Altkreis. Ein noch höherer Anstieg betrifft die Unter-65-Jährigen, die Grundsicherung beziehen: 2018 waren es in Brilon 62 Prozent mehr als 2008. Warum?

Weil die Rente nicht reicht, sind immer mehr Menschen neben ihren Altersbezügen auf staatliche Unterstützung angewiesen. Dieser Trend ist auch bei uns im HSK und speziell Altkreis Brilon zu beobachten.

Wie die Gewerkschaft Nahrung-, Genuss-Gaststätten mitteilt, ist die Zahl der Empfänger von „Alters-Hartz-IV“ im Hochsauerlandkreis innerhalb von zehn Jahren um 33 Prozent angestiegen. Diese besorgniserregende Entwicklung bestätigen auch die Zahlen für die einzelnen Altkreis-Städte.

Der HSK hat unserer Zeitung Zahlen zur Verfügung gestellt, die zeigen, dass die Anzahl der Menschen, die im Alter (über 65 Jahre) oder bei Erwerbsminderung (unter 65) Grundsicherung beziehen, fast in allen Kommunen deutlich angestiegen ist. In Brilon, Winterberg und Medebach gibt es mit Blick auf die vergangenen zehn Jahre bei den Über-65-Jährigen einen Anstieg von über 30 Prozent.

Unter-65-Jährige in Brilon wie Medebach betroffen: Erwerbsminderung als Grund

Teilweise noch drastischer fällt der Anstieg bei Menschen unter 65 Jahren aus, die Grundsicherung erhalten, weil sie aufgrund einer Erwerbsminderung auf Dauern ihren Lebensunterhalt nicht selbst bestreiten können. In Brilon beispielsweise waren das 2018 62 Prozent mehr als 2008, in Olsberg 58 und in Medebach sogar 75 Prozent. Ein Blick in die Statistik von IT NRW zeigt für 2018 gegenüber dem Vorjahr einen Zuwachs von 2,5 Prozent bei den Empfänger/innen von Grundsicherung. Besonders stark ist der Anstieg bei Menschen, die die Altersgrenze noch nicht erreicht haben. Hier gab es von 2017 bis 2018 einen Anstieg um 6,1 Prozent.

Isabell Mura, Geschäftsführerin der Gewerkschaft NGG-Region Südwestfalen, sieht den Trend mit Sorge - und fordert eine „rentenpolitische Kurskorrektur“. Stichwort ist hier das Thema Grundrente.

Grundrente ab Januar 2021 für Rentner mit mehr als 35 Beitragsjahren

Mitte November hatte sich die große Koalition auf einen Kompromiss geeinigt. Ab Januar 2021 sollen mit der Grundrente Rentner einen Zuschlag bekommen, die 35 Beitragsjahre voll haben und deren Beitragsleistung unter 80 Prozent, aber über 30 Prozent des Durchschnittseinkommens liegt. Die Einkommensgrenze soll für Alleinstehende 1250 Euro betragen, für Paare 1.950 Euro.

„Die amtlichen Zahlen zeigen nur die Spitze des Eisbergs. Denn sehr viele Menschen, die wegen Mini-Renten eigentlich einen Anspruch auf Grundsicherung haben, schrecken aus Scham vor einem Antrag zurück“, so Isabell Mura.

So sind nach einer Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung bundesweit 16,8 Prozent der Rentner von Armut bedroht. Eine wichtige Ursache für die hohe Zahl bedürftiger Rentner sind nach Ansicht der Gewerkschafterin niedrige Einkommen. Sie argumentiert: Wer Jahrzehnte in einer Bäckerei oder einem Restaurant gearbeitet habe, lande im Alter oft unter der Armutsschwelle. Das liege auch an der Praxis vieler Unternehmen, aus Tarifverträgen auszusteigen und so die Löhne zu drücken. Hinzu kommen der Trend zu Teilzeit und Minijobs.

Warenkörbe von Marsberg über Brilon und Olsberg bis Hallenberg unterstützen

Auch der Caritasverband Brilon beschäftigt sich mit dem Thema (Alters-)Armut. Unterstützt werden Betroffene unter anderem durch die Warenkörbe in Brilon, Olsberg, Winterberg und Medebach. Bedürftige Menschen können dort gegen einen geringen Geldbetrag einkaufen. „Altersarmut ist bei uns schon immer ein Thema“, sagt Caritas-Mitarbeiter Ulrich Schilling, der unter anderem die vielen Ehrenamtlichen betreut, die in den Warenkörben im Einsatz sind. Immer wieder finden sich unter den Einkaufenden zum Beispiel auch verwitwete Seniorinnen, deren Rentenbezüge kaum ausreichen, um den Alltag finanziell zu stemmen.