Hallenberg. . Freilichtbühne Hallenberg hat Jubiläum. Musical „Maria Magdalena“ feiert Welturaufführung. Verband setzt auf Nachwuchsarbeit und soziale Kompetenz.

Das Heu war trocken, der Vater wütend. Denn im Stall stand nicht eine einzige Kuh, um sie vor den Karren zu spannen. Die heute 86-jährige Maria Winter und ihre Brüder hatten sich das Vieh ausgeliehen. „Das Geröll musste aus dem Steinknäppchen geschafft werden. Und Äste aus dem Wald brauchten wir zur Dekoration“, erinnert sich die rüstige Seniorin. So war das vor 70 Jahren, als der Burschenverein sein 200-jähriges Bestehen feierte. Aus diesem Anlass spielte er in einem Steinbruch das Epos „Dreizehnlinden“. Es war die Geburtsstunde der Freilichtbühne.

„Gemeinschaft und Zusammenhalt“ - das sind die Zauberworte für den Erfolg des Hallenberger Freilufttheaters. Fast 2000 Aufführungen wurden seitdem gespielt. Mehr als 1,5 Millionen große und kleine Zuschauer probierten’s im „Dschungelbuch“ mit Gemütlichkeit, machten Urlaub im weißen Rößl oder streuten – wie Eliza Doolittle in „My fair Lady“ – lahmen Gäulen Pfeffer in den Allerwertesten. Allein die Passion, die seit 1950 alle zehn Jahre gespielt wird, zog mehr als 250 000 Besucher in die 4500-Einwohner-Stadt. Doch der Erfolg ist der Bühne nicht einfach so in den Schoß gefallen. „Das Publikum ist kritischer und anspruchsvoller geworden. Auch heute können wir uns nicht auf unseren Lorbeeren ausruhen“, sagt Heribert Knecht. Der 65-Jährige ist Urgestein der Bühne, war 40 Jahre lang ihr Sprecher und ist Präsident des Verbandes Deutscher Freilichtbühnen.

Das Buhlen um den Nachwuchs

Sorge bereitet ihm vor allem der viel zitierte demografische Wandel. Gerade in kleinen Städten werden die Vereine künftig um potenzielle Liberos, Sänger, Schützen oder eben Schauspieler buhlen, um einen Spielbetrieb überhaupt noch zu ermöglichen. „Es kann nur der gewinnen, der das beste Angebot macht. Vorher muss es uns aber gelingen, den jungen Leuten vor Ort auch berufliche Perspektiven aufzuzeigen, damit sie erstmal hier bleiben oder eben nach einem Studium wieder zurückkommen.“ Auch dafür legt die Bühne wichtige Fundamente. Wer sich in das soziale Gefüge eines Ensemble einreiht, der erwirbt unweigerlich soziale Kompetenzen, kann sich unterordnen, weiß was Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit bedeuten. Er lernt aber auch gegenseitige Wertschätzung, Rücksichtnahme, Kooperation und Selbstvertrauen kennen. Denn wer bringt schon den Mut auf, sich vor 1500 Zuschauern zu produzieren?

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Die in den Anfangsjahren noch als Laienspieler titulierten Akteure sind diesem Amateur-Charakter längst entwachsen. Das liegt auch daran, dass die Bühnen nicht in ihrem eigenen Saft schmoren, sondern sich Impulse von außen holen. Hallenberg ist ein gutes Beispiel dafür. Seit 2007 führt Birgit Simmler Regie. Die 44-Jährige ist Profi durch und durch. Selbst der kleinsten Rolle widmet sie so viel Aufmerksamkeit wie dem Hauptdarsteller.

Weltpremiere zum Jubiläum

In diesem Jahr hat Simmler ein eigenes Stück für die Bühne geschrieben. Aus ihrer Feder stammt der Text für die biblische Geschichte um „Maria Magdalena“, die als Musical angelegt ist. Die Musik hat Paul Graham Brown geschrieben. Die Zuschauer dürfen sich am 12. Juni auf eine Welturaufführung freuen. Bereits am 29. Mai steht „Pippi Langstrumpf“ in den Startlöchern. Regie führt mit Bärbel Kandziora eine sehr detailverliebte Schauspielerin und Dozentin, die auch über Birgit Simmler den Weg nach Hallenberg gefunden hat und frische Akzente setzt.

Und irgendwie ist es auch heute noch so wie damals vor 70 Jahren mit dem Kuhgespann – nur eben ohne Tiere. Einige ziehen den Karren und viele andere packen mit an – auch wenn das Heu trocken ist.