Messinghausen. Aus einem Steinbruch ist der Bergsee bei Brilon entstanden, in dem Sonntag ein Taucher gestorben ist. Für das Gelände gab es erst andere Pläne.
Von seinem Haus aus guckt Ortsvorsteher Andreas Sanow direkt auf die ehemalige Halde des Steinbruchs auf der Burg. Dahinter, Luftlinie vielleicht 500 m entfernt, bei der von Buschwerk und Bäumen umsäumten Kuppel liegt er, „der Blaue“. So kennt man den verborgenen Bergsee bei Messinghausen.
Woher er seinen Namen hat, wird beim Blick von der Abbruchkante hinab in den Krater deutlich. Tiefblaues Wasser funkelt in dem Kessel. Eigentlich sollte damals, in den 80ern, als der Diabas-Abbau eingestellt wurde, alles anders kommen. Damals sollte dort eine Mülldeponie angelegt werden.
Diabas, ein Eruptivgestein, hat eine besonders hohe Dichtigkeit. Was damals auf natürlichem Weg das Eindringen von Sickerwasser in den Untergrund verhindern sollte, löste nun ein allmähliches Verfüllen des aufgegebenen Tagebaus mit Niederschlagswasser auf.
Anfangs war „der Blaue“ ein Geheimtipp für pubertäre Gelage am Lagerfeuer. „Da waren damals vielleicht fünf Meter Wasser drin“, erinnert sich Andreas Sanow.
Obduktionsergebnis abwarten
Heute sind es rund 45. Taucher schwärmen von der Einzigartigkeit dieses Wassersportreviers, von der klaren Sicht bis in Tiefen jenseits von 20 m, von den schroffen Hängen des Steinbruchs und den Gimmicks auf dem Grund wie dem Wohnwagen, dem Kleinbus, dem Landungsboot oder - da gibt es Bilder - der lebensgroßen Puppe im knappen Latex-Outfit.
Umfangreiche Sicherheitsregeln
Für das Tauchen im Bergsee von Messinghausen gelten umfangreiche Regeln.
So dürfen Sporttaucher mit weniger als 100 Tauchgängen in Begleitung eines Tauchlehrers oder Dive-Masters höchstens bis zu 18 Meter Tiefe herunter.
Die Zufahrt zu dem Gelände ist massiv gesichert, entlang der Abbruchkante verläuft Stacheldraht, das Betreten ist veboten.
In den Anfangsjahren gab es immer wieder Zwischenfälle. „Wenn wir den Hubschrauber hörten, wussten wir, die holen wieder einen Taucher ab“, berichtet der Ortsvorsteher. An seinem Haus vorbei mussten auch die Rettungskräfte und die Polizei. Acht Todesfälle sind seit 1996 bekannt. Sieben fallen in die Zeit bis 2010. Jetzt am vergangenen Wochenende kam der achte hinzu.
Der 53-jährige Mainzer, der am frühen Sonntagnachmittag starb, habe beim Auftauchen Probleme bekommen. Er war offenbar ein erfahrener Taucher. Wie Holger Glaremin, Pressesprecher der HSK-Polizei sagt, habe er in seinen Papieren rund 1000 Tauchgänge nachweisen können. Für Dienstag war eine Obduktion angesetzt, um die Ursache für den tragischen Zwischenfall zu ermitteln.
Tauchschule betreibt mehrere Reviere
Zu dem Unglück am Wochenende möchte der Betreiber des Tauchreviers, Matthias Schneider vom Tauchcenter Bielefeld, angesichts der noch nicht geklärten Umstände nichts sagen. Der „See im Berg“ ist eines von sieben Tauchgebieten der Tauchschule; auch der Sorpe- und der Edersee gehören dazu.
Anfang 2015 hat Matthias Schneider die Anlage übernommen. An den Wochenenden und feiertags kann dort unter Aufsicht getaucht werden. Wie tief jemand runter darf, kommt auf seine Erfahrung und seine Nachweise an. Ansonsten droht Seeverbot.
Tauchgänge ab 40 Metern müssen bei der Aufsicht angemeldet werden. Dieser Bereich ist nicht allzu groß. Das weiß auch noch Ingo Muffert. Er hat den Steinbruch der Fa. Schneidewind zwölf Jahre lange geleitet. Etwa 15 Mann waren zu seiner Zeit dort beschäftigt und holten den für den Straßen- und Gleisbau so gut geeigneten Stein heraus. „Wie ein Korkenzieher“ habe man sich von rund 480 m Höhe Sohle für Sohle tiefer vorarbeiten müssen.
Bei Berechnung der Deponie-Kapazität verkalkuliert
Ingo Muffert: „Einen natürlichen Zugang hatte der Steinbruch ja nicht. Unten wurde es deshalb immer enger.“ Als sich der Abbau dem Grundwasserspiegel der durch Messinghausen fließenden Hoppecke näherte, gab es keine Genehmigung mehr für den weiteren Betrieb.
Und warum wurde der Steinbruch nicht als Deponie genutzt? Daran kann sich Ingo Muffert, früher für die CDU im Rat der Stadt Brilon, genauso erinnern wie sein Ratskollege und früherer Ortsvorsteher von Messinghausen, Franz-Josef Götte: Irgendwer hatte sich bei der Berechnung der Deponie-Kapazität bei den Volumen von einer Tonne Diabas und einer Tonne organischen Deponiematerials vertan.
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Deshalb kam nur noch eine Nutzung als Bauschuttdeponie in Frage. Dafür aber, so erinnert sich Franz-Josef Götte, war die Erschließung des Kessels zu aufwändig: „Bauschutt konnte man damals in jedem Steinbruch loswerden.“