Brilon. Hat er einen Klienten wirklich um 180 000 Euro betrogen? Ein ehrenamtlicher Betreuer muss sich vor dem Schöffengericht Brilon verantworten.

Wegen Untreue muss sich seit gestern ein 53 Jahre alter Mann vor dem Schöffengericht verantworten. Er soll als ehrenamtlicher Betreuer einen 60 Jahre alten Klienten um 180 000 Euro gebracht haben. Diesen Betrag jedenfalls übertrug der Betreuer - so die Anklage - von einem Konto des 60-Jährigen, über das er als Betreuer ebenfalls verfügen konnte, auf ein eigenes.

Zwei Monate später tilgte der Angeklagte von diesem Konto das rund 75 000 Euro hohe Restdarlehn für sein Haus, und einige Wochen später erwarb er auf dem gleichen Weg für rund 28 000 Euro einen gebrauchten SUV.

Hauptamtliche Betreuerin sagt eineinhalb Stunden aus

Nachdem das Gericht gut anderthalb Stunden lang die gesetzliche hauptamtliche Betreuerin vernommen hatte, die sich vor Einschalten des ehrenamtlichen Betreuers um den Klienten gekümmert hatte, blieben für den Vorsitzenden Richter Hans-Werner Schwens viele Fragen offen: „Die Sache ist noch nicht richtig rund. Da hätte noch einiges ermittelt werden können. Das müssen wir jetzt machen.“ Das soll mit zusätzlichen Zeugen geschehen..

Auf Anraten seines Anwalts machte der Angeklagte gestern noch keine Angaben. Seine als Zeugin geladene Ex-Frau sagte ebenfalls nicht aus; sie machte von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch.

Seit einem Sturz unter Betreuung

Seit 2011 steht der 60-Jährige unter Betreuung. Damals war er, allein lebend, in seiner Wohnung gestürzt und in einem, so die damals gerichtlich eingesetzte Berufsbetreuerin, „in einem sehr schlechten Zustand“. Nicht nur körperlich. Bei dem 60-Jährigen wurde das Korsakow-Syndrom festgestellt - eine durch langjährigen Alkoholmissbrauch ausgelöste Gedächtnis- und Wahrnehmungsstörung. „Welches Datum haben wir heute?“ wollte Richter Schwens wissen. Schulterzucken. „Welches Jahr?“ Schulterzucken. In groben Zügen kann der Mann sich an Einzelheiten aus seinem Leben erinnern. Dass er mehrere Montag Entwicklungshilfe in Pakistan und Südamerika geleistet habe, dass er eine Zeitlang verheiratet war, was er als Ingenieur beruflich gemacht hat.

Mit Mitte 50 den Beschuldigten kennen gelernt

Heute „lebt er in anderen Welten“, sagte die ehemalige Berufsbetreuerin. Nach dem Krankenhausaufenthalt habe sich keine passende Pflegeeinrichtung für ihn finden lassen, so dass er mit Mitte 50 auf einem Doppelzimmer in einem Altenheim landete. Dort traf er einen Bekannten von früher wieder, und der packte ihn bei seinen Träumereien. Die Betreuerin über ihren ehemaligen Klienten: „Er sah sich als Geschäftsmann. Mit der richtigen Ansprache konnte man ihn haben.“ Der Bekannte erzählte ihm von lukrativen Investitionen in Windkraft, doch da spielte die Betreuerin nicht mit: „Ich darf nur mündelsichere Verträge schließen.“ Über den Bekannten kam der Angeklagte, ein auf verschiedenen Terrains im Gesundheitswesen tätiger Fachpfleger, ins Spiel. Ihr Klient, sagte die Zeugin, „wollte einen Betreuer haben, der seine Visionen teilt“.

Vollmacht aus 2010 gibt Rätsel auf

Ende 2013 wechselte die Betreuung. Rätsel gab gestern eine Vorsorgevollmacht für den Angeklagten auf, die aus dem Jahr 2010 stammt. Da kannten sich die beiden angeblich noch gar nicht. Mit dieser Vollmacht ließen der Angeklagte und sein Klient die Betreuung aufheben, was den Zugriff auf das Konto ohne gerichtliche Kontrolle ermöglichte. Fortsetzung folgt.

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