Berlin/Hochsauerland. Ideen aus dem Sauerland sorgen in der Bundeshauptstadt für Aufsehen. Architekt Christoph Hesse zeigt in Berlin „geerdete“ Arbeiten und Projekte.

„Grounded“ – der englische Begriff heißt wörtlich übersetzt „geerdet“. Für Architekt Christoph Hesse ist „grounded“ aber noch mehr. „Es sagt, dass ich fest an einem Ort stehe, aus dem ich Kraft, Inspiration und Innovation schöpfe“. „Grounded“ ist er als Planer und Baumeister, sind aber auch seine Kunden, für die und mit denen er und seine Mitarbeiter „identitätsstiftende, autarke und solidarische Lebensräume“ schaffen möchten.

Zu sehen im Aedes Architekturforum

Unter dem gleichen Titel steht daher auch eine Ausstellung, die bis zum 21. November in Berlin zu sehen ist. Der Architekt aus Referinghausen - Jahrgang 1977, wohnhaft in Oberschledorn und mit Büros in Korbach und Berlin - stellt seine Arbeiten im „Aedes Architekturforum“ aus.

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Fachleute aus der Branche bekommen bei „Aedes“ ein Leuchten in die Augen. Das Forum ist eine der ältesten Architekturgalerien Europas und gibt zeitgenössischer Architektur und Stadtplanung eine Plattform. Bereits vor eineinhalb Jahren hatte Hesse in Berlin angeklopft und sich und sein Team mit seinem Portfolio vorgestellt. „Eure Projekte sind nicht nur interessant und gut, es steckt auch eine Geschichte dahinter“, sagten ihm die Kuratoren. Und so kam es, dass die Arbeiten von Hesse seit 5. Oktober auf großen Zuspruch von Fachpublikum, aber auch von Laien stoßen, die sich mit dem Thema Bauen beschäftigen. Parallel stellt eine Architektin aus der Schweiz aus.

Die Villa F. und ein Modell der Stroh-Therme
Die Villa F. und ein Modell der Stroh-Therme © WP | Aedes Architekturforum

Ideen in Beton und Grips in Gips

Ein großer runder Holztisch füllt den Raum in Berlin. Auf ihm stehen Gebäude und Landschaftsmodelle aus Beton und Gips in vielfältiger Formensprache. Großformatige Bilder gewähren Ausblicke auf Stadt- und Naturlandschaften. Hier steht eine Auswahl realisierter und geplanter Projekte im Sauerland und Waldeck-Frankenberg.

Die Ausstellung ist in drei Bereiche unterteilt. Die Rubrik „lokale Netzwerke autarker Gemeinschaften“ zeigt zum Beispiel ein rundes Haus, die sogenannten Villa F., das in Titmaringhausen gebaut und schon mehrfach ausgezeichnet wurde.

Eine Therme aus Stroh überzeugt die Jury

Mit dem Thema „Grüne Energiegewinnung“ haben Hesse Architekten erst vergangene Wochen im spanischen Bilbao einen „Architecture Master Prize“ in der Kategorie „Agricultural Buildings (landwirtschaftliche Gebäude) gewonnen.

Anlässlich des 750-jährigen Dorfjubiläums von Referinghausen war eine riesige Stroh-Therme aufgebaut worden. Mit diesem temporären Pavillon wurde quasi die Unabhängigkeit der Gemeinde vom globalen Energiemarkt gefeiert und symbolhaft dargestellt. Das gerade im Aufbau befindliche Nahwärmenetz, das an eine Biogasanlage auf Basis organischer Abfälle in Titmaringhausen angeschlossen wird, stellt einen Meilenstein in der Geschichte des Ortes dar.

Symbolhaft

„Das Stroh stand als Metapher für Biomasse. Das Stahlbecken mit warmem Wasser in der Mitte des Raumes symbolisierte die Energie, die aus dieser Biomasse gewonnen wird. In diesem Pavillon wurden Geschichte und Wiedergewinnung der Selbstversorgung gefeiert. Zwischen 1200 und 1950 haben die Bauern Wärme aus Holz aus dem Wald erzeugt. Dann wurden die Bewohner zu passiven Verbrauchern, die abhängig von Gas und Heizöl waren. In Zukunft sind sie jedoch wieder selbstbestimmt: Eine aktive Gemeinschaft, die sich in einem dezentralen und ökologischen Netzwerk organisiert und ihre eigene Energie produziert“, lautet die Beschreibung des Projektes. Der Architecture MasterPrize (AMP) zeichnet Designs und Disziplinen in den Bereichen Architektur, Innenarchitektur und Landschaftsarchitektur aus.

Das Gebäude entspricht zum einen dem individuellen Wunsch des Kunden, der damit die Form seiner Biogasanlage aufnimmt. „Es ist aber auch ein symbolhafter Eisbrecher gewesen für das Nahwärmenetz, das erst in Titmaringhausen aufgebaut wurde und jetzt auf den Nachbarort Referinghausen ausgeweitert wird“, sagt Hesse. Damit wird ein Trend markiert: Menschen machen sich energetisch unabhängig, bauen Netzwerke auf. Das stärkt den Zusammenhalt und befeuert die Lebensqualität.

Weiterer Seelenort geplant

„Bottom-up“ lautet für Christoph Hesse die Devise seiner Arbeit. Er möchte mit den Menschen von der Basis aus etwas planen und schaffen, ihre inneren Sehnsüchte herauskitzeln: „Architektur, Mensch und Natur haben sich in den letzten 25 Jahren mehr denn je voneinander entkoppelt. Immer mehr Menschen wurden zu passiven Konsumenten, denen Konzepte aufgezwängt wurden. Nimm dies, nimm etwas anderes oder lass es. Dadurch sehen sich die Menschen immer weniger in der Lage, aktiv an der Gestaltung ihres Lebensraums mitzuwirken“, so Hesse.

Bodenständig und doch individuell

In der Beschreibung zur Ausstellung heißt es: „Die Architektur von Christoph Hesse und seinem Team ist Ausdruck dafür, dass Bauen auf dem Land bodenständig und zugleich gestalterisch individuell, partizipativ und energetisch zukunftsweisend sein kann – zusammen mit Menschen, gemeinsam am Ort: Grounded.“

Dies betreffe in besonderer Weise den ländlichen Raum. Denn gerade in den historisch landwirtschaftlichen und handwerklich geprägten Gemeinschaften sei es eigentlich durch die Härte der Lebensbedingungen schon immer erforderlich gewesen, ein solidarisches und im Umgang mit der Natur ganzheitliches Leben zu führen. Dorthin müsse man in moderner Form wieder zurückfinden. Das Wärmenetzwerk sei ein schönes Beispiel dafür.

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Der zweite Teil der Ausstellung befasst sich mit dem Thema „Gemeinschaftliche Stadtentwicklung von innen“ am Beispiel Korbachs. Part drei ist dem Thema „Verbundenheit durch identitätsstiftende Orte“ gewidmet. Es geht dabei um Plätze, die für die lokale Bevölkerung von großer Bedeutung sind. Hier zeigt Hesse-Architekten u.a. die geplante Neugestaltung des Besucherzentrums Edersee (symbolhaft wird ein Teilstück aus der Mauer geschnitten) oder auch ein weiteres Objekt aus der Reihe „Seelenorte“, das im Zuge der Platz-Gestaltung in Referinghausen entstehen soll.