Konflikt: Koreas internationales Bild wird von einem Thema beherrscht. Die Olsbergerin konnte jedoch auch seine Vielseitkeiten kennenlernen.
Brilon/Pyeongchang. Mit 20 Jahren zu den Paralympics nach Pyeongchang: Marie Menke aus Olsberg berichtete für eine Beilage zum Tagesspiegel aus Südkorea. Sie war eine von zehn Nachwuchsjournalistinnen, die der Tagesspiegel zu den Paralympics schickte. Die 20-jährige berichtet schon lange für die Junge WP und studiert Medien, Politik und Gesellschaft in Bonn.
„Korean Wave“ schwappt in die ganze Welt
K-Pop steht für „Koran Popular Music“, also koreanische Popmusik. Mit der „Korean Wave“, der „Koreanischen Welle“, scheint sie nun in die ganze Welt zu schwappen.
Der Titel „K-Pop“ bezieht sich dabei nicht zwingend auf die Herkunft der Bands, sondern viel mehr auf die Sprache der Songs. Streng genommen fallen Songs südkoreanischer Bands, die auf englisch fallen, daher nicht darunter.
Entdeckt werden die meisten südkoreanischen Popstars durch Talent-Agenturen: Diese bieten auch Tanz- und Gesangsunterricht an. Wer gut ist, der bekommt später einen Platz in einer der Bands.
Ein Pendant dazu haben auch andere Länder: J-Pop steht zum Beispiel für japanische Popmusik.
Als die ganze Welt 2012 „Gangnam Style“ tanzte, rückte Südkorea in die westliche Popkultur. Die „Korean Popular Music“, kurz K-Pop, präsentiert das Land von seiner bunten und mitunter schrägen Seite: Kostüme, Videos und Songs sind ähnlich schrill wie die Straßen der Hauptstadt Seoul. Die Bands fassen allmählich international Fuß - wie zahlreiche Unternehmen, darunter Hyundai und Samsung, es längst geschafft haben.
Koreas Seiten
Südkorea hat jedoch viele Seiten. Der olympische und paralympische Austragungsort Pyeongchang ist eine Welt aus Schnee und Eis, die Ostküste lockt hingegen mit traumhaften Stränden, Tempeln und Buddhastatuen. In diesem Land kann alles sprechen: „Ich muss mich aufladen“, bemerkt so der Staubsauger und fährt automatisch zurück zur Steckdose.
Auch der Reiskocher im Hotel versucht, auf koreanisch mit den Gästen zu kommunizieren, und in touristischen Parks stehen Holzsäulen mit Mikrofonen, aus denen vorwiegend Frauenstimmen erklären, was es zu sehen gibt.
Respekt wird groß geschrieben
Die Kultur prägt der Konfuzianismus und Respekt wird groß geschrieben. Wer lächelnd grüßt, dem wird mit einer Verneigung geantwortet; wer bei der Annahme von Essen, Getränken oder Geschenken besonderen Dank ausdrücken möchte, nimmt diese mit beiden Händen an – niemals aber allein mit der linken Hand. Auch sich die Nase bei Tisch zu putzen gilt als unhöflich.
So vielfältig Korea auch ist, so extrem wird das internationale Bild des Landes von einem einzigen Thema beherrscht: dem Konflikt mit dem Norden. Zwischen den Ländern verläuft seit der Teilung eine vier Kilometer breite demilitarisierte Zone. Auf südkoreanischer Seite ist deren Grenze mit Militärstützpunkten versehen, einige von ihnen sind Touristen zugänglich.
Es wirkt absurd
Durch Fernrohre lassen sich von einer Aussichtsplattform aus Berge in der Ferne erkennen, die zu eben der Diktatur gehören, wegen der mitunter die ganze Welt den Atem anhält. Neben den Fernrohren werden pink angemalte, winkende Plastikkatzen an Touristen verkauft. Allein das wirkt so absurd, dass Nordkorea sich auch hier unfassbar fern anfühlt, egal wie nah es in diesem Moment sein mag.
Südkoreanische Politik ist mehr als dieser Konflikt, aber er prägte die Spiele. Während der Eröffnungsfeier der Paralympics bejubelten südkoreanische Fans den Einzug Nordkoreas: Die Hoffnung auf eine mögliche Wiedervereinigung war lebendig. Abgesehen davon lassen die Spiele das Weltgeschehen jedoch nur selten an sich heran. Es ist dem Sport gutzuschreiben, dass er es schaffte, Länder wie USA, Nordkorea und den Iran in einem Stadium friedlich zu vereinen.
Kein Ausweg nach Ankunft
Wer aus dem Ausland nach Südkorea fliegt, landet meist in Incheon an der Westküste. Einmal dort ist es aufgrund der geschlossenen Grenze zu Nordkorea nicht möglich, die Halbinsel auf dem Landweg zu verlassen: An weitere Länder grenzt Südkorea nicht. Pyeongchang selbst liegt im Osten und zählt nur 9 940 Einwohner. Die Gegend war zuvor unter einheimischen Skifahrern bekannt, zahlreiche Pensionen jedoch verfallen, kaum Supermärkte vorhanden.
Daher wurden Hotels aufgerüstet, Filialen bekannter Supermarktketten aus dem Boden gestampft. Dahinter erstrecken sich schmale Hochhäuser, einsame Felder und leere Hütten. Die Gegend ist deutlich ärmer als die Metropole Seoul. Das Hyundai Research Institute rechnet Südkorea Wirtschaftswachstum aufgrund der Spiele aus; das Internationale Olympische Komitee fürchtet Kritik, sollte ein weiteres ehemaliges Stadion verwahrlosen.
Fünfjähriger Sitzstreik gegen
Das ist jedoch nicht der einzige Kritikpunkt. Zum einen mussten seltene und alte Bäume einer Skipiste weichen und rufen Naturschützer auf den Plan. Zum anderen fand in Seoul bis Mitte 2017 ein fünfjähriger Sitzstreik statt, um auf Diskriminierung von Menschen mit Behinderung aufmerksam zu machen - nun richtete Südkorea die Paralympics aus.
Die Regierung versucht, mit einer Quotenreglung Menschen mit Behinderung an den Arbeitsplatz zu holen; Organisationen kämpfen unter anderem für rollstuhlgerechtere Wege. Menschen mit Behinderung kennt das Straßenbild dennoch kaum.
Zwischen sprechenden Staubsaugern und eindrucksvollen Tempeln versteht es Südkorea zu faszinieren. Die Spiele haben es einmal mehr in den Mittelpunkt der globalen Aufmerksamkeit gerückt – zurecht, denn Südkorea ist mehr als der Konflikt mit dem Nachbarn. Nicht minder spannend ist, wie es auf die neuen Impulse, den Ruhm, die zahlreichen Touristen und Forderungen nach Inklusion und Naturschutz reagieren wird.