wie die aus Brilon damals geflüchteten Juden in der Fremde Aufnahme fanden, so sollten auch wir heute auf die Menschen zugehen, die sich aus Angst um ihr Leben bei uns in Sicherheit gebracht haben. Wrede: „Heute ist es nicht viel anders als früher.“ Auszugsweise wurden die beklemmenden Briefe der Geflüchteten vorgelesen.
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Mehrere Dutzend Menschen, vor allem Jugendliche, nahmen an der Verlegeaktion teil. Mit dabei waren auch Schüler der Heinrich-Lübke-Sekundarschule, an der es eine Projektgruppe „Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage“ gibt. Die Kommunalpolitik war in überschaubarem Rahmen vertreten: mit Bürgermeister Dr. Bartsch sowie Wolfgang Kleineberg von der SPD und Reinhard Prange von den Linken.
Mit den bei der Verlegung glänzenden Steinen ist es wie mit der Erinnerung: Sie verblassen mit der Zeit.