Brilon. . 180.000 Euro aufs eigene Konto umgebucht: Angeklagter war erst als Betreuer tätig, dann per plötzlich aufgetauchter Vorsorgevollmacht.
Sein Mandant, sagt der ehemalige Notar, sei früher „sehr vermögend“ gewesen: „Da gab es viele Fliegen, die sich da drauf setzten.“ Jetzt ist das Geld weg. Die genaue Summe bleibt auch am zweiten Verhandlungstag vor dem Briloner Schöffengericht im Dunkeln. Dort muss sich ein 53 Jahre alter Mann wegen Untreue in einem besonders schweren Fall verantworten. 2014 soll er einem damals nicht geschäftsfähigen, heute 60 Jahre alten Mann 180.000 Euro vom gemeinsamen aufs eigene Konto übetragen und u.a. für die Tilgung seiner Hypothek und die Anschaffung eines SUV verwendet haben.
Was in den diversen Schreiben steht, über die Staatsanwalt, Verteidiger, der Angeklagte, das Opfer und ein Zeuge die Köpfe vor dem Richtertisch zusammenstecken, entzieht sich der zuhörenden Öffentlichkeit im Saal. Nur die Dialoge dringen durch. „Wissen Sie, was da drin steht?“ fragt Vorsitzender Richter Schwens das Opfer. „Nein“, antwortet der 60-Jährige. Um nach dem Lesen des Schreibens festzustellen: „Das habe ich im Leben nicht unterschrieben.“
Drei verschiedene Vorsorgevollmachten
Ende 2013 hat der Angeklagte die ehrenamtlicher Betreuung für den seit 2011 in einem Pflegeheim lebenden, am sog. Korsakow-Syndrom leidenden Mann übernommen. Wenige Wochen später präsentiert er dem zuständigen Amtsgericht eine auf ihn ausgestellte Vorsorgevollmacht aus dem Jahr 2010. Damit hebt er die Betreuung auf und lässt den Mann Anfang 2014 aus dem Pflegeheim abholen. Hals über Kopf, ohne vorher Bescheid zu sagen und ohne Kündigung, wie sich die Geschäftsführerin erinnert. Dabei sei der Mann noch gar nicht so weit mobilisiert worden, dass er in einer eigenen Wohnung hätte leben können - „Das hätte ich nie befürwortet.“
Von der auf einmal aufgetauchten, auf ein Datum vor der Erkrankung ausgestellten Vorsorgevollmacht sei im Altenheim, in dem er rund zweieinhalb Jahre verbringt, nichts bekannt gewesen, sagt die Zeugin und schmunzelt: „Sowas ist doch suspekt.“ Das Kofferpacken übernimmt ein Bekannter. Dass dieser und der Angeklagte sich bereits seit Mitte der 90er Jahre kennen, lässt in der Verhandlung aufhorchen. Damals waren beide gemeinsam therapeutisch in einem Krankenhaus tätig, dann trennten sich die beruflichen Wege.
Das spätere Opfer und der frühere Kollege des Angeklagten kommen 2008 bei einer Fortbildung in Kontakt. Das gemeinsame Interesse für Erneuerbare Energien bringt sie einander näher, man schmiedet Pläne für Investitionen in Wind- und Wasserkraft und einen Solarpark. Die Umsetzung scheitert aus verschiedenen Gründen.
Dubiose Öko-Energie-Investitionen
Im Laufe der gestrigen Verhandlung kommen nach und nach drei auf verschiedene Bekannte des Opfers ausgestellte Vorsorgevollmachten ans Tageslicht; offen bleibt bisher, ob der 60-Jährige in einem Fall die Vollmachtnehmerin überhaupt in Kenntnis gesetzt hatte.
Auch der seit März 2016 neu eingesetzte Betreuer weiß davon nichts. Den hat der 60-Jährige immer wieder nach dem Verbleib seines Vermögens gefragt. Irgendwann, so der Betreuer, habe er Hinweise auf eine Lebensversicherung über 200.000 Euro erhalten, die auf das Konto der deutschen Tochter einer ausländischen Bank ausgezahlt worden sei. „Das Geld“, sagt der Betreuer, „ist weg.“ Neben den 180.000 Euro hat der Angeklagte von Ende 2015 bis Mitte 2016 in vier Tranchen rund weitere 100.000 Euro von dem Konto des 60-Jährigen, über das er gemeinsam mit dem Opfer die Verfügungsgewalt hatte, auf sein eigenes gelenkt. Angegebener Verwendungszweck: mal „Forschungsprojekt“, mal „Wasserkraft-Projekt“.
Diese Überweisungen sind jedoch nicht Gegenstand der Anklage. Der gemeinsame Bekannte des Opfers und des Angeklagten sagt, dass der 60-Jährige „nicht mehr so richtig in der Bahn war“. Er bestätigt aber auch, zu wissen, dass der 60-Jährige dem Angeklagten 180.000 Euro zur Baufinanzierung zur Verfügung stellen wollte.
Dritter Verhandlungstag folgt
Wegen des kurzfristigen krankheitsbedingten Ausfalls einer Zeugin am Montag Tag setzte das Gericht einen weiteren Verhandlungstag an.
Dann soll auch der Leiter des Sozialpsychiatrischen Dienstes des Hochsauerlandkreises, Dr. Joachim Scholz, zum Krankheitsbild des Opfers gehört werden.
Das Opfer sagt, dass er dem Angeklagten mehrere Blanko-Unterschriften gegeben habe. Die Verteidigung präsentierte ein Testament, mit dem der 60-Jährigen den Angeklagten als Alleinerbe einsetzte. Für Irritation sorgen Schreiben, die angeblich von dem Bekannten stammen, die aber auf dem PC des Angeklagten liegen. Richter Schwens zu dem Zeugen: „Würden Sie sowas unterschreiben?“ Antwort: „Mit Sicherheit nicht.“
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