Arnsberg/Winterberg. . Eine Psychologin berichtet am dritten Verhandlungstag gegen eine Mutter aus dem Raum Winterberg von hochgradig traumatisierten Kindern.

Es sind erschütternde Details, die die Diplom-Psychologin und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin am Freitagmorgen vor Gericht schildert. Sie hat Gespräche mit einigen Kindern der zehnfachen Mutter geführt.

Körperliche Gewalt durch den Vater?

Sie habe dabei hochgradig traumatisierte Kinder mit Schuldgefühlen kennengelernt, die von körperlicher Gewalt durch den Vater berichtet hätten. Die Älteren, aber auch junge Geschwister hätten demnach die "nicht altersgerechte Aufgaben" von Erwachsenen übernehmen müssen. Nicht nur der älteste Sohn habe demnach genau gesehen, wie sich der Zustand seiner kleinen Geschwister verändert habe. Auf das Faxenmachen der Geschwister sollen sie nicht mehr reagiert haben, deutliche Veränderungen in ihren Gesichtern habe er wahrgenommen. Die Kleinen hätten viel geweint und nicht mehr gelacht...

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Es scheint heute ein langer dritter Prozesstag vor dem Arnsberger Schwurgericht zu werden. Angeklagt ist nach wie vor die zehnfache Mutter, der die Staatsanwaltschaft Körperverletzung mit Todesfolge und vorsätzliche Körperverletzung vorwirft. Die 40-Jährige soll zwei ihrer Kinder nicht ausreichend mit Nahrung und Flüssigkeit versorgt haben. Der Zweijährige starb in einem erbärmlichen Zustand mit nur noch 6550 Gramm Gewicht; die neunmonatige Schwester wurde in letzter Sekunde gerettet.

Erste Risse entstanden

Das am ersten Verhandlungstag entstandene Bild der fürsorgenden Mutter bekam gestern Risse. Was die Sachverständige in ihrem familienrechtlichen Gutachten als Fazit schildert, ist ernüchternd. "Das kleine Mädchen konnte nicht erwarten, dass sich jemand feinfühlig und zeitnah um seine Bedürfnisse kümmerte", sagt die Psychologin. Von "nicht angemessener Zusprache seitens der Bezugsperson" ist die Rede. Die Rahmenbedingungen, in denen das Kind gelebt habe, seien deprimierend gewesen.

Nur drei Monate nach dem Aufenthalt in der Pflegefamilie sei das Kind hingegen nicht mehr wieder zu erkennen gewesen. Es habe gegessen und aktiv seine Umwelt wahrgenommen. Es habe aber verspannt und abwehrend reagiert, wenn die richtige Mutter bei einem Besuch den Raum betreten habe. "Das Mädchen hat damals aufgehört zu schreien, weil es davon ausgehen musste, dass auf keines seiner Signale reagiert würde", so die Sachverständige.

Bewusster Vorsatz oder Überforderung?

Für Verteidiger Stephan Lucas sind die Ausarbeitungen der Psychologin lediglich hypothetisch und die Rückschlüsse "plakativ, voreilig und tendenziös". Die Familiensituation werde überhaupt nicht vollständig berücksichtigt. Es sei gar nicht klar abgrenzbar, welche Rolle der Kindsvater in der Erziehung gespielt habe. Selbst wenn hier eine Vernachlässigung vorläge, sei doch überhaupt nicht klar, ob ein bewusster Vorsatz oder eine Überforderung seiner Mandantin vorgelegen habe und wer für Erziehung verantwortlich sei. "Warum ist die Erziehungsfähigkeit des Vaters nicht überprüft worden?"

Die Sachverständigen waren schließlich zu dem Urteil gekommen, dass die Mutter nicht erziehungsfähig ist und dass auch keine ambulante Hilfe dies gewährleisten könne. Die Kinder wurden daraufhin in Pflegefamilien untergebracht. Gegen ausdrückliche Empfehlung der Gutachter sind zwei Kinder aber wieder bei der Mutter.

Heute sollen u.a. noch weitere Gutachter und der langjährige Lebensgefährte der Angeklagten und Vater der neun Kinder gehört werden.