Hochsauerland. . Wenn Vereine nicht jedem offen stehen, sind sie nicht gemeinnützig, sagt der Bundesfinanzhof. Was bedeutet das Schützen oder Frauenchöre?

  • Urteil des Bundesfinanzhofes in Sachen Gemeinnützigkeit könnte auch Schützen betreffen
  • Streng genommen wären auch reine Frauen- oder Männerchöre ein Ausschlusskriterium
  • Heimische Vereine sehen der Diskussion gelassen entgegen

Freimauerei ist reine Männnersache. Und wer das andere Geschlecht generell außen vorlässt, der kann nicht gemeinnützig sein. So lautet - vereinfacht gesagt - der Beschluss des Bundesfinanzhofes, der den Freimaurern ihre Gemeinnützigkeit und damit gewisse Steuervorteile abgesprochen hat (WP berichtete).

Freimaurer-Bünde existieren bei uns zwar nicht (der nächste ist in Arnsberg), aber auch im Altkreis Brilon gibt es Vereine, die sehr geschlechterspezifisch aufgestellt sind. Als erstes fallen einem da die Schützenvereine ein.

Kreisschützenoberst glaubt nicht an Auswirkungen

Kreisschützenoberst Rüdiger Eppner aus Hallenberg glaubt aber nicht, dass dieses Urteil tatsächlich Auswirkungen auf die 67 Mitgliedsvereine bzw. -bruderschaften haben wird. „Die Diskussion hatten wir ja 2016 schon einmal mit dem damaligen NRW-Finanzminister Walter-Borjans, der dann auch später eingelenkt hat.“ Er könne sich nicht vorstellen, dass man gleichermaßen auch ernsthaft einem Frauenchor die Gemeinnützigkeit aberkennen wolle, weil dort nur Frauen mitsingen. „Man sollte jedem Verein eigenständig zugestehen, wie er mit solchen Dingen umgeht.“ Sollte es in einem Verein oder einer Bruderschaft eine Mehrheit dafür geben, Frauen als Mitglieder zuzulassen, dann sei das eine Frage des jeweiligen Vereins.

Schlussendlich, so Eppner weiter, seien Frauen ja auch im Schützenwesen nicht ausgeschlossen, sondern aus der Tradition heraus auf ihre Art in die Vereine mit eingebunden. „Was wäre ein Schützenfest ohne Königin oder ohne den Hofstaat? Frauen gehören doch wohl dazu.“

In Gudenhagen ist das keine Frage

Selbstverständlich verdiene ein Schützenverein das Prädikat der Gemeinnützigkeit – dies sei nicht allein durch die intensive Jugendarbeit, sondern auch durch anderweitiges Engagement im Ort belegt. Aktuell würden sich aber viele Vereine, so Eppner, mit ihren Satzungen beschäftigen und genau an der Stelle zum Teil redaktionelle Nachjustierungen vornehmen. „Ein Aspekt der Gemeinnützigkeit ist zum Beispiel auch die klar formulierte Regelung, was mit dem Vermögen des Vereins passiert, falls er sich einmal auflöst. An der Tatsache, dass unsere Schützenvereine gemeinnützig sind, ändert das aber nichts.“

850 gemeinnützige Vereine eingetragen

Im Altkreis Brilon gibt es rund 850 eingetragene Vereine, deren Gemeinnützigkeit das Finanzamt anerkannt hat. Es sei die „absolute Ausnahme“, so Amtsvorsteher Franz-J. Brüggemeier, dass Satzungen Anlass für eine Nachfrage böten.

Dass einem der heimischen Vereine die Gemeinnützigkeit entzogen wurde, ist ihm nicht bekannt. Zwar dürfen die Mitarbeiter der Finanzbehörde von Rechts wegen keine Steuerberatung vornehmen, „hilfsweise“ jedoch, so Brüggemeier, würde man Fragen selbstverständlich beantworten: „Das ist ein Spagat.“

Man betrachte dies als Service für die in der Regel ehrenamtlich tätigen Steuerrechts-Laien, die in den Vereinen die Buchführung vornehmen. Mit dem Thema Gemeinnützigkeit von Vereinen als solches müsse man „sehr sorgfältig mit umgehen“.

Der Heimat- und Schützenverein Petersborn-Gudenhagen steckt gerade mitten in den Schützenfest-Vorbereitungen für dieses Wochenende und kann dieser Diskussion entspannt entgegen sehen, sagt Oberst Ulrich Becker. Bereits seit der Gründung 1956 werden auch Frauen in den Verein aufgenommen und seien teilweise auch im Vorstand aktiv gewesen: „Unser Verein steht jedem offen - ohne Frauen geht es bei uns auch gar nicht.“ Vor allem ältere Frauen, die alleinstehend seien, würden aktiv auf eine Mitgliedschaft angesprochen, um sie ins Vereinsleben wie u.a. den Seniorenkaffee einzubeziehen: „Das ist für uns Gemeinschaftspflege“, so Becker.

