Winterberg. Anja Licher-Stahlschmidt zieht für die SPD in den Kommunalwahlkampf. Sie spricht über ihre Schwerpunkte und was sie mit der Zeit gelernt hat.
Sie will den Chefsessel im Rathaus: Neun Monate vor der Kommunalwahl im kommenden September hat der SPD-Ortsverein Anja Licher-Stahlschmidt als Bürgermeisterkandidatin aufgestellt (die WP berichtete). Sollte das gelingen, wäre sie nicht nur die erste Frau an der Stadtspitze, sondern auch die erste Sozialdemokratin.
Sie sind noch ein relativer Neuling in der Politik und seit rund einem Jahr Mitglied der Doppelspitze des SPD-Ortsvereins. Was haben Sie in dieser Zeit gelernt?
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Wir bestehen aus sehr unterschiedlichen Menschen mit unterschiedlichen Wegen. Trotzdem pflegen wir einen sehr guten Umgang miteinander. Dabei habe ich wieder gelernt, wie wichtig es ist, das Wesentliche im Blick zu behalten – denn manchmal hat ein Siedlinghäuser andere Interessen als ein Züscher. Aber wenn jeder seine Meinung deutlich sagt, kann man es schaffen, gemeinsam in die gleiche Richtung zu schauen. Die politischen Richtungen der Einzelnen reichen bei uns von ganz links bis konservativ. Wenn man miteinander redet, findet man einen Weg, hinter dem alle stehen.
Was hat sich in diesem knappen Jahr in der Winterberger SPD getan?
Jörg Burmann [der Co-Vorsitzende, d. Red.] hat mich von Anfang an gefragt, ob ich mir die Kandidatur vorstellen kann. Der brennt richtig, das merkt man. Ich habe den Eindruck: Jetzt, wo wir die Vorbereitung für die Kommunalwahl forcieren und uns transparenter machen, z. B. mit den Werkstattgesprächen, entsteht etwas. Am Anfang war es etwas mühsam, aber dann ist der Funke übergesprungen. Die Leute sind begeistert und ziehen mit. Ich habe das Gefühl, sie können jetzt tatsächlich sehen, dass wir eine reelle Chance haben.
Winterberg hatte noch nie einen Sozialdemokraten als Bürgermeister. Wie wollen Sie Wähler überzeugen, die teilweise seit Jahrzehnten CDU wählen?
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Einerseits gibt es Menschen, die wir nicht überzeugen können. Andererseits bin ich sicher, dass es viele gibt, die sich nicht so oft mit Politik beschäftigen, sondern eher aus Gefühl wählen gehen. Deshalb ist mir wichtig, dass wir präsenter und ansprechbarer sind und man sieht, was wir machen. Zum Beispiel durch die Werkstattgespräche. Und ab Januar werden wir mit einer roten Bank über die Orte ziehen, um Gespräche anzustoßen, und Haustürwahlkampf machen, um uns vorzustellen.
Welche Inhalte bringen Sie den Wählern mit?
Es geht darum, menschlicher sein und als Kommune auf Augenhöhe ansprechbar zu sein – im sozialen Bereich und für die Wirtschaft. Damit Bürger mit allen Fragen gern ins Rathaus gehen, auch wenn sie Hartz-IV-Empfänger sind und etwas brauchen. Wir sollten das Sozialamt besser ausstatten, auch personell, damit immer ein guter Umgang mit den Hilfesuchenden herrscht. Durch meine Erfahrung in der Flüchtlingshilfe weiß ich, dass es da manchmal Herausforderungen gibt. Da war ich froh, noch nie in die Situation gekommen zu sein, selbst dort um Hilfe bitten zu müssen. Es gibt Mitarbeiter dort, die machen ihre Arbeit toll. Aber wir müssen schauen, woran Probleme liegen können und wie man sie löst. Außerdem ist es wichtig, die Wirtschaftsförderung zu stärken. Mit der gleichen Kraft, die wir in Tourismus investieren, müssen wir dafür sorgen, dass es Start-ups, Gründern und Unternehmen gut geht. Damit alle, die irgendwo nicht weiterkommen, einen Ansprechpartner haben, der zum Beispiel bei der Flächensuche oder bei bürokratischen Hürden hilft. Wir brauchen eine Waage: Winterberg muss weiter gut vom Tourismus leben, aber auch aus sich selbst.
Wirtschaftsförderung schreibt sich auch die CDU auf die Fahnen. Wo liegt der Unterschied zu Ihnen?
Wir haben einen guten Wirtschaftsförderer, keine Frage. Aber ich frage mich: Warum ist der alleine? Die CDU hätte Zeit gehabt, eine Wirtschaftsförderung aufzubauen, die ebenso stark wäre wie die Tourismusförderung. Wie viele Stellen das konkret umfassen könnte, liegt natürlich auch an der Finanzierbarkeit. Und es wäre wichtig, dass Leute dabei sind, die aus der Wirtschaft kommen und nicht aus der Verwaltung. Solche, die Probleme der Wirtschaft schon selbst erlebt haben. Was Winterberg außerdem fehlt, ist ein Ort, an dem sich Jugendliche, aber auch Senioren und Vereine treffen können. In den Dörfern gibt es oft Gemeinschaftshäuser. Die Kernstadt hat das nicht, aber das bräuchte sie.
Ein neues Gebäude?
(lacht) In einer perfekten Welt ja. Man kann nicht immer alles sofort haben, aber wir brauchen ein Ziel, dann finden wir auch Lösungen. Außerdem möchten wir einen ausgebildeten Streetworker etablieren, der Jugendliche auffängt, aber auch mal Bürger unterstützt, die sich gerade selbst nicht helfen können.
Als Bürgermeisterin wären Sie Chefin einer ganzen Verwaltung. Welcher Führungstyp sind Sie?
Ich spreche Dinge deutlich an und bestehe auf Antworten. Womit ich im Beruf und auch in der Parteiarbeit immer gut gefahren bin, ist ein Gesprächsstil auf Augenhöhe. Diskussionen müssen auf Sachebene geführt werden, nicht emotional. Wenn man offen, ehrlich und in einem vernünftigen Ton mit Menschen spricht, funktioniert es.
Können Sie sich selbst in drei Worten beschreiben?
Zielorientiert. Mitfühlend. Hartnäckig.
Was mögen Sie an Winterberg?
Es gibt mir das Gefühl von Zuhause. Ich bin immer wieder gern hergekommen, egal, wo ich gewohnt habe. Am Anfang war es in Köln einmal ganz schlimm für mich, als es schneite, ich aber nicht in Winterberg war. Als ich jünger war, fand ich es hier etwas eng, deshalb bin ich weggegangen. Heute weiß ich dieses Gefühl, zu Hause angekommen zu sein, zu schätzen.
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Wo hat die Stadt noch Entwicklungspotenzial?
Im Miteinander. Im aufeinander Aufpassen, Rücksicht nehmen. Und im wirtschaftlichen Bereich. Wir haben viele junge Leute, auch in der SPD, die sich selbstständig gemacht haben und sich wirklich entwickeln wollen. Wir haben viel Potenzial, Neue und Zurückkommende zu binden, indem wir ein breiteres Spektrum an Arbeitsplätzen schaffen.