Medebach/Arnsberg. Im Prozess um den gewaltsamen Tod eines Medebacher Rentners werden weitere Zeugen gehört. Eine Frau spricht von einem Doppelleben des Toten.

„Er führte wohl zwei Leben“, sagt die Zeugin vor dem Landgericht Arnsberg. Sie war es, die am 10. Januar diesen Jahres die Wohnung eines Rentners in Medebach betrat und schnell feststellte, dass etwas nicht stimmte. Die Polizei fand wenig später die Leiche des Mannes, der mit Schlägen auf den Kopf und Stichen in den Hals getötet worden war. Gestern war der dritte Verhandlungstag in dem Mordprozess.

Vor der Großen Strafkammer als Schwurgericht müssen sich der 22-jährige Florin M. und seine gleichaltrige Freundin Rebeca L. verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft den beiden Mord aus Habgier vor. Das Duo soll im Januar dieses Jahres den 67-jährigen Rentner in seiner Medebacher Wohnung überfallen und getötet haben.

Angeklagter gesteht die Tat zum Teil

hier gibt es mehr artikel und bilder aus dem altkreis brilon hier gibt es mehr artikel und bilder aus dem altkreis brilonBereits am ersten Verhandlungstag am 15. August hatte der Verteidiger des Angeklagten eingeräumt, dass sein Mandant die Tat begangen habe - allerdings nicht aus Habgier. Am zweiten Prozesstag war der Verteidiger deutlicher geworden und hatte eine Erklärung seines Mandanten verlesen. Demnach soll es am Tatabend zu einer sexuellen Handlung zwischen dem Angeklagten und dem Rentner gekommen sein. Danach, so Anwalt Markus Haupt, sei es zu einem Streit gekommen.

Als der Angeklagte das Haus habe verlassen wollen, sei ihm das Opfer gefolgt und habe ihm von hinten an den Hals gefasst. Dabei seien schlimme Erinnerungen aus der Kindheit des 22-Jährigen hochgekommen. Im Affekt habe er erst nach dem Waffeleisen und später nach einer Schere gegriffen. Er habe wie in Trance auf ihn eingestochen. Es sei also kein Mord gewesen.

Gerüchteküche brodelt in Medebach

Einschätzungen zum Lebensstil des Toten sind an diesem Verhandlungstag daher von Interesse und sorgen für viel Verwirrung. Was bedeutet es, wenn der Mann zwei Leben geführt haben soll? In Bezug auf die sexuelle Orientierung des Toten kann die erste Zeugin keinerlei Angaben machen. Sie kannte ihn seit mehreren Jahrzehnten. Vielmehr sei es die „Medebacher Gerüchteküche“, die seit langer Zeit Vermutungen angestellt habe.

Onkel des Angeklagten verweigert die Aussage

In der Verhandlung sollte auch der Onkel des Angeklagten aussagen. Doch er machte als Verwandter von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch.

Für den nächsten Verhandlungstag am 11. Oktober ist unter anderem der Leiter der Mordkommission geladen.

Verteidiger Ingmar Rosentreter regte an, zwei Zeugen zu laden, die weitere Einblicke in das Sexualleben des Toten geben könnten, um den Angaben seines Mandanten mehr Gewicht zu verleihen.

Das angebliche Doppelleben sei, so die Zeugin, ihr eigene Vermutung. Über Treffen mit anderen Männern, die dem 67-Jährigen angeblich nachgesagt werden, habe er sie nie informiert. Interessant für den Vorsitzenden Richter Teipel und Staatsanwalt Neulken ist aber vor allem der Hinweis der Frau, dass der Tote gegenüber Ausländern angeblich nicht positiv eingestellt gewesen sei. Beide Angeklagte stammen aus Rumänien.

Ungewöhnliche Zustände in der Wohnung

Die Zeugin erklärt schließlich auch, woran sie überhaupt festmachen konnte, dass etwas im Haus des Getöteten nicht stimmte. Eine Bekannte habe sie gefragt, ob sie in letzter Zeit etwas von dem Rentner gehört habe, was sie verneinte. Aus Sorge hätten beide sich auf den Weg zur Wohnung des Opfers gemacht. Die Zeugin hatte für Notfälle einen Schlüssel. „Die Türe war nicht abgeschlossen, aber die Rollos waren unten. Der Tote war ein sehr gewissenhafter Mensch. Das war schon sehr komisch“, sagt sie aus. Und weiter: „Im Flur war der Schirmständer umgeworfen. Die Türe zum Wohnzimmer ließ sich nicht öffnen. Ich ging noch ins Schlafzimmer und schrie sofort zu meiner Begleitung ,Raus hier!“ Im Anschluss verständigte sie die Polizei.

In der Verhandlung wird auch der Fahrer gehört, der das Duo nach Rumänien fuhr, wo beide untertauchten, ehe die Polizei sie fand. Er gibt an, mitten in der Tatnacht einen Anruf des Angeklagten bekommen zu haben. Dieser habe ihn gebeten, ihn und seine Partnerin nach Rumänien zu fahren. Die Großmutter des Angeklagten sei schwer krank. Obwohl das Trio keine Freundschaft, sondern eher eine Bekanntschaft verbindet, sagte der 21-Jährige nach kurzer Zeit zu.

Pärchen packt in Ruhe Sachen für die Flucht

Das Pärchen soll mit dem gestohlenen VW Polo des Opfers nach Züschen zu ihrem Bekannten gefahren sein und den Wagen dort stehen gelassen haben. Zu Dritt hätten sie sich dann nach Medebach in die Wohnung des Pärchens begeben, in dem auch sechs andere Verwandte lebten, und Taschen für die Abreise gepackt. „Sie waren ganz entspannt. Es gab keine Hektik beim Packen“, sagt der Fahrer vor Gericht aus. Im Anschluss seien sie mit einem Transporter des Angeklagten nach Rumänien gefahren. Dafür gab es circa 300 Euro, keine Seltenheit, wie er sagt. Wer fährt, bekommt auch Geld dafür.

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Komisch sei es erst geworden, als der 21-Jährige Tage später wieder in Deutschland angekommen sei und Nachrichten vom Angeklagten bekommen habe. Via Facebook, aber nicht mit dessen Benutzerkonto. Während der Verhandlung übersetzt ein Dolmetscher die Nachrichten. „Hat man deine Fingerabdrücke genommen.“ „Egal was geschieht, du sollst nicht gestehen und lösche, was wir jetzt sagen.“ „Gibt es das Auto noch?“

Polizei in Rumänien kontaktiert

Der Zeuge zeigte sich in seinen Nachrichten irritiert und antwortete: „Was soll ich gestehen? Ich habe dich nur nach Hause gefahren.“ Zunächst habe er gedacht, dass mit dem VW Polo etwas nicht stimme, bis er mehrere Nachrichten bekam, die Presseberichte über die Tat beinhalteten. Sofort habe er sich an die rumänische Polizei gewandt, als er von der Fahndung nach dem Polo erfahren habe. Die Polizei in Winterberg befragte ihn kurz darauf und neue Details wurden den Ermittlern bekannt.