Altkreis. . Finanzminister Walter Borjans rudert beim Vorstoß des Finanzamtes Meschede zur Aberkennung der Gemeinnützigkeit zurück. In den Schützenbruderschaften im Altkreis engagieren sich seit Jahren auch Frauen.

„Ach hilf! Ach hilf! Sebastian!“ So heißt es in einem alten Sebastianslied. Gestern, zum Namenstag des Schutzpatrons vieler Schützen, dürfte der Hilferuf in Richtung Düsseldorf gegangen sein. Und dort ist er nicht einfach verhallt. Denn der Finanzminister rudert zurück, und zwar komplett.

Noch am Dienstag wurde den Schützenvereinen und -bruderschaften mit der Aberkennung der Gemeinnützigkeit gedroht, wenn sie nicht auch Frauen in ihren Reihen aufnehmen. Diese Nachricht des Finanzamtes Meschede, die mit den Behörden in Arnsberg und Brilon abgestimmt war, hatte die meisten kalt erwischt.

Gestern Nachmittag dann klare Worte vom Finanzminister: „Traditionsvereine wirken im Regelfall weit über ihre Mitgliedschaft hinaus. Deshalb dienen sie der Allgemeinheit und erfüllen die Anforderungen an die Gemeinnützigkeit. Damit ist das Thema für mich vom Tisch.“

Sinneswandel

Klare Worte, denen der Minister aber noch hinzufügt: „Dass es nach Auffassung vieler nicht mehr in eine aufgeklärte Zeit passt, wenn Frauen in einem Verein zur Förderung und Pflege von Kultur und Tradition die Mitgliedschaft verwehrt wird, steht auf einem anderen Blatt. Über einen wünschenswerten Sinneswandel sollte jedoch eine offene Debatte entscheiden und nicht die Finanzverwaltung.“

Also, lieber Herr Minister. Wir haben doch schon Vereine, die ganz fortschrittlich aufgestellt sind. Beispiel Langewiese: Als sich 1974 – 100 Jahre nach Vereinsgründung – niemand fand, der am Montag des Schützenfestes den Geck abschießen wollte, animierte der damalige Vorsitzende einige Damen, es den Männern doch einmal zu zeigen. In dem Jahr wurde eine Frau Vizekönigin und die Frauen beschlossen, einen eigenen Damenpokal einzuführen. Der wird mittlerweile an jedem Schützenfest-Montag geschossen. Und die Siegerin marschiert im Festzug mit – in grüner Jacke und weißem Rock als Pendant zu grüner Jacke und weißer Hose.

„Frauen sind bei uns gleichberechtigte Mitglieder. Sie dürfen ganz regulär in der Generalversammlung mit abstimmen, wenn es um Baumaßnahmen oder um den Bierpreis geht, vier von ihnen gehören zum Vorstand“, sagt Andreas Schlüter, der jahrelang Sprecher des Vereins war. Rund 450 Mitglieder haben die Langewieser Schützen, etwa ein Drittel sind Damen. Was in Langewiese selbstverständlich ist, wird aber hin und wieder in anderen Orten noch mit einem Naserümpfen quittiert. So soll es bei den Kreisversammlungen ein ganzes Weilchen gedauert haben, bis nicht nur die „Schützenbrüder“, sondern auch die „Schwestern“ offiziell begrüßt wurden.

Ein eigenes Fest

Auch der 1950 gegründete Heimatverein Altenbrilon hätte der Androhung der Finanzbehörde gelassen entgegen gesehen. Von den 530 Mitgliedern sind rund 250 weiblich. „Wir sind da sehr offen“, sagt Vorsitzender Ralf Pieper. Frauen machen beim regulären Schützenfest zwar den Männern nicht den Kampf um die Königswürde streitig. Dafür gibt es aber seit drei Jahren ein eigenes Fest, bei dem die Sommerkönigin ermittelt wird. „Und die nimmt sich dann ihren Gatten oder Freund zum Mitregenten“, sagt Pieper. Bei diesem Fest stehen dann auch die Frauen am Grill oder am Zapfhahn. „Die Frauen haben uns Männern gesagt: Ihr macht schon jede Menge, lasst uns mal ran, dann könnt ihr mal vor und nicht nur hinter der Theke stehen“, sagt Pieper. Zurzeit haben Frauen in Altenbrilon noch keinen Vorstandsposten inne. „Ich wüsste nicht, was dagegen spräche.“

Von „Personen, die Mitglied werden können“ ist in der Satzung der Medebacher St.-Sebastianus-Bruderschaft die Rede. Und damit wäre den ursprünglichen Anforderungen des Fiskus vermutlich Genüge getan. „Bei uns sind fünf Frauen Mitglied der Sportschützenabteilung allein schon wegen der Haftpflichtversicherung“, sagt Hauptmann Josef Schreiber. Er sieht in dem ersten Schreiben nur wieder einen Versuch, den Vereinen das Leben schwer zu machen. Ganz ähnlich äußert sich Ulrich Becker, Vorsitzender des Heimat-Schützenvereins Gudenhagen. Er kritisiert solche Pläne, obwohl sein Verein in dieser Sache keine Konsequenzen zu fürchten hätte. Seit der Vereinsgründung 1956 sind in Gudenhagen Frauen im Verein und haben sich auch im Vorstand engagiert. „Etwa ein Drittel unserer Mitglieder sind weiblich“, so Becker.

Wenig Verständnis für den verworfenen Vorstoß der heimischen Finanzverwaltung hat auch Monika Rohleder aus Braunshausen, wo es seit einigen Jahren ein Frauenvogelschießen gibt. Ihr Mann ist Hauptmann der St.-Antonius-Schützen: „Wir haben darüber am Mittwochmorgen kopfschüttelnd in der Zeitung gelesen. Ich finde, wir haben doch wirklich genug andere Probleme.“ Eine Meinung, die übrigens auf Facebook mehrere Leser teilen. Die Braunshausenerin findet es klasse, dass es das Frauenvogelschießen gibt, eine Mitgliedschaft für Frauen bei den Schützen findet sie aber überflüssig. Sie verweist auf viele Verbände, in denen die Frauen mitmachen können wie zum Beispiel kfd, Landfrauen oder die Caritas.

Marianne Becker hat im vergangenen Jahr beim Frauenvogelschießen in Esshoff ihre Treffsicherheit unter Beweis gestellt und den Vogel abgeschossen. Die Scharfenbergerin kann nicht so ganz nachvollziehen, dass man jetzt plötzlich „so ein Fass aufmacht“. „Ich fühle mich nicht diskriminiert, wenn ich in einer Schützenbruderschaft kein Mitglied werden kann. Ich finde, aus dem Namen geht ja schon hervor, dass es sich dabei um eine Männergesellschaft handelt. Und in der kfd machen ja auch keine Männer mit.“