Arnsberg/Winterberg. . Vor dem Schwurgericht in Arnsberg hat am Mittwoch der Prozess gegen eine Mutter begonnen, die zwei Kinder nicht ausreichend versorgt haben soll.
- Staatsanwaltschaft wirft Mutter Körperverletzung mit Todesfolge vor
- 40-jährige zeichnet von sich das Bild einer fürsorglichen Mutter
- Gerichtsmediziner sieht Mangelernährung als Grund für Tod eines Zweijährigen
Das Bild, das sie von sich selbst zeichnet, ist das Bild einer fürsorglichen Mutter, die alles für ihre Kinder tut. Alles. Umso schwerer wiegen die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft: Die zehnfache Mutter soll zwei ihrer Kinder nicht ausreichend mit Nahrung und Flüssigkeit versorgt haben. Ein zweijähriger Sohn starb, die neun Monate alte Schwester konnte noch in letzter Sekunde gerettet werden.
Seit Mittwoch, 6. September, muss sich die 40-jährige Frau zum zweiten Mal vor einem Gericht verantworten. 2016 war sie wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung angeklagt. Das Medebacher Amtsgericht trat den Fall jedoch ab, weil es einen gewissen Vorsatz nicht ausschließen will und Körperverletzung mit Todesfolge unterstellt. Damit ist das Landgericht zuständig
Viele Zeugen werden gehört
Vor dem Schwurgericht (besetzt mit drei Berufsrichtern und zwei Schöffen) kommen viele Zeugen zu Wort, die auch in Medebach schon ausgesagt haben. Die drei Polizeibeamten, die die Mutter unmittelbar nach dem Tod des Kindes vernehmen und berichten, dass die Frau „ungewöhnlich gefasst“ gewesen sei. Ein Kripobeamter schildert seinen Besuch in der Winterberger Wohnung: „Die Zimmer der Kinder hatten Wohlfühlcharakter. Aber nach und nach musste ich feststellen, dass die Frau wusste, wie sie mit Behörden umzugehen und sich als gute Mutter darzustellen hat“, so der 66-Jährige Beamte im Ruhestand. Die Kühlschränke seien so voll gewesen, dass sich das eine zehnköpfige Familie eigentlich gar nicht hätte leisten können. Er glaubt, dass sie am Tag seines Besuches nur zur Schau gefüllt waren.
Hintergrund
Neben der Angeklagten kommen drei Polizeibeamte, eine Toxikologin und der Rechtsmediziner zu Wort. Der Bruder der Angeklagten muss den Saal verlassen, weil er als Zeuge in Frage kommen könnte - ebenfalls die Mitarbeiterin einer Jugendhilfeeinrichtung.
Die Jugendamtsmitarbeiterin, die sich nach Ansicht des Medebacher Amtsgerichtes nicht ausreichend um die Familie in Winterberg gekümmert haben soll, verurteilt wurde und deren Berufungsverfahren noch aussteht, macht von ihrem Recht Gebrauch, in dem Prozess nicht als Zeugin auszusagen. Die Mutter der Kinder hatte dasselbe Recht für sich beim Prozess gegen die Sozialarbeiterin in Anspruch genommen.
Es soll noch geklärt werden, ob bei den Geschwisterkindern Erkrankungen vorliegen, die für Störungen bei Nahrungs- oder Flüssigkeitsaufnahme sprechen.
Anders die Angeklagte: Vier Kinder habe sie jeden Morgen schulfertig gemacht, dann drei für die Tagesmutter. Keines sei ohne Frühstück aus dem Haus gegangen. Es habe Brot, Gemüse, Obst, Tee, Kakao und Cornflakes gegeben. Die beiden Kleinen seien bei ihr geblieben. Das Mädchen habe seinen Brei gelöffelt, der Junge hier und da auch mal Brot. Er habe aber Schwierigkeiten beim Schlucken gehabt. Große Esser seien beide nicht gewesen, von Unterernährung könne keine Rede sein.
Außer Kontrolle geraten
Im Februar - die Kinder seien häufig krank gewesen- sei „das Ganze außer Kontrolle geraten“. Noch am Abend vor dem Tod des Jungen habe sie ihn gebadet und nichts Auffälliges bemerkt. Am nächsten Morgen brachte sie ihn in eine Kinderklinik. Zu spät. Erst beim Prozess in Medebach sei ihr der Zustand der Kinder beim Anblick der Fotos bewusst geworden. „Da habe ich mich selbst erschrocken. Aber ich würde doch meinen Kinder nichts antun!“
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Rechtsmediziner Dr. Ralf Zweihoff gibt noch einmal detailliert Auskunft über den Zustand des verstorbenen Jungen. Demnach waren die Skelettkonturen auffällig erkennbar; das Kind habe deutliche Anzeichen von Mangelernährung gezeigt. Nach dem Ausschlussverfahren gebe es seiner Meinung nach keine andere Todesursache als Mangelernährung. Untersuchungen auf Viren oder Bakterien ließen auch keinen Schluss auf einen Magen- und Darminfekt zu.
Verteidiger Stephan Lucas
Verteidiger Stephan Lucas gefällt es nicht, dass die Zeugen der Frau ihre Trauer nicht abnehmen. „Es gibt keine Regeln, wie Hinterbliebene oder Opfer auf tragische Situationen reagieren müssen. Wenn wir zu dem Schluss kommen, dass die Mutter nicht den Vorsatz hatte, dass es ihren Kindern schlecht geht, dann bleibt die Frage, ob überhaupt etwas juristisch Vorwerfbares bleibt.
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