Theoretisch dürften die Schützenschwestern in Petersborn-Gudenhagen auch den Vogel schießen, aber bisher habe sie unter der Vogelstange nach vereinzelten Schüssen dann doch immer der Mut verlassen. In den Schießrichtlinien sei geregelt, dass eine erfolgreiche Schützin sich in diesem Fall einen König als Mitregenten nehmen müsse. Dass die meisten Schützenvereine reine Männerdomänen seien, sieht Ulrich Becker kritisch: „Die Schützenbruderschaften sollten sich in dem Punkt öffnen.“

Kommentar: Was ist Gemeinnützigkeit?

Ein gemeinnütziger Verein hat das Ziel, das Wohl der Gemeinschaft zu fördern. Und dafür bekommt er steuerliche Vorteile. Punkt. An dieser Stelle sollte die Definition von Gemeinnützigkeit eigentlich enden. Denn was danach kommt – dass der Verein dafür auch jedem offen stehen muss – hat nichts mehr mit Gemeinnutz zu tun. Eine alpine Klettergruppe ist auch nicht gut beraten, einen 85-Jährigen in ihrer Seilschaft mitzunehmen, nur weil sie jeden aufnehmen muss.

In einer im Vereinsregister eingetragenen Jazztanz-Formation für Frauen würde ich mich als Mann eher unwohl fühlen. Wenn die Damen aber jede Menge fürs Dorf täten, Spenden sammelten und sich auch sonst engagierten, hätte ich kein Problem damit, ihnen eine Gemeinnützigkeit zu attestieren. Oder anders gesagt: Nur weil ich als Mann nicht mittanzen möchte oder darf, würde ich ihnen doch nicht den Allgemeinnutzen absprechen wollen. Rein formell müssten die Jazztänzerinnen in ihrer Satzung nur schreiben „Mittanzen kann jeder“ und sie wären aus dem Schneider.

Gleiches gilt für Frauen- und Männerchöre oder für Schützen. Mal ehrlich: welcher Mann möchte partout im Frauenchor singen? Jeder kann es, weil es die Satzung gar nicht verbietet, aber niemand tut es. Und bei den Schützen? Ja, vielleicht könnten gewachsene Strukturen überdacht werden. Und wenn es die Finanzrichter glücklich macht, könnten auch die Schützen jedem die Mitgliedschaft ermöglichen, der sich dafür interessiert. Eine Frage der Gemeinnützigkeit ist das aber nicht. Thomas Winterberg

„Jede juristische Person“

Das Urteil des Bundesfinanzhofes betrifft aber nicht nur Schützen, sondern auch Männer- bzw. Frauenchöre. „Ich glaube, das Ganze wird nicht so heiß gegessen wie gekocht“, sagt Anneliese Ortmann. Sie ist Vorsitzende des ChorVerbandes Altkreis Brilon und des Gemischten Chores Altenbüren. Jeder Verein habe seine Satzung und die ist - egal ob Männer- oder Frauenchor - eher geschlechtsneutral formuliert. So besteht z. B. ein Männergesangverein „aus singenden und fördernden Mitgliedern“. Das kann „jede natürliche und juristische Person sein, die die Bestrebungen des Chores unterstützen will - ohne selbst zu singen“.

Knüppel vor die Beine werfen

Heißt im Klartext: Im Männergesangverein könnte jede Frau mitmachen und im Frauenchor jeder Kerl. Die spitzfindigen Juristen des Bundesfinanzhofes würden sich die Zähne ausbeißen, denn das Wort „Mann“ oder „Frau“ kommt in der Satzung gar nicht erst vor. Dass die Realität anders aussieht, steht auf einem anderen Blatt. Anneliese Ortmann sieht der Diskussion gelassen entgegen: „Wenn ein Mann im Frauenchor Mitglied werden will - was soll’s? Dann nehmen die Frauen ihn halt auf und er spielt am Ende bei ihnen Klavier!“

In der Satzung der Winterberger Schützengesellschaft steht hingegen ausdrücklich, dass nur „männliche Personen“ Mitglied werden können. Bastian Östreich als 2. Vorsitzender hofft dennoch, dass die jetzige Diskussion im Sande verläuft: „Man macht so viel ehrenamtlich, wird in Grußworten gelobt und bekommt dann doch immer wieder von oben Knüppel vor die Beine geworfen.“

